Economia | Landwirtschaft

Die Bio-Offensive

Ohne Bio geht es nicht? Beim SBB hat man die Zeichen der Zeit erkannt und setzt sich gemeinsam mit vielen Partnern ein ehrgeiziges Ziel: Bioflächen bis 2025 verdoppeln.
Biokonzept 2025
Foto: Bioland Südtirol

Großaufgebot am Donnerstag Vormittag im Untergeschoss des Hauptsitzes des Südtiroler Bauerbunds (SBB) in Bozen: Obmann Leo Tiefenthaler, Direktor Siegfried Rinner und Landwirtschafslandesrat Arnold Schuler sind da – in seltener Gesellschaft: Bioland-Obmann Toni Riegler, Daniel Primisser, Obmann des Bunds Alternativer Anbauer und Andreas Dichristin, Obmann der Arbeitsgemeinschaft für die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Selten mutet auch die Einigkeit an, die die drei Herren, die sich an den Pressetisch setzen, an den Tag legen. Es geht um nichts geringeres als die Biolandwirtschaft in Südtirol – und wohin sie sich entwickeln soll. Unweigerlich haben SBB-Obmann Tiefenthaler, Landesrat Schuler und Bioland-Obmann Riegler die Signale vernommen: Bio wächst, Bio wird beliebter, Bio zahlt sich aus. Und sie wollen reagieren – gemeinsam.

 

Bio boomt – und soll sich verdoppeln

Trotz der strukturellen Nachteile, die Südtirol im Vergleich zu anderen Ländern hat – etwa ausreichend Flächen für den Freilauf bei Höfen in bewohntem Gebiet zu schaffen –, sei die Entwicklung im Bioanbau “beeindruckend”, so der Landesrat. Zwischen 2010 und 2017 ist die Anzahl der Biobetriebe in Südtirol von 650 auf 1.000 angestiegen – ein Zuwachs von 53 Prozent. Insbesondere der biologische Anbau von Kernobst wächst stark. 2016 waren 9,6 Prozent der Fläche biologisch bewirtschaftet, 2017 sind es bereits 11 Prozent, rund 2.000 Hektar. “Hier sind wir international Spitze”, schwärmt Schuler und erinnert, dass “jeder zweite Bioapfel in Europa aus Südtirol stammt”.
Immer mehr Bauern linsen also Richtung Bio. Das beweist nicht zuletzt eine Umfrage, die der Bauernbund vor zwei Jahren unter seinen Mitgliedern gemacht hat. 57 Prozent sprachen sich damals dafür aus, dass der Bioanbau verstärkt gefördert werden sollte. Ein überdeutliches Ergebnis, das der Bauernbund als Signal deutete, dass er sich – auf Wunsch der Mitglieder – im Bereich Bio engagieren solle. Den Bioverbänden des Landes kann das nur genehm sein. Herrschen doch immer noch historisch gewachsene Vorurteile und Ängste unter konventionellen Bauern vor, die es abzubauen gelte, wie Bioland-Obmann Riegler anmahnt.

Das “Biokonzept 2025” (hier die vollständige Datei), das der SBB mit den Bioverbänden, dem Sennereiverband, der Freien Universität Bozen, EURAC, Laimburg, der Abteilung Landwirtschaft, Landwirtschaftlicher Berufsbildung und den Berartungsringen für Obst- und Weinbau sowie für die Berglandwirtschaft ausgearbeitet hat, gleicht einer wahren Bio-Offensive. Mit zehn Maßnahmen will man ein Ziel erreichen: die Verdoppelung der Bioflächen in allen Sektoren. Acht Jahre, bis 2025, gibt man sich dafür Zeit. Die Maßnahmen, auf die man sich verständigt hat, klingen wie eine Wunschliste. “Sollte”, “müsste”, “könnte” ist gleich mehrmals zu hören als Riegler und Tiefenthaler die Liste vortragen: Forschung forcieren, Beratung besser abstimmen, Aus- und Weiterbildung ausbauen, Förderungen für die Umstellung überdenken und ausweiten, bei Ausschreibungen und in Mensen verstärkt auf regionale Bioprodukte setzen, Bürokratie abbauen, neue Märkte erschließen – das sind nur einige Punkte. Über allem soll der Bauernbund als “Vermittler und Verstärker” wachen. Und ganz zentral: die Kommunikation. “Transparenz und Offenheit ist ein absolutes Muss”, unterstreicht Riegler. Denn die Konsumenten seien sensibler geworden, hinterfragten immer öfter die Produktionsweise: “Es braucht gegenseitiges Verständnis, damit sich die Konsumenten der Landwirtschaft wieder annähern.” Aber auch intern, zwischen Bauern, Forschungseinrichtungen und Politik, brauche es einen regelmäßigen Austausch, ergänzt SBB-Obmann Tiefenthaler.

 

Es beginnt im Kopf

Ja, es brauche Visionen, ein gemeinsames Ziel, gesteht Landesrat Schuler, der seinen Vorrednern aufmerksam lauscht. Doch zugleich müsse er allzu großen Hoffnungen, etwa was die Entbürokratisierung angehe, “dämpfen”: “Bei Bio ist es wie bei den Bauernmärkten. Der Erfolg kommt dank großer Mühe kleiner Betriebe und bringt leider auch Trittbrettfahrer mit. Um sich zu unterscheiden, zu schützen, sich von Schummlern abzugrenzen, braucht es eben Auflagen – und die bringen eben einen gewissen bürokratischen Aufwand mit sich.” Insgesamt scheint man sich aber einig zu sein: Bio wird immer bedeutender, in der Bauernschaft, unter den Konsumenten, am Markt und auch bei den Genossenschaften. Dort blickt man zuversichtlich in die Zukunft: Auf eine Anfrage des Bauernbunds hätten die Vermarkter 2016 angegeben, für die nächsten Jahre von einem Marktanteil bei Bio zwischen 10 und 50 Prozent auszugehen. Tatsächlich wächst der Biomarkt stark. “Teilweise um bis zu 20 Prozent, wie etwa in Italien”, erklärt Tiefenthaler. Der Umsatz in Deutschland und Italien betrage zusammen über 14 Milliarden Euro – “davon sollten dann auch die heimischen Unternehmen profitieren”.
Angesichts all dieser Entwicklungen sei es “richtig und wichtig”, die Zeichen der Zeit zu erkennen, den Bioanbau stärker zu fördern und Bauern zum Umstieg zu bewegen. Darin ist man sich einig.

Daher lautet die Botschaft am Donnerstag Vormittag: “Die biologische Landwirtschaft in Südtirol soll deutlicher und schneller wachsen als bisher.” Auf etwa 19 Prozent bei Äpfeln, 15 Prozent bei Beeren, 16 Prozent bei Ackerfrüchten und Kräutern sowie 12 Prozent beim Wein sollen die Bioflächen in den nächsten acht Jahren steigen. “Damit würde Südtirol dem Bio-Musterland Österreich nahekommen”, schwärmt man. Dort werden derzeit 22 Prozent der Flächen biologisch bewirtschaftet. Heißt das nun, dass kein Weg an Bio vorbeiführt? Tiefenthaler bremst: “Die integrierte Landwirtschaft wird und soll keineswegs verschwinden, sondern Bio soll so ausgedehnt werden, dass der Markt ausschlaggebend ist, um eine Überproduktion zu verhindern.” Soll heißen, das Mehr an biologischer Produktion muss mit einem wachsenden Absatzmarkt für biologische Produkte Hand in Hand gehen. “Der Bauernbund hat dabei nicht die Aufgabe, die Landwirtschaft in eine bestimmte Produktionsweise hineinzuzwingen”, will Tiefenthaler festgehalten wissen.

Doch mehr Bio wird es nur geben, wenn eine grundlegende Voraussetzung erfüllt ist: Die Bauern müssen es aus Überzeugung machen. Ansonsten helfen auch die besten Maßnahmen zur Förderung der biologischen Anbauweise nichts. Diese können nur ein Anreiz zur Umstellung sein – ebenso wie die erwarteten Zuverdienste durch höhere Absatzpreise. “Vor allem muss man im Kopf umstellen”, bringt es Toni Riegler auf den Punkt.