Economia | Pandemie

Aus der Krise lernen!

Momentan beschäftigt Covid-19 weltweit die Menschen und die Politik. Die Gesundheit der Bürger steht auf dem Spiel und ist daher zu Recht das zentrale Thema in den Medien
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Foto: Coronavirus

Seit Wochen kämpft Italien gegen einen unsichtbaren Feind, der weltweite Auswirkungen auf die gesamte Menschheit und auf jeden Einzelnen von uns hat. Es gab in den letzten Jahren mehrmals Hinweise auf eine mögliche globale Bedrohung der Gesundheit, die aber nie ernst genommen wurden.

Auch diesmal hat man in China zuerst beschwichtigt und die Bedrohung unterschätzt. Heute hat sich die Seuche von China auf die ganze Welt ausgeweitet und damit die Schwächen der modernen Gesellschaft aufgezeigt.

Nun wird zum Wohle der Allgemeinheit eine starke und erneute Solidarität unter den Menschen benötigt. Die notwendigen radikalen Maßnahmen ändern unsere Lebensgewohnheiten. Sie haben aber nur Erfolg, wenn sich die Bürger strikt an die Vorgaben halten und die sozialen Kontakte so stark wie möglich einschränken.

Auch diese Epidemie wird vorübergehen. Danach wird es aber notwendig sein, die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen Italiens und Europas wiederherzustellen. Wird man diesmal einige Lehren aus dieser Notlage ziehen?

Dieses Virus hat uns klar und deutlich gezeigt, wie verletzlich ein Wirtschaftssystem ist, das auf Technologie, Individualismus und einer radikalen Marktlogik fußt. Diese Epidemie zwingt uns, mit einigen Mythen und vorherrschenden Theorien der vergangenen Jahrzehnte aufzuräumen. Die Illusion, dass die unermüdliche Verfolgung der eigenen Interessen das System zum Laufen bringt, erweist sich als ein Trugschluss.

Das Coronavirus zeigt unerbittlich auf, dass der Egoismus und der Individualismus in schwierigen Zeiten keine Rettungsanker bieten. Ebenso wird klar, dass es keine „starken“ Regionen gibt. Auch die reichen Regionen Italiens erweisen sich als verwundbar und allen Kritikern zum Trotz braucht Italien auch Europa.

Wir müssen vermehrt auf öffentliche Werte und Dienste achten und nicht dem profitgierigen Individualismus nachgeben. Heute wird klar, dass man die öffentliche Gesundheit nicht ohne Risiken für die Bevölkerung abbauen kann. Dies sollte auch eine Mahnung für die Wirtschaft sein, die von dieser Epidemie stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Schwäche des italienischen Gesundheitssystems hat politische Gründe. Italiens Ausgaben sind im internationalen Vergleich niedriger und zusätzlich noch ungleich verteilt.

Die größte Sorge ist derzeit eine Ausbreitung der Epidemie auf den Süden Italiens mit seinen unzureichenden Strukturen. Zu Recht, denn auch der strukturell besser gestellte Norden stößt bereits an seine Grenzen. Laut Verfassung haben aber alle Staatsbürger ein Recht auf Gesundheit, was eigentlich gegen eine Zersplitterung der Kompetenzen zwischen den Regionen in diesem Bereich spricht.

Die Cgil ist seit jeher gegen den Abbau des öffentlichen Gesundheitssystems zugunsten privater Einrichtungen. Wie wir derzeit schmerzhaft erfahren, braucht es in vielen Fällen eine gesamtstaatliche Koordination und die Solidarität, die nur die öffentliche Hand garantieren kann.

Nun bleibt zu hoffen, dass wir diese Situation ohne größeren Schaden überstehen. Seit Jahren wird über die Kosten des öffentlichen Gesundheitswesens diskutiert und man hat zum Teil den Privaten das Feld überlassen. Gerade die Lombardei ist ein Paradebeispiel hierfür. Dort hat die private Sanität in vielen Städten gleich viele Betten wie die öffentlichen Krankenhäuser.  Kann aber ein auf Profit ausgerichtetes privates Gesundheitswesen, das meist aus Einzelstrukturen besteht, eine Antwort auf eine Pandemie sein?

Auch stellt sich die Frage, welchen Beitrag Gesundheitsfonds in diesen Situationen leisen können? Ist es weiterhin sinnvoll, diese Fonds durch steuerliche Entlastungen zu fördern, die dann meist der privaten Gesundheitsversorgung zugutekommen? Diese Steuererleichterungen fördern nämlich den Abbau der öffentlichen Gesundheit.

Natürlich hat auch die private Medizin eine Berechtigung. Diese darf aber nicht Anlass für eine Reduzierung des öffentlichen Gesundheitswesens werden. Heute gebührt den Ärzten und den Pflegern der öffentlichen Strukturen, die seit Jahren mit Sparmaßnahmen konfrontiert sind, eine besondere Anerkennung. Ob man daraus zukünftig die notwendigen Lehren zieht, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Solange es auch es bei der Gesundheit eine Markt- und Profitlogik gibt, wird sich nach dem Abflauen der Krise wenig ändern. Seit Jahren weisen Mediziner auf eine weitere Katastrophe hin: die Vermehrung von antibiotikaresistenten Keimen. Die Pharmakonzerne haben die Forschung nach neuen Antibiotika gegen resistente Keime aber eingestellt, da diese kaum auf den normalen Markt kämen und wohl nur in Krankenhäusern eingesetzt würden.

Dieser Bereich verspricht daher kaum Gewinne. Dabei sind diese Keime weltweit ein großes Problem, an dem allein in Europa zehntausende Personen sterben. Auch die Auslagerung der Produktion von Medikamenten ist ein Problem. Heute sind Ostasien und insbesondere Indien die Hauptproduzenten von medizinischen Wirkstoffen. Bereits jetzt befürchtet man Engpässen bei den Lieferungen.

Die Abhängigkeit von Drittländern bei wichtigen Medikamenten ist daher zu verringern. Dies gilt aber auch in anderen Bereichen. Daher sollte die Rolle des Staates in sensiblen Bereichen im öffentlichen Interesse gestärkt werden, wenn nötig auch durch eine direkte Beteiligung. Und Staatsbeihilfen müssen unter bestimmten Voraussetzungen auch in Europa wieder erlaubt sein

Die letzten Wochen zeigen aber auch, dass es mehr Transparenz und Demokratie braucht, wenn man für mehr Solidarität plädiert und im Allgemeininteresse den notwendigen Konsens für unpopuläre Maßnahmen finden will. Der starke Mann an der Spitze wäre dazu wohl kaum die geeignete Lösung. Auch dies sollte uns das Coronavirus lehren.