Cronaca | Sprengstoff

Das Erbe der Feuernacht

Ein Aurer Hobbyhistoriker findet ein altes Sprengstofflager aus den 1960er Jahren und übergibt es den Carabinieri. Das Versteck gehörte dem BAS-Mann Heinrich Ritsch.
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Foto: Carabinieri
Es war wirklich purer Zufall“, sagt Thomas Winnischhofer. Der junge passionierte Aurer Schütze interessierte sich seit langem für Geschichte. Als Verantwortlicher des Aurer Gemeindeblattes beteiligt er sich am Projekt „100 Jahre Leben in Auer“ des dortigen Bildungsausschusses bei dem 15 historische Biografien aus dem Unterlandler Dorf nachgezeichnet werden. Thomas Winnischhofer erforschte für das Projekt die überaus interessante Lebensgeschichte seines Großvaters. „Am Ende fehlte noch eine Biographie und so hat man mich gefragt, ob ich nicht über eine zweite Person schreiben möchte.“, sagt der Aurer.
 
 
 
Winnischhofer wählte das Thema Feuernacht und einen der Akteure der damaligen Aurer Zelle des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS).
Heinrich Ritsch (1923-2009) wer der Sohn einer Müllersfamilie, die Mühlen in Neumarkt, Auer, Truden, Branzoll und Vintl besaß. Noch nicht einmal volljährig wurde Ritsch zur deutschen Luftwaffe eingezogen. Nach dem Krieg eröffnete er in Auer eine Fahrradwerkstatt.
Als Ende der 1950er Jahre überall im Land illegale BAS-Zellen gebildet wurden, war auch Heinrich Ritsch mit von der Partie. Zusammen mit dem Aurer Arzt Max von Röggla, Norbert Gallmetzer und eine weitere Handvoll Mitstreitern bereite man sich auf den „großen Schlag“ vor.
Dazu legte man auch in Auer ein Sprengstoffversteck an. Der Innsbrucker BAS lieferte Waffen und Sprengkapseln ins Unterland. Herlinde Molling dokumentiert in ihren 2011 erschienene Buch „So planten wir die Feuernacht“ auch die Lieferungen nach Auer. Wobei die Namen der Empfänger geschwärzt sind.
 
 
Die Aurer BAS-Gruppe ist in der Feuernacht nur sporadisch aktiv. Heinrich Ritsch wird wie viele andere von der großen Aktion am Herz-Jesu-Sonntag überrascht. Ritsch hat kurz vorher in Nordtirol eine Arbeitsstelle angetreten. Weil er aber auf die Fahndungsliste der italienischen Polizei gerät, bliebt er in Nordtirol, wo er 2009 stirbt.
 

60 Kilo Pikrinsäure

 
Bei seinen Recherchen bekommt Thomas Winnischhofer von ehemaligen BAS-Leuten aber einen Tipp. Heinrich Ritsch hatte ein Sprengstofflager in der Nähe des Montaner Baches. „Ich war neugierig und habe in der vergangenen Woche an mehreren Tagen die Gegend abgesucht“, sagt Winnischhofer zu Salto.bz, „ohne aber etwas zu finden“. Erst an diesem Montag wird der junge Auer, der auch als Wanderführer tätog ist, dann fündig. In einer kleinen natürlichen Grotte findet er eine rund 50 Meter lange Knallzündschnur und Dutzende Säckchen mit Sprengstoff.
 
 
Ich habe umgehend die Carabinieri vom Fund verständigt“, sagt Winnischhofer. Die Feuerwerker des Heers finden 20 Säcken zu einem Kilo und einen großen Sack mit 40 Kilo. Der Inhalt: Pikrinsäure.
Das gelbe hochexplosive Pulver war fixer Bestandteil der Bomben und Panzerabwehrgeschosse der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Die Sachverständigen gehen davon aus, dass der gefundene Sprengstoff aus dieser Zeit stammt.
Dabei gibt es durchaus eine Erklärung für diesen Fund. Der Kurtatscher BAS-Mann Luis Hauser hatte bereits Mitte der 1950er Jahre eine Verbindung zum Trentiner Waffenhändler Livio Pergol hergestellt. Pergol schlachte alte Wehrmachtsbomben aus und verkaufte den Sprengstoff an den BAS.
 
 
Weil vor allem Wolfgang Pfaundler aber diesem Material nicht traute und die Österreicher schon bald Hunderte Kilo des Dynamitgemisches Donarit nach Südtirol brachten, dürfte dieser Sprengstoff ungebraucht liegen geblieben sein. Bis heute.
Die Carabinieri beschlagnahmten auf Anordnung der Bozner Staatsanwaltschaft das gesamte Material. Am Mittwoch wurde der Sprengstoff dann von den Feuerwerkern des Carabinieri in einer Schottergrube im Unterland vernichtet.
Gleichzeitig verbreitete man eine offizielle Version in der man das Ganze als Zufallsfund aus dem Zweiten Weltkrieg darstellt.