Economia | China-Italien

Belt and Road and... Umweltstandards?

China’s Belt and Road Initiative wird häufig kritisiert, da die Infrastrukturprojekte Umweltstandards wenig beachten. Ein Team aus Forschern stellt Lösungen vor.
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a delegation xiamen university
Foto: unibz

Teil des internationalen Forschungsteams International Silk Road Science Academy ist auch Stefan Zerbe, Landschaftsökologe und Professor an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen. Als Repräsentant für Italien reiste er kürzlich nach China, wo das Team auf dem Forum on Technology Transfer verschiedene Forschungsergebnisse im Bereich der Ökologie und des Umweltschutzes vorstellten.

Seit 15 Jahren forscht die Arbeitsgruppe in China, um das wohl größte Infrastrukturprojekt der Geschichte so umweltschonend und ökologisch vertretbar wie möglich zu gestalten. Wie schwer es ist, wenn gegensätzliche Ansichten aufeinandertreffen, welche Themen auf dem Forum behandelt wurde, und worauf Italien und die EU in ihrer Zusammenarbeit mit China achten sollten, erklärt Professor Stefan Zerbe im Interview mit Salto.bz.

 

Salto.bz: Herr Zerbe, Sie haben gerade am Forum on Technology Transfer in China teilgenommen, das von der International Silk Road Science Academy ausgerichtet wird. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss von Forschern aus 25 Ländern, die rund um das Thema der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI) forschen. Welche Themen wurden auf dem Forum behandelt?

Stefan Zerbe: Das Forum in der ostchinesischen Stadt Xiamen bot u.a. eine Plattform, um internationale Forschungs- und Entwicklungsprojekte zwischen China und den Partnerländern zu initiieren. Als Mitglied der International Silk Road Science Academy und Vertreter aus Italien wurde ich hierzu eingeladen, um unsere vorgeschlagenen Projekte im Bereich der Umwelt und Ökologie vorzustellen. Hauptsächlich wurden auf dem Forum Themen der Informationstechnologie, der modernen Agrar- und Lebensmittelproduktion, des Transportwesens, der Energieversorgung und der Biotechnologie behandelt.

 

Darunter stellten Sie Ihr internationales Projekt zur Renaturierung von Weidelandschaften im zentralasiatischen Hochgebirge. Worum handelt es sich dabei?

Wir führen seit ca. zwei Jahrzehnten in Zusammenarbeit mit chinesischen und anderen europäischen Partnern landschaftsökologische Forschungen in China durch. In der nordwestchinesischen Region Xinjiang beispielsweise haben wir uns mit der Dynamik, der Degradation und der Renaturierung von Ökosystemen der Flussaue des Tarim-Flusses beschäftigt, einer der bedeutendsten Wasseradern Zentralasiens. In der Inneren Mongolei stand die Renaturierung von Feuchtgebieten und die besondere Rolle der Schilfpflanze im Mittelpunkt unserer Forschungen, die von einem internationalen Team aus Landschaftsökologen, Mikrobiologen und der Umweltethik durchgeführt wurden.

In der gesamten Region der zentralasiatischen Gebirge, wie auch in anderen Bergregionen der Welt, bestehen durch eine Überweidung des Gebirgsgraslandes z.T. erhebliche Schäden, die bis hin zur völligen Zerstörung der Vegetationsdecke führen. Eine Renaturierung und ressourcenschonende Nutzung dieser Weideflächen ist nicht nur aus ökologischer und naturschutzfachlicher Sicht, sondern ganz besonders auch zur Stabilisierung der Sozioökonomie in den betreffenden Regionen dringend geboten. Eine internationale Kooperation zwischen den zentralasiatischen Staaten ist hier zielführend.

 

Die EU steht der BRI wegen fehlender Umweltstandards teilweise kritisch gegenüber. Sind die Sorgen berechtigt?

Ja, diese Sorgen sind berechtigt, obwohl die EU mit Kritik auch vorsichtig sein sollte. Trotz der hohen und vorbildlichen Umweltstandards in der EU gibt es dennoch erhebliche, noch nicht gelöste Umweltprobleme wie beispielsweise der dramatische Rückgang der biologischen Vielfalt in intensiv genutzten Agrarlandschaften.

China befindet sich mit den derzeit noch großflächigen Umweltproblemen in einer Phase, die wir in Europa zu Beginn der Industrialisierung hatten. Das bedeutet z.B. in den großen Metropolen hohe Luftverschmutzung und auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen sowie in Industrie- und Siedlungsgebieten die Kontamination des Grund- und Oberflächenwassers mit Schadstoffen. Hinzu kommen eine sehr rasch zunehmende Flächenversiegelung und der ungebremste Verbrauch von Naturkapitalien. Optimistisch stimmt allerdings, dass man in China diese Problematik erkannt hat. So schnell sich China technologisch bzw. wirtschaftlich entwickelt, so schnell, so kann man hoffen, könnten dort auch viele der Umweltprobleme gelöst werden. Die Renaturierung von degradierten Ökosystemen spielt hier eine erhebliche Rolle. Wir stehen hierbei mit unseren chinesischen Partnern in Verhandlungen zu entsprechenden Projekten.

 

Wo liegen die größten Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit China im Bereich Ökologie und Umwelt?

Die größten Herausforderungen liegen in der Entwicklung von verbindlichen Umweltstandards, einer entsprechenden Gesetzgebung und der raschen Umsetzung von Strategien zur Erreichung von Umweltqualitätszielen. Umweltplanungen und die Landschaftsentwicklung werden in China meist zentral gesteuert. Eine große Herausforderung liegt in der dezentralen, auf die lokal-regionalen Bedingungen abgestimmte Entwicklung, die die enorme Natur- und Kulturvielfalt dieses Flächenstaates viel stärker berücksichtigt.

 

Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Ein wichtiger Lösungsweg liegt im Wissenstransfer, d.h. in der Anwendung des bereits bekannten ökologischen Fachwissens, welches in der Praxis auf die spezifischen Umweltbedingungen und die sozioökonomischen Rahmenbedingungen zugeschnitten werden muss. Am Beispiel der Bergweiden in Nordwest-China möchten wir mit einem interdisziplinären und internationalen Team nach Strategien suchen, die die vielfältigen Ökosystemleistungen dieser landwirtschaftlichen Nutzflächen wieder regenerieren, unter Einbeziehung der Landnutzer und Entscheidungsträger. Hier kann eine Kombination traditioneller Nutzungsformen mit modernen Ansätzen einer nachhaltigen Landnutzung zielführend sein.

 

Experten empfehlen der EU, sich mehr in die BRI einzubringen, um das Projekt zugunsten stärkerer Umwelt- (und Sozial-) Standards mitzugestalten. Bringt das Projekt also auch Chancen für Italien bzw. die EU im Bereich ökologische Umweltgestaltung?

Mit meiner Mitgliedschaft in der International Silk Road Science Academy verfolge ich das Ziel, mich mit meiner Expertise als Landschaftsökologe und Fachmann für Natur- und Umweltschutz in einen laufenden Prozess einzubringen. Das würde ich auch der EU empfehlen. Wenn die EU als Partner auftritt, lässt sich im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung und soziale Standards mehr erreichen als wenn entweder Uneinigkeit in der EU im Auftreten gegenüber China herrscht oder nur Kritik geäußert wird.

 

Ein Problem ist aber gerade die fehlende Einigkeit unter EU-Mitgliedsstaaten. Ungarn z.B. wird häufig als Sperrer zitiert, wenn es darum geht, in der Zusammenarbeit mit China stärker auf Umwelt- (und Sozial-) Standards zu pochen.

Durch den bevorstehenden Brexit, die ablehnende Haltung Italiens gegenüber der EU und die bedenklichen politischen Entwicklungen in Polen und Ungarn beispielsweise ist der europäische Gedanke in eine Krise geraten. Ich kann nur hoffen, dass die gesamte EU mit China in einen kontinuierlichen konstruktiven Dialog eintritt, auch wenn das aufgrund der Verletzung der Menschenrechte in China immer wieder zu unüberwindbar erscheinenden Hürden führt. Nur durch einen Dialog und Einigkeit lassen sich von Seiten der EU glaubhaft Umweltstandards und Strategien einer ressourcenschonenden und nachhaltigen Wirtschaft vermitteln. Das beinhaltet auch einen gegenseitigen Lernprozess. Die zukünftige Entwicklung der zentralasiatischen Staaten, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion immer noch in einer Umbruchsphase befinden, sollte die EU nicht alleine China überlassen.

 

Italien hat als erstes G7 Land die BRI unterzeichnet. Das sorgt teilweise für Unbehagen in der EU. Was wird es denn für Auswirkungen haben?

Ich denke, dass dies ein Meilenstein in einer intensiveren Kooperation zwischen China und Italien darstellt. Dies betrifft in erster Linie eine stärkere Kooperation in der Wirtschaft und dem Technologietransfer. Der Alleingang Italiens in dieser Hinsicht war sicherlich nicht zielführend für den europäischen Gedanken.

 

Wie die Kooperation mit China über dem jüngsten Abkommen verläuft, hängt auch davon ab, wie sehr Italien es schafft, europäische Umweltstandards durchzusetzen. Worauf sollte Italien hier achten?

Diese komplexe Frage lässt sich nicht in wenigen Worten beantworten. Deshalb ein Beispiel: Italien hat eine enorme Mannigfaltigkeit an historischem Kulturgut und setzt viel daran, dies für zukünftige Generationen zu erhalten. In China ist das Gegenteil der Fall. Historisches Kulturgut wird durch die Moderne unwiederbringlich ersetzt bzw. vernichtet. Die neuen und stetig wachsenden Metropolen schieben sich unaufhaltsam über die historisch gewachsenen Strukturen. China kann im Hinblick auf den Erhalt des Kulturerbes viel von Italien lernen.

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Zerbe.