Società | Freiwilliger Dienst

Blick hinter die Kulissen

Mit dem freiwilligen Zivildienst in der Offenen Jugendarbeit können Jugendliche sich ausprobieren und Berufserfahrung sammeln.
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Jugendkultur - Comic
Foto: netz | Offene Jugendarbeit/sovia

Evelyn „Eve“ Spechtenhauser ist Jugendarbeiterin in den Jugendzentren JuZe Naturns und Kosmo Plaus. Im JuZe Naturns begleitet sie außerdem als Tutorin die Zivildienstleistenden. Sie spricht darüber, was die Zivis in der Jugendarbeit erwartet. Tobias Garber macht gerade seinen Zivildienst im Jugendzentrum Jux in Lana, er erzählt uns im zweiten Teil des Interviews seine Erfahrungen.

 

Frau Spechtenhauser, wie bewirbt man sich für den Zivildienst in der Jugendarbeit?

Evelyn Spechtenhauser: Bitte nennt mich „Eve“, in der Jugendarbeit duzen wir uns und das fühlt sich authentischer an. Es gibt heuer wieder dreizehn verschiedene Jugendtreffs und den Dachverband netz | Offene Jugendarbeit, die eine*n Zivildiener*in beschäftigen können. Der freiwillige Zivildienst in der Jugendarbeit dauert acht Monate und kann wahlweise auf maximal 12 Monate verlängert werden. Man bewirbt sich direkt beim einzelnen Jugendzentrum, deshalb kann ich hier nur für die Bewerbung im JuZe Naturns sprechen: bisher kamen normalerweise die Jugendlichen aus unserem Treff auf uns zu und haben sich nach dem Zivildienst erkundigt. Oder wir Jugendarbeiter haben uns überlegt für wen es in Frage kommen könnte und haben dann diese Jugendlichen gezielt darauf angesprochen. Für die Jugendzentren sind die Zivis auf jeden Fall eine große Bereicherung, weil sie eine frische Perspektive und neue Ideen mitbringen und weil sie vom Alter her selbst noch sehr nah an unserem Zielpublikum dran sind.

 

Welche Vorteile bringt ein Jahr als Zivildienstleistende*r in der Jugendarbeit?

Viele junge Leute wissen nach der Schule noch nicht genau, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln möchten, ob sie studieren oder arbeiten gehen. Und es ist auch nicht leicht sich komplett ohne Berufserfahrung für einen Job zu bewerben. Der Zivildienst in einem Jugendzentrum gibt den Jugendlichen die Chance sich über die eigenen Stärken und Interessen bewusst zu werden oder ganz neue Fähigkeiten zu entdecken. Beim freiwilligen Zivildienst kann man sich in der Zeit zwischen Schulabschluss und Berufswelt oder Studium in einem geschützten Rahmen ausprobieren, sich persönlich weiterentwickeln und gleichzeitig konkrete Berufserfahrung sammeln. Es gibt aber auch junge Leute, die schon ein paar Jahre gearbeitet haben und sich nicht sicher sind, ob ihr derzeitiger Beruf der richtige für sie ist. Auch hier kann ein Jahr Zivildienst mehr Klarheit bringen. Und egal wo man sich nach dem Zivildienst bewirbt, man kann danach ganz konkret Teamfähigkeit, soziales Engagement und sogenannte „Soft Skills“ vorweisen.

 

Sind die Bewerber meistens schon Besucher der Jugendzentren?

Bei unserem Austausch mit anderen Jugendzentren merken wir immer wieder wie unterschiedlich die Erfahrungen der jeweiligen Jugendarbeiter sind. Bei uns im JuZe-Naturns z.B. waren die Zivildiener*innen bisher immer Jugendliche, die uns schon kannten, das Jugendzentrum selbst besuchten und sich deshalb gut vorstellen konnten sich für ein Jahr bei uns zu engagieren. Aber Kollegen aus anderen Jugendzentren berichten, dass sich dort manchmal auch Zivis beworben haben, die vorher noch nie in ein Jugendzentrum gekommen waren.

 

Beschließt manch eine*r, nach dem Zivildienst im Jugendzentrum, auch Jugendarbeiter zu werden?

Klar, das kommt immer wieder vor, dass Zivildiener*innen merken, dass das genau ihr Weg ist. So, wie es auch schon mal Situationen gab, bei denen der oder die Zivildienstleistende gemerkt haben, dass sie lieber etwas ganz anderes machen möchten. Deswegen sage ich ja: der Zivildienst ist eine wertvolle Chance und eine Zeit, um sich zu finden und zu entfalten. Man lernt im Zivildienst insgesamt viel und nimmt Erfahrungen mit, die man im Leben gut gebrauchen kann, ganz egal wo man später arbeitet.

 

Was macht ein Zivi in der Jugendarbeit genau?

Die Tätigkeiten sind sehr vielfältig, d.h. er oder sie kann und soll sich in vielen Bereichen mit einbringen. Hauptaufgabe ist natürlich die Beziehungsarbeit: zum Beispiel bei der „Bar“ des Jugendtreffs oder beim Calcetto, Dart oder Billard Ansprechperson für die Jugendlichen zu sein. Als Zivi kann man aber auch sehr gut einen Blick hinter die Kulissen der Planung & Durchführung von Events werfen. Beim JuZe Naturns sind das zum Beispiel das Etschside Open Air, Monatskonzerte, der Skatecontest, Präventionstage, Workshops usw. Außerdem können die Zivis die Ausflüge und Reisen mitgestalten oder eigene Projekte umsetzen. Aber hinter den tollen Aktionen, die uns begeistern und inspirieren, steckt natürlich manchmal auch ein Stück Schreibtischarbeit und das normale Tagesgeschäft, bei dem der oder die Zivildiener*in auch mitanpackt wo es gerade nötig ist.

 

Bekommen Zivildiener*innen einen eigenen Arbeitsbereich zugeteilt? 

Ja, Zivildiener*innen betreuen bei uns einen eigenen Bereich. Alle Zivis werden für die Zeit ihres Dienstes ein Teil des Teams und sind mit allen Mitarbeitern im Austausch und auf Augenhöhe. Der Zivi kann und soll überall seine Ideen und Eigenschaften einbringen. Jeder Jugendtreff hat aber neben der Hauptaufgabe auch noch Schwerpunkte: bei uns im Juze-Naturns oder im UFO Bruneck und auch im Kuba-Kaltern finden oft Live-Konzerte und kulturelle Angebote statt, bei denen Zivildienstleistende, die sich besonders für Musik interessieren, gut einbringen können. Das Papperla in Bozen arbeitet wiederum viel mit Camps, hier können die Zivis sich besonders bei Projekten der Erlebnispädagogik einbringen. Das Joy in Auer oder das Jump in Eppan haben z.B. einen besonderen „Garten der Begegnung“. Es gibt also, je nachdem wo man den Zivildienst macht, verschiedene Spezialbereiche in die der Zivi seine Fähigkeiten miteinbringen kann.

 

Der Slogan für das Zivildienst-Projekt #ChanceCalcetto der Offenen Jugendarbeit ist zweisprachig: „Mettiti in gioco - Bring dich ins Spiel“. Heißt das, dass der Zivildienst in der Jugendarbeit sprachgruppenübergreifend ist?

Ja, die „offenen Jugendarbeit“ ist für alle „offen“. Auch wenn die Jugendarbeit bürokratisch gesehen sprachlich getrennt wird und jeweils andere Ämter für die deutschen und die italienischen Jugendzentren zuständig sind, ist es den Jugendlichen meistens relativ egal, ob es ein italienisches oder ein deutsches Jugendzentrum ist, sie gehen einfach dorthin wo ihre Freunde sind. Insbesondere in Bozen und den größeren Gemeinden sind die Jugendlichen in gemischtsprachigen Gruppen unterwegs und das spiegelt sich auch im Publikum der dortigen Jugendzentren wieder.

Mit dem zweisprachigen Slogan wollen wir unterstreichen, dass in den Jugendzentren alle willkommen sind und dass auch italienischsprachige Jugendliche sich sehr gerne für den Zivildienst in unseren Jugendzentren bewerben können.

 

Jetzt ein Perspektivenwechsel: Tobias Garber erzählt uns seine Erfahrungen als Zivildienstleistender im Jugendzentrum Jux in Lana.

 

Tobias, seit wann machst Du deinen Zivildienst im Jux?

Tobias Garber: Ich habe voriges Jahr die Matura an der Fachoberschule für Soziales in Meran gemacht und im Oktober 2019 habe ich mit dem Zivildienst angefangen. Nach den ersten acht Monaten hat es mir so gut gefallen, dass ich auf  zwölf Monate verlängert habe, d.h. mein Zivildienst geht noch bis Oktober 2020.

 

Wie kamst Du dazu?

Nach der Schule war ich mir noch nicht ganz sicher, was ich weiter machen möchte. Ich bin immer schon oft ins Jugendzentrum gegangen und hatte dort vorher auch schon einmal Sommerprojekte betreut und mitgeholfen Konzerte zu organisieren. Da mir das immer gut gefallen hat, habe ich dann nach der Matura beim Jux angefragt, ob ich dort den Zivildienst machen kann.

 

Welche Deiner Erwartungen haben sich bestätigt, welche nicht?
Bestätigt hat sich auf jeden Fall, dass es ein tolles Arbeitsklima ist, dass ich wie ein hauptamtlicher Mitarbeiter überall mitmachen konnte. Ich wurde auch immer nach meiner Meinung gefragt und bei allem miteingebunden. Meine Erwartungen wurden alle erfüllt, ich habe sehr viel gelernt und durfte selbstständig meine Projekte betreuen.
Nur in diesen letzten Monaten hat mir der Corona-Virus ein bisschen einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil vieles plötzlich nicht mehr möglich war. Zum Beispiel hatten wir eigentlich ein Open-Air Konzert geplant, das leider nicht stattfinden konnte.

Aber auch in der Corona-Krise wurde schnell reagiert und es wurden viele neue Projekte für Onlinetreffen organisiert. Meine Zivildienst-Kurse fanden kurzerhand online statt, wie zum Beispiel das Seminar über Freizeitdrogenkonsum vom Kassianeum Brixen, das mir vom Jugendzentrum im Rahmen meines Zivildienst finanziert wurde.

 

Was sind Deine konkreten Tätigkeiten als Zivi?

Vor der Corona-Krise war ich jeden Tag im Jugendzentrum, vormittags habe ich an der Teamsitzung teilgenommen, nachmittags war ich dann viel bei der Treffarbeit anwesend. Ich habe zum Beispiel einen Skatecontest mit den Jugendlichen organisiert. Oder für das Projekt „Al-cool“ habe ich zuerst selbst eine Schulung gemacht, um dann bei der Präventionsarbeit gegen Alkoholkonsum bei Mittelschülern mitzuarbeiten.

Als der Jugendtreff wegen Corona schließen musste, habe ich die ersten zwei Wochen im Jugendzentrum ein paar Reparaturen gemacht, Projektplanungen und ein paar Texte geschrieben. Dann ging auch schon die Online-Jugendarbeit los und da habe ich dann zum Beispiel das Online-Wattturnier von zu Hause aus organisiert. 

 

Was möchtest Du nach dem Zivildienst machen?

Ich hatte eigentlich eine Reise nach Indien geplant, das geht jetzt in dieser Situation natürlich nicht. Aber ich habe beschlossen in Wien Sozialarbeit zu studieren, weil ich gemerkt habe, dass ich mich auch beruflich für Menschen engagieren möchte.

 

Was würdest Du anderen Jugendlichen über den Zivildienst in der Jugendarbeit sagen?

Der Zivildienst ist eine tolle Gelegenheit, um Einblick in eine Arbeit zu bekommen, selbst wenn man dann später etwas ganz anderes macht. Ich habe außerdem bei den Treffen der südtiroler Zivildienstleistenden viele interessante Leute kennengelernt, die auch alle sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung waren. Aus diesen Kontakten sind viele neue Freundschaften entstanden, die ich auch weiter pflegen werde.

 

{Interview/Text: Lucia de Paulis}