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Diskretes Schweigen

Der Raiffeisenverband hat auf seiner Jahresvollversammlung eine erfolgreiche Bilanz präsentiert. Das Konfliktthema Reform hat man dabei bewusst ausgespart.
Raiffeisen
Foto: Raiffeisenverband Südtirol
Es war eigentlich die spannendste Frage: Wird man den Dissens zur neuen Reform der Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken spüren oder nicht? Werden die internen Konflikten offen angesprochen?
Als sich der Raiffeisenverband am Freitagvormittag in Bozen zu seiner Jahresvollversammlung trifft, stehen die Zeichen auf Jubiläum. „200 Jahre Friedrich Wilhelm Raiffeisen“ feiert man heuer. Man redet an diesem Vormittag zwar von der „Veränderung und Neuausrichtung des Raiffeisenverbandes als Genossenschaftsverband“, doch das heiße Eisen wird bewusst umschifft.
Dabei wütet innerhalb des Südtiroler Raiffeisenkosmos seit langem ein harter Positionskampf. Es geht um die anstehende Reform der Genossenschaftsbanken und vor allem um die Frage, wie man in Südtirol zum Moratorium steht, das von der neuen Regierung ausgerufen wurde.
 

Der Verband

 
Das Geschäftsjahr 2017 war für den Raiffeisenverband ein bewegtes Jahr“, sagte Verbandsobmann Herbert Von Leon am Freitag vor Vertretern der 357 Mitgliedsgenossenschaften und aus Politik und Wirtschaft. Auch Generaldirektor Paul Gasser bezeichnete das Geschäftsjahr als „kein gewöhnliches Jahr“.
Der Raiffeisenverband hat 2017 eine Standortbestimmung vorgenommen und eine neue Strategie für die nächsten drei Jahre beschlossen. Im Mittelpunkt stehen die Neuausrichtung und die künftige Rolle des Raiffeisenverbandes innerhalb der Raiffeisenorganisation. Gemeinsam mit den Mitarbeitern und Vertretern der Mitgliedsgenossenschaften wurde an einem attraktiven Zukunftsbild für den Verband gearbeitet. Die konkrete Ausgestaltung steht für die kommenden Monate an. „Wir möchten den Raiffeisenverband markt- und dienstleistungsorientierter positionieren“, betonte Obmann Von Leon. Generaldirektor Paul Gasser ergänzte: „Wir wollen unsere Mitgliedsgenossenschaften in den verschiedenen Sparten gezielter mit individuellen und spezifischen Lösungen bedienen“.
 
Zum Ende des Geschäftsjahres 2017 zählte der Raiffeisenverband 357 Mitglieder (330 Genossenschaften, 27 Körperschaften). Damit befinden sich rund ein Drittel aller Südtiroler Genossenschaften unter dem Dach des Raiffeisenverbandes. Die Raiffeisen-Genossenschaften sichern knapp 8000 Arbeitsplätze, zählen über 152.643 Einzelmitglieder, womit mehr als jeder vierte Südtiroler Mitglied einer Raiffeisen-Genossenschaft ist. Insgesamt weisen die Raiffeisen-Genossenschaften ein Eigenkapital von 3,2 Mrd. Euro, eine Bilanzsumme von 20 Mrd. Euro und eine erweiterte Wertschöpfung von 1,3 Mrd. Euro auf. „Damit tragen sie wesentlich zur gesamtwirtschaftlichen Leistung in Südtirol bei“, sagte Herbert Von Leon.
 

Der Umbau

 
Generaldirektor Paul Gasser verwies auf einige zentrale Weichenstellungen im Geschäftsjahr 2017. Unter anderem wurde mit den Vorbereitungsarbeiten für die Zusammenführung der beiden Tochtergesellschaften RUN AG und Raiffeisen OnLine GmbH und der Abteilung IT der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften begonnen. Damit werden die vom Raiffeisenverband erbrachten vielfältigen IT-Dienstleistungen neu ausgerichtet.
 
Zudem wurde das Datacenter des Raiffeisenverbandes aus sicherheitstechnischen und ökonomischen Gründen von Bozen nach Rom übergeleitet, wobei die gesamten IT-Anwendungen weiterhin vom Raiffeisenverband aus gesteuert werden. Weiters hat der Raiffeisenverband einen bedeutenden Schritt zur Digitalisierung seiner Dienstleistungen gesetzt: Seit Juli können die Mitgliedsgenossenschaften alle Rundschreiben und Wissensdatenbanken über das neue Web-Portal „RVS-Wissen“ abrufen und die Informationen sind auch über Smartphone und Tablet zugänglich. Damit gehören die Papierrundschreiben der Vergangenheit an.
 

Die Ergebnisse

 
Die Raiffeisenkassen samt Raiffeisen Landesbank Südtirol AG konnten gute Zuwächse bei den direkten Kundeneinlagen (12.041 Mio. Euro, + 3,92%) und Kundenausleihungen (10.018 Mio. Euro, +2,92%) verzeichnen und einen Rechnungsüberschuss von 105 Mio. Euro erwirtschaften. Der Marktanteil der Raiffeisenkassen in Südtirol liegt bei den Krediten bei 51% und bei den Einlagen bei 52%.
Auch die landwirtschaftlichen Genossenschaften konnten gute Ergebnisse erzielen. Die Obstgenossenschaften stellten aus der Ernte 2016 (Geschäftsjahr 2016/17) mit 990.000 Tonnen Obst und Gemüse knapp 93% der Südtiroler Kernobsternte. An die Mitglieder zahlten sie 397 Mio. Euro aus, pro Kilogramm im Schnitt 40 Cent (+7%). Die Kellereigenossenschaften verarbeiteten aus der Ernte 2016 33.000 Tonnen Trauben und erzeugten rund 221.000 Hektoliter Wein. Damit stellten sie knapp 65% der Südtiroler Weinproduktion. An die Produzenten zahlten sie im Geschäftsjahr 2016/17 mit rund 80 Mio. Euro um 9,7 Prozent mehr aus als im Jahr zuvor.
Die Molkereigenossenschaften verzeichneten im Geschäftsjahr 2017 mit insgesamt rund 415 Mio. Kilogramm Milch eine höhere Milchanlieferungsmenge und konnten an die Mitglieder einen durchschnittlichen Kilopreis von 50,4 Cent ohne Mehrwertsteuer bzw. in Summe 208 Mio. Euro ohne MwSt. ausbezahlen. Insgesamt konnten die Obst-, Kellerei- und Molkereigenossenschaften über 685 Mio. Euro ohne MwSt. an ihre Mitglieder ausbezahlen.
 
Ende 2017 zählte der Raiffeisenverband 56 Energiegenossenschaften mit rund 17.600 Mitgliedern. Die Genossenschaften versorgten 31.800 Endverbraucher mit Strom und Wärme und nehmen damit im Südtiroler Energiesektor einen wesentlichen Platz ein.
Auch die übrigen Mitgliedersparten wie die Viehwirtschafts-, Einkaufs- und Konsum-, Wasser-, Sozial-, Wohnbau- und Parkplatz-, Kindergarten- und Kulturheimgenossenschaften sowie die Sonstigen Genossenschaften konnten ihrem Auftrag gut nachkommen.
 

Die Neuwahlen

 
Auf der Vollversammlung des Raiffeisenverbandes wurde auch der Verwaltungs- und Aufsichtsrat neu gewählt. Am Freitagnachmittag trat der neu gewählte Verwaltungsrat des Raiffeisenverbandes zu seiner ersten Sitzung zusammen. Dabei wurde Herbert Von Leon als Obmann bestätigt. Von Leon steht seit 2015 an der Spitze des Raiffeisenverbandes.
 
Bestätigt wurden zudem Erich Ohrwalder als 1. Obmannstellvertreter und Robert Zampieri als 2. Obmannstellvertreter. 
Der neue und alte Verwaltungsrat: Herbert Von Leon (Verbandsobmann), Erich Ohrwalder (1. Obmannstellvertreter), Robert Zampieri (2. Obmannstellvertreter), Paulina Schwarz (Mitglied Vollzugsausschuss), Andreas Sapelza (Mitglied Vollzugsausschuss), Kaspar Platzer, Georg Egger, Georg Kössler, Thomas Oberhofer, Alois Karl Alber, Hanspeter Fuchs, Nikolaus Kerschbaumer, Karl Hofer, Eva Pramstrahler, Harald Werth, Georg Mutschlechner und Barbara Pizzinini. 
Der neue Aufsichtsrat: Josef Auer (Vorsitzender), Andreas Josef Jud und Florian Kiem als effektive  Mitglieder sowie Josef Alber und Georg Mayr als Ersatzmitglieder. 
 

Der Konflikt

 
Zwar schimmerte das Thema in den verschiedenen Stellungnahmen immer wieder durch. Offen angesprochen wurde es aber nicht. Um die geplante Reform gibt es zwischen Verband, Landesbank und den einzelnen Kassen einen harten Konflikt.
Die Spitze der Landesbank hat in den vergangenen Monaten alle Weichen gestellt, um die Reform umzusetzen. Mit der Südtiroler Ausnahmebestimmung steigt die Raiffeisen Landesbank zu einer mächtige Konzernmutter auf. Die einzelnen Kassen werden zu besseren Filialen degradiert. Alle wichtigen Entscheidungen sollen in Zukunft in Bozen fallen.
Der Konzernmutter wird ein 11köpfiger Verwaltungsrat vorstehen, in dem die Mitglieder eine Entschädigung um die 50.000 Euro im Jahr erhalten sollen. Die Plätze sind virtuell schon längst verteilt. Hier haben sich einige Größen aus dem Raiffeisenkosmos eine sichere finanzielle Zukunft gesichert.
Auch in Südtirol spiegelt sich die gesamtstaatliche Situation wieder. Weil die neue Regierung die Reform einfrieren will, wollen mächtige Bankenkreise mit Unterstützung der Banca d´Italia die Reform so schnell wie möglich durchziehen. Die Regierung soll damit vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Der Plan: Die Reform soll bis Juli umgesetzt werden. Genau das will man im Südtiroler Raiffeisenkosmos auch so machen. Die Kritik der Raiffeisenkassen soll erst gar nicht öffentlich werden.
Deshalb mussten sich Herbert von Leo und Paul Gasser am Freitag auf der Vollversammlung auch zurückhalten. Man weiß, dass eine Aussetzung der Reform im Verband eine breite Mehrheit hätte.
Doch dann wäre es mit dem neuen komfortablen Nest, das sich einige Bankenmanager längst gezimmert haben, vorerst vorbei.