Books | Salto Afternoon

Cara Roberta.

Ein Vorarlberger Literaturprojekt blickt über Grenzen und Sprachgrenzen hinweg. Im Gespräch mit der Projektleiterin Frauke Kühn blickt Salto zurück ins "Ländle".
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Foto: Christoph Linher

salto.bz: Wie ist das Projekt „Cara Roberta.“ entstanden. Und warum trägt es diesen Titel?

Frauke Kühn: Rund um die Maßnahmen zur Covid19-Bekämpfung haben auch wir Veranstaltungen absagen und Projekte ausbremsen müssen. Die plötzlich so hohe Attraktivität der digitalen Bühnen und der Tagebuchstimmen, haben mich umso analoger und umso mehr das Du denken lassen. Auf diese Weise lag der Gedanke zu einem Briefwechsel nah: Ein Format, das in der Lage ist Grenzen und Sprachen zu überwinden, das Zeit zur Reflexion öffnet und vor allen Dingen eine Reaktion erlaubt und bei all dem doch auch in dieser außergewöhnlichen Zeit geographisch entlegene Perspektiven einfangen kann. 


Das Projekt hatte zunächst den Arbeitstitel „Diskurs aus der Distanz“. Aber das fühlte sich ebenso sperrig an, wie es sich las. Wir haben dann zahlreiche Alternativen durchgespielt und plötzlich kam Werner Menapaces Übersetzung des ersten Briefes von Christoph Linher, der an Roberta Dapunt ging. Der Brief begann mit den zwei schlichten und doch so einzigartig schönen Worten Cara Roberta. In der Sekunde des Lesens hatte unser Projekt ein Gefühl bekommen. Ab da war der Titel gesetzt. Alle wichtigen Aspekte, der Austausch über das Kulturmedium Brief, das Du des Dialogs, die Mehrsprachigkeit - der Titel vereint vieles von dem, was uns mit diesem Projekt wichtig erscheint. 

 

Wer sucht die AutorInnen aus?

Aktuell agieren das Literaturhaus Liechtenstein und unser Initiative als zwei Kooperationspartner. Jeder von uns setzt seine eigenen AutorInnen-Teams zusammen. Wir sind natürlich regelmäßig im Austausch und inspirieren uns gegenseitig. Grundsätzlich geht aber jeder seiner eigenen Intuition nach und nutzt seine Netzwerke. Wichtig ist nur, dass sich die Autorinnen und Autoren, die zusammen ein Team bilden, noch nicht persönlich kennen. Der Briefwechsel soll – auch – Unbekannte miteinander in die literarische Begegnung bringen. 

Das Projekt zieht aktuell weitere Kreise und es sieht so aus, als ob neue KooperationspartnerInnen dazukommen könnten. 

Roberta Dapunt durfte ich letztes Jahr beim Alpen-Adria Literaturfestival in Arnoldstein hören. Während sie las, kam mir sofort Christoph Linher in den Sinn, weil mir der Ton der beiden einzigartig aber auf schöne Weise verwandt erscheint. Ich musste immer daran denken, wie schön es wäre, beide zu einer gemeinsamen Lesung in unser künftiges Literaturhaus einzuladen. Manchmal geht man einige Zeit mit so einem Bild durch das Leben, bis sich plötzlich die genau richtige Gelegenheit, der stimmige Kontext ergibt. 
Yannic Han Biao Federer – aus Köln – kenne ich seit 2018. Ich habe seine schönen Erfolge beim Bachmannpreis mitverfolgt und war mit ihm während der Zeit immer mal wieder in Kontakt. Dass ich ihn mit dem Rauriser Förderpreisträger Carlos Peter Reinelt vernetzt habe, lag nicht nur daran, dass beide ungefähr im selben Alter sind, sondern vor allem auch daran, dass ich wusste, dass Carlos sich derzeit in Tokio aufhält. Diese Stimmen und Perspektiven im Rahmen von Cara Roberta. zusammenzuführen, erschien mir besonders reizvoll.       

 

Wie geht das Projekt mit Mehrsprachigkeit und Übersetzung um?

Das künftige Literaturhaus Vorarlberg setzt einen seiner Schwerpunkte im Bereich der Mehrsprachigkeit und dem Moment der literarischen Übersetzung. Als gebürtige Norddeutsche lebe ich seit 18 Jahren hier in Vorarlberg inmitten einer reichen und lebendigen Literaturlandschaft. Dennoch erlebe ich es so, dass das internationale, das europäische Moment für diese Landschaft eine noch stärkere Rolle spielen kann. Dazu kommt, dass die Villa Iwan und Franziska Rosenthal in Hohenems steht. Hohenems ist eine Stadt, deren Bevölkerung schon immer das Stadtbild mit unzähligen Sprachen geprägt hat und dies auch heute noch tut. Vor diesem Hintergrund möchten wir nicht nur die junge deutschsprachige und internationale schreibende Generation mit unserem künftigen Literaturhaus verbinden, sondern immer wieder auch durch Projekte bewusst die Anbindung an die europäische Literaturszene und die der literarischen Übersetzerinnen und Übersetzer suchen. Deshalb freut es mich sehr, dass wir für Cara Roberta. mit Alma Vallazza und Werner Menapace ein so versiertes und eingespieltes Team für die literarische Übersetzung gewinnen konnten.  


Persönlich finde ich den Gedanken, dass Übersetzerinnen und Übersetzer für einen kurzen Moment im Dazwischen zweier Sprachen zu Hause sind, unglaublich reizvoll. Mich interessiert, wie sich Sprachbilder wandeln, wenn sie von der einen in die andere Sprachwelt getragen werden, wenn sie gerade weder das eine, noch das andere sind.  

 An welchem Punkt befinden sich die Entwicklungen zum Literaturhaus?

Seit 2019 dürfen wir als literatur:vorarlberg netzwerk mit Unterstützung des Landes Vorarlberg, der Stadt Hohenems und des Bundes, das künftige Literaturhaus Vorarlberg denken. Wir denken ein Haus, das 1890 erbaut wurde und seine Gäste mit dem ersten Schritt durch die Tür direkt in das 19. Jahrhundert fallen lässt. Von der Kutscheneinfahrt zum Salon, zum original erhaltenen Esszimmer, über verschiedene Badezimmer und Küchen bis hin zur alten Kegelbahn tauchen die Besucherinnen und Besucher in diesem Haus von Jahrzehnt zu Jahrzehnt und durch unzählige Geschichten.


Das Haus durchläuft die nächsten zwei bis drei Jahre eine sorgsame Sanierung. Bis dahin bespielen wir das Haus punktuell mit innovativen Literaturveranstaltungen und -projekten – Live Lektorat: kill your darlings, to be continued – und laden die Literatur damit sprichwörtlich auf eine Baustelle ein. Dementsprechend steht für uns im Haus weniger das fertige Buch im Vordergrund, sondern der Prozess des Schreibens und des Lesens. Unsere Formate weisen deshalb deutlich auf den Entstehungsprozess, das Making Of. 

Wir nutzen die Zeit bis zur Eröffnung, um die Menschen langsam an das Haus sowie das Haus an die Menschen und an die Literatur zu gewöhnen.

Sie thematisieren aber auch den Prozess der Entwicklung des Hauses? 

Ja, Unser Blick auf den Schreibtisch ist beispielsweise so ein Format, das auch für die interessierte Bevölkerung offen ist und mit dem wir dazu einladen, mit uns hinter die Kulissen unserer Arbeit zu schauen. Immer wieder sammeln wir auch Ideen und Wünsche der Menschen, die für das Haus denken und es mitgestalten möchten.     
Wir nutzen die Zeit bis zur Eröffnung, um die Menschen langsam an das Haus sowie das Haus an die Menschen und an die Literatur zu gewöhnen. Parallel dazu bahnen wir künftige Schwerpunkte an – u.a. Mehrsprachigkeit, Graphic Novel, virtuelle Realität – und knüpfen Netzwerke. Verbindungen, die jetzt auf der Basis der ersten Projekte entstehen, sind in drei Jahren Partnerschaften, auf die das dann eröffnete Literaturhaus Vorarlberg aufbauen darf. Wir möchten den Autorinnen und Autoren, den Akteuren der Literaturlandschaften und vor allen Dingen unserem künftigen Publikum die Gelegenheit geben, sich in dieses einzigartige Haus verlieben zu können, sich von unseren Ideen erobern und in Geschichten einladen zu lassen. Unabhängig von Alter, Sprache, Herkunft oder dem Fakt ob man LiteraturliebhaberIn ist oder nicht.