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Freie Betten

Die Grünen wollten per Gesetz die Höchstbettenzahl in Beherbergungsbetrieben in Südtirol festlegen. Die Regierungsmehrheit hat den Antrag im Landtag versenkt.
Bettenstopp
Foto: upi
Am Ende beantragte Einbringer Riccardo Dello Sbarba eine Abstimmung über jedes der vier Kapitel im Gesetzentwurf. Es war der letzte Versuch wenigsten etwa von dem zu retten, was man vorgelegt hat. Doch auch das nützte nichts. Die Regierungsmehrheit versenkte am Donnerstag den von den Grünen eingebrachten Gesetzesantrag dennoch. Alles vier Absätze wurden vom Landtag mehrheitlich abgelehnt.
 

Der Antrag

 
Die Grünen Riccardo Dello Sbarba, Brigitte Foppa und Hanspeter Staffler wollten mit dem Gesetzentwurf, der nur aus einem einzigen Artikel besteht, eine amtliche Höchstanzahl der Betten in der Südtiroler Tourismuswirtschaft festlegen.
Dazu sollte dasLandesgesetzes 9/2018 in folgenden Punkten abgeändert werden:
 
  • Die Höchstanzahl an Betten, die bereits 1997 festgelegt wurde, wird wieder eingeführt;
  • Die Gültigkeitsdauer der Tourismusentwicklungskonzepte wird eingeschränkt und es wird festgelegt, dass nach deren Ablauf alle nicht in Anspruch genommenen Vorgaben, Bewilligungen, Baurechte und Genehmigungen verfallen ;
  • 3. Jegliche Abweichung von den Raumordnungsbestimmungen wird ausgeschlossen.
 
In der Tourismusbranche war in den letzten Jahren mit über 32 Millionen Übernachtungen und 7 Millionen Gästen ein starker Zuwachs zu verzeichnen“, erklärte Riccardo Dello Sbarba die Ausgangslage. Und weiter:  “Für die Wirtschaft unseres Landes ist dies eine bedeutsame Entwicklung. Sie hat jedoch auch besorgniserregende Auswirkungen, denen Einhalt geboten werden muss“.
 

Die Folgen

 
Die Grünen zeigen die Auswirkungen in ihrem Antrag dann auch auf:
 
  • steigendes Verkehrsaufkommen und somit mehr Umweltverschmutzung; 
  • Errichtung von immer größeren Bauten mit entsprechendem Bodenverbrauch und Einschränkung des natürlichen Lebensraums; 
  • Anstieg des Energieverbrauchs durch immer exklusivere Wellnessangebote; 
  • Anstieg der Wohnungspreise auf ein für normale Familien unerreichbares Niveau; 
  • ungleiches Wachstum innerhalb der Branche, mit Konzentration auf wenige Bezirke und auf die hochrangigsten Segmente des Beherbergungsangebots bei gleichzeitig kriselnden kleinen und mittleren Familienbetrieben, die für das Tourismusmodell unseres Landes eigentlich charakteristisch sind. 
 
Die Entwicklung hin zu immer zahlreicheren und immer größeren Betrieben setzte sich in den letzten Jahren mit erschreckender Geschwindigkeit fort. Die steigende Betriebsgröße habe zu einer Polarisierung geführt: auf der einen Seite die immer größeren Tourismusbetriebe mit einem immer umfangreicheren Leistungsangebot und auf der anderen Seite die vielen kleinen und mittleren Familienbetriebe – das Herz des Südtiroler Tourismus –, die sich zunehmend in Schwierigkeiten befinden.

 
 
Das neue Gesetz „Raum und Landschaft“ hätte ein gewisses Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten von Betrieben sichern können, diese Gelegenheit sei aber verpasst worden. Dello Sbarba wies darauf hin, dass derzeit rund 50 Projekte für Tourismuszonen vorlägen, die eine Fläche von 35 ha verbrauchen würden. Zwei Drittel dieser Projekte würden neue Zonen beanspruchen.
Auch die Tourismuskonzepte hätten nicht funktioniert, oft sei die Bettenzahl zu hoch angesetzt und dann nicht verwirklicht worden - daher brauche es eine Verfallsfrist.
Es ist kein Gesetzentwurf gegen, sondern für den Tourismus und das Land“, meinte Dello Sbarba.
 

Überzogene Darstellung

 
Es war der Eisacktaler Hotelier und SVP-Abgeordnete Helmut Tauber der den Reigen der Widerreden eröffnete. Tauber hält das Leiden am Tourismus für überzogen und unterstrich die Bedeutung der Branche für die Südtiroler Wirtschaft und den Wohlstand des Landes. Man habe kein Tourismusproblem, sondern ein Verkehrsproblem. Die Hotspots brächten natürlich Stoßzeiten im Verkehr, aber nicht das ganze Jahr. Der Sektor sei sinnvoll geregelt, die Gemeinden könnten mitentscheiden, wie viel Tourismus sie wollten. In Südtirol gebe es kein Hilton und kein Marriott, sondern vor allem Familienbetriebe. Auch der HGV mache sich Gedanken über Nachhaltigkeit, Regionalität und Authentizität. In den letzten Jahren sei massiv in die Qualität investiert worden, denn diese bringe mehr Wertschöpfung. Man habe im ganzen Land völlig unterschiedliche Situationen. Ein paar Regelungen werde es noch zu Airbnb usw. brauchen. 
 
 
Die städtische Bevölkerung Europas, die das ganze Jahr in schlechter Luft lebe, wolle im Urlaub anderswohin“, assistierte Franz Locher (SVP). Diesen Menschen müsse man die Möglichkeit zur Erholung bieten. Es gebe zwar auch die Hotspots, aber die meisten kämen, um die Landschaft zu genießen. Heute wisse man es gar nicht mehr zu schätzen, welchen Wohlstand der Tourismus für das Land gebracht habe. Vorher seien die Südtiroler ausgewandert, um Arbeit zu finden. Locher: „Als Tourismusgebiet mitten in Europa tragen wir, als Alternative zu entfernten Destinationen, mit kürzeren Anfahrtswegen auch zum Klimaschutz bei.“ Man müsse darauf achten, dass unsere Gäste auch einheimische Produkte bekämen. Eine Bettenobergrenze wäre sicher die falsche Richtung. 33 Millionen Nächtigungen seien verkraftbar. Der Tourismus sei als Nebentätigkeit auch für die Landwirtschaft eine Chance. 
Myriam Atz Tammerle (Südtiroler Freiheit), Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) und Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore - Fratelli d’Italia) sprachen sich gegen eine Obergrenze und gegen diese Gesetzentwurf aus.
 

Sinnvolle Obergrenze

 
Peter Faistnauer (Team K) wies hingegen auf die steigenden Zahlen hin: Neben Nächtigungen und Präsenzen sei auch die Zahl der 5-Sterne-Hotels stark gestiegen, von 5 auf 31 in sieben Jahren. Die Großen würden die Kleinen zunehmend verdrängen, insofern wäre eine Zusammenarbeit der Kleinbetriebe stärker zu fördern. Südtirol sei ein sehr heterogenes Tourismusgebiet, mit stark unterschiedlichem Aufkommen von Gebiet zu Gebiet. Vor diesem Hintergrund wäre eine Obergrenze sinnvoll. Man müsse auch beachten, wie viel Hotelkubatur zu Wohnungen wurde.
 
 
Paul Köllensperger (Team K) verwies auf die Obergrenze von 1998: 229.000. Man frage sich, wie es weitergehen könne angesichts der Verdoppelung der Ankünfte. Man müsse den Overtourism bremsen, aber eine vernünftige Entwicklung ermöglichen. Eine Obergrenze sei eine Notstandsmaßnahme, aber nicht die Lösung, denn auch die Kleinbetriebe müssten sich entwickeln können. Vor allem müsse man auf die Erhaltung der Landschaft achten, wegen der die Touristen schließlich herkämen. Man müsse auf eine längere Aufenthaltsdauer setzen und auf eine Erreichbarkeit ohne Auto. Und man müsse vor allem auf die kleinen Betriebe achten und auf Qualität, denn im Massentourismus gebe es einen Preiskampf und eine weltweite Konkurrenz. Im Gesetzentwurf der Grünen sehe er eine Notlösung, ein Moratorium. Man werde daher für den Übergang zur Artikeldebatte stimmen.
 

Die Landesregierung

 
Ich sehe hier zwei Weltbilder aufeinanderprallen, jene, die Angst vor der Zukunft hätten, und jene, die die Chancen nutzen wollten“, erklärte Tourismuslandesrat Arnold Schuler. Schuler verwies auf das Entwicklungspotenzial in Südtirol und die Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf diese Entwicklung einschränken will.
Die große Herausforderung seien die Hotspots wie in Villnöss oder Prags. Südtirol sei diesbezüglich aber bei weitem nicht so belastet wie Venedig. Der Umweltschutz sei ein berechtigtes Ziel, aber oft werde zugunsten bestimmter Lobbys - etwa der Landwirtschaft - übertrieben. Die Lobby der Bürger sei bei diesen Themen im Landtag nicht vertreten. Er werde gegen diesen Gesetzentwurf stimmen.
Es war Landeshauptmann Arno Kompatscher der ankündigte, dass die Mehrheit gegen den grünen Gesetzentwurf stimmen werde. Es sei aber nicht so, dass man keinen Regelungsbedarf erkenne. Natürlich sei der Tourismus wichtig für Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Südtirol, das werde von niemandem in Frage gestellt. Der Tourismus generiere auch Einnahmen für den Landeshaushalt, schaffe Strukturen und biete Veranstaltungen, die auch von Einheimischen genutzt würden. 
 
 
Der Overtourism werde in vielen Städten bereits diskutiert, nun auch in Südtirol. Man könne die Regelung sicher nicht dem Markt überlassen, der Tourismus werde schon lange gesetzlich geregelt. Es gehe darum, die richtigen Instrumente zu finden. Man habe zunehmend ein Problem bei Hotspots. Dort brauche es ein Management, damit diese Orte für Einheimische wie Gäste noch erlebenswert blieben. Man sei mitten dabei, für diese Hotspots Konzepte zu entwickeln, für jeden ein passendes. Man denke z.B. an Ticket, die auch Dienste umfassen. Das zweite Thema sei die Verkehrspolitik generell. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln müsse zum Angebot gehören. Man habe auch ein Verteilungsproblem, mit Stoßzeiten und mit toten Zeiten. Man müsse einen längeren Aufenthalt attraktiver machen, und auch da arbeite man zusammen mit dem HGV an einem Konzept.
Ein weiteres Thema sei die Verteilung unter den Zonen. Man wäre z.B. froh über mehr Angebot in Martell, vor allem durch Familienbetriebe. Das neue Raumordnungsgesetz ziele genau in diese Richtung, es schränke entwickelte Gebiete stark ein und schaffe Möglichkeiten für schwache Gebiete, aber immer unter Auflagen. Bereits jetzt, unter dem alten Gesetz, werde man keine Tourismuszonen mit mehr als 140 Betten genehmigen, und man wolle sie auch nicht auf der grünen Wiese haben. Bei der Erweiterung der bestehenden Betriebe werde man besonders auf die Familienbetriebe achten.
Am Ende wurde der Grüne Vorschlag dann in vier Abstimmungen deutlich abgelehnt.
 

 

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Hermann Trebo Ven, 01/17/2020 - 11:18

Was hier und notwendiger Weise seitens der Fraktion der Grünen - betreffend einer bereits überlasteten Raumordnung - objektiv und sachlich vorgeschlagen wird , müsste gerade die Volkspartei selbst tun !? Denn deren deklarierte Klimaneutralität - im weitesten Sinn des Wortes - wäre gerade in einer neu zu gestaltenden Raumordnung für die nächste Zukunft - ein erster Ansatz, um mit Überzeugung dieser neuen Politik zu entsprechen !

Ven, 01/17/2020 - 11:18 Collegamento permanente