Ambiente | Wolf und Wildschaf

Wolf frisst Aliens

Die Rückkehr des Wolfes bewirkt Veränderungen in der Artenzusammensetzung, das nicht natürlich vorkommende Mufflon verschwand lokal.
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Mufflon
Foto: Pixabay

Wölfe jagen das ganze Jahr über in Rudeln, stehen an der Spitze der Nahrungskette und dem Wolf kommt damit eine Schlüsselrolle im Ökosystem zu. Vor allem Huftiere wie Hirsche, Rehe und Wildschweine gehören zur Hauptbeute des Wolfes und der Wolf limitiert die Anzahl der Beutetiere. In natürlichen Ökosystemen wie Wäldern sind Wölfe von zentraler Bedeutung für die Funktionalität der Ökosystems. Wälder und die Lebensgemeinschaft der Wälder wurden vom Menschen jedoch verändert, Wölfe wurden ausgerottet und andere Arten wie Damhirsche oder Muffel wurden in Europas Wäldern angesiedelt.

Mufflon- verwildertes Haustier und asiatisches Wildtier

Das Mufflon (Ovis orientalis) ist eine natürlich vorkommende Wildschafart mit der Hauptverbreitung im Iran, vom Osten der Türkei bis zum Himalaya in Pakistan und Afghanistan kommt die Art in trockenen, gebirgig-felsigen Gebieten natürlich vor. Nach Einstufung in der Roten Liste der internationalen Naturschutzorganisation IUCN ist das Mufflon in seinem natürlichen Bestand gefährdet (VU). In dieser Bewertung ist nicht das Europäische Mufflon enthalten. Auf den Seiten von Wikipedia wird das Europäische Mufflon als international gefährdet angeführt, jedoch ist das Mufflon Europas (Ovis aries musimon) nicht von der IUCN eigens angeführt oder bewertet. Der Wikipediaeintrag, wonach das Europäische Mufflon laut IUCN gefährdet sei, ist nicht richtig. In der Roten Liste Italiens ist die Art nicht bewertet und gilt als allochthon, also nicht heimische Art in Italien, obwohl das Europäische Mufflon auf Sardinien und Korsika seit Jahrtausenden lebt.

Nach gängiger Auffassung ist der Europäische Mufflon nämlich kein natürlich vorkommendes Wildschaf, sondern Nachfahre einer sehr ursprünglichen Hausschafrasse. Tatsächlich gibt es starke Anzeichen dafür, dass Europäische Mufflons erst seit etwa 7000 Jahren als Begleiter des jungsteinzeitlichen Menschen in Korsika und Sardinien auftreten.

Die Mufflons Korsikas und Sardiniens wurden in der Neuzeit vor ungefähr 200 Jahren in Tierparks wie den Lainzer Tierpark bei Wien gebracht und gehalten. Von solchen Tierparks aus wurden sie an verschiedenen Stellen ausgesetzt und heute gibt es die zahlenstärksten Populationen in Deutschland, Tschechien, Österreich und der Slovakai. Dort leben sie auch in Laub- und Mischwäldern des Flachlandes und der Mittelgebirge und nicht in trockenen gebirgigen Lebensräumen wie die natürlich vorkommenden, autochthonen Mufflons Asiens.

Mit der Rückkehr der Wölfe stehen die eingebürgerten Mufflons in Mitteleuropa wie auch die Hirsche, Rehe und Wildschweine einem natürlichen Jäger gegenüber und das Muffelwild wird durch sein Verhalten leichte Beute der Wölfe: Jagt ein Wolf ein Mufflon, so läuft das Mufflon eine relativ kurze Stecke und bleibt dann abrupt stehen. Der Wolf hat mit diesem abrupten Stehenbleiben ein leichtes Spiel und Aussicht auf gute Jagderfolge. Das Mufflon ist eigentlich eine Art der Gebirgslandschaften, wo es sich ähnlich wie Gämsen und Steinböcke auf Felswänden in Sicherheit bringen kann und für Wölfe nur schwer zu erbeuten ist. Doch fehlt es den Muffeln im Flachland und den Mittelgebirgen Eurpas an Felsen, wo sie sich vor Wölfen in Sicherheit bringen könnten und darüberhinaus wird ihr abruptes instinktives Stehenbleiben den Europäischen Mufflons zum Verhängnis.

Zum Schutz der heimischen Flora und Fauna

Das Mufflon tauchte in Südtirol im Februar 2019 in den Schlagzeilen der Presse auf, als das Amt für Jagd und Fischerei den Abschuss einer Muffelherde auf der Mendel verfügte. "Muffelwild", hoben Luigi Spagnolli und Andreas Agreiter hervor, "gehört zwar nicht zu diesen invasiven Arten.” Zum Schutze der heimischen Flora und Fauna und eines Gleichgewichtes zwischen den Arten gelte es generell, gebietsfremden Wildarten Einhalt zu gebieten, erklärten damals Agreiter und Spagnolli. Das Muffel ist nicht in der Liste der invasiven Arten Italiens und der EU angeführt, auf die sich Spagnolli und Agreiter bezogen, jedoch wird es als invasive Art angeführt, etwa in der Datenbank CABI, der US-amerikanischen Datenbank zu invasiven Neobiota weltweit.

Wissenschaftliche Untersuchungen zu den negativen Auswirkungen auf die Biodiversität und die Einstufung als invasive Art liegen für das Muffelwild vor. Auf den Kanarischen Inseln und auf Hawai wurden ernsthafte negative Effekte auf die natürlich vorkommenden Pflanzenarten festgestellt. Allgemein gilt das Muffel als invasive Art, da es die natürliche Wald- und Buschvegetion zu Grasland umformen kann.

Invasive Neobiota sind eine der größten Bedrohungen für die Artenviefalt und für die Kanarischen Inseln und Hawai liegen genaue Untersuchungen vor und Auflistungen der Arten, die durch das Mufflon gefährdet sind. Auf Teneriffa gefährdet das Mufflon eine Vielzahl von seltenen Arten u.a.:

  • Bencomia exstipulata, IUCN Rote Liste: gefährdet
  • Cerastium sventenii IUCN Rote Liste: stark gefährdet
  • Cheirolophus metlesicsii IUCN Rote Liste: vom Aussterben bedroht
  • Cicer canariense IUCN Rote Liste: gefährdet

In der Liste der invasiven Arten Europas ist nur ein verschwindend kleiner Teil der tatsächlich invasiven Neobiota der einzelnen Staaten Europas aufgelistet. Italien hat die Liste der invasiven Neobiota der EU eins zu eins übernommen und in nationales Recht umgesezt und so gelten relativ viele Arten in Italien als invasive Neobiota, die in Italien gar nicht vorkommen und sehr viele invasive Neobiota, wie sie in Italien festgestellt wurden, fehlen in der Liste Italiens.

Mufflons wurden in Italien auch außerhalb von Korsika und Sardinien auf dem Festland angesiedelt, im Naturpark Ademello Brento im Trentino sind die Mufflons in den 1960er Jahren ausgesetzt worden. Als Neobiota oder Alienarten sind sie außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes in sehr großen Populationen verbreitet.

Gefährdung des Muffelwildes und Eliminierung 

Im Positionspapier des Deutschen Jagdverbandes (DJV-Präsidium, 22. März 2018) steht zum Muffel:

“Das Muffelwild verdient ein Schutz- und Erhaltungskonzept. Es ist eine in Deutschland seit langem heimische Art, deren weltweit größte Vorkommen heute in Mitteleuropa leben, aber in ihren ursprünglichen Insellebensräumen hochgradig gefährdet sind. Der Bestand in der Muskauer Heide wurde frühzeitig durch den Wolf ausgelöscht, das für den Erhalt der Art genetisch wertvolle Vorkommen in der Göhrde (Niedersachsen) steht kurz davor (Herzog und Schröpfer 2016).”

Das Muffelwild gehört auch in Deutschland zu den Neobiota und ist keine heimische, autochthone Tierart in Deutschland. Ob diese Mufflons überhaupt Wildtiere oder verwilderte Hausschafe aus der Jungsteinzeit sind, ist nicht genau geklärt. In den Insellebensräumen Korsika und Sardinien ist das Muffel nicht mehr gefährdet und es kommt auch im Appenin vor, wo es sich neben Wölfen behauptet. Die Art wird heute auf dem Festland Italiens generell als nicht heimisch gesehen und die weitere Ausbreitung wird verhindert. Auf Elba soll das Muffelwild vollkommen wieder eliminiert werden, wegen Schäden an der Landwirtschaft und für die Biodiversität und an die 500 Tiere wurden 2018 erlegt. Intensive Bemühungen gab es auf dem toskanischen Inselarchipel zur Eliminierung von invasiven Arten, so wurde etwa auf der Insel Montechristo die Hausratte, welche eine Bedrohung für den seltenen Mittelmeer-Sturmtaucher darstellte, vollkommen eliminiert und auch Götterbäume wurden bekämpft. Die verwilderten Hausziegen auf Montechristo wurden aus einem Teil der Insel mit Zäunen hinausgesperrt, um die Vegetation zu schützen. Auf der Insel San Giglio leben die Muffel ebenfalls in einem eingezäuten Bereich der Insel. Die eingebürgerten Mufflons auf den Inseln Italiens müssen zum Schutz der fragilen Inselvegetation und da sie keine natürlichen Feinde auf diesen Inseln haben, im Notfall auch vollkommen eliminiert werden, wie es auf Elba geschieht. Auf Sardinien gibt es ca. 6000 Mufflons und die Art ist damit im Bestand auf Sardinien nicht mehr im Bestand gefährdet.

Das Muffel wurde aktiv in vielen Ländern Europas angesiedelt, auch in Nord- und Südamerika wurden Tiere angesiedelt und ausgesetzt, ohne zu bedenken, wie sich dies auf die natürlich vorkommenden Arten und die Ökosysteme auswirkt. Auf Hawai sind sehr viele Arten durch das Mufflon in ihrem Bestand gefährdet.

Auf dem Festland Europas, wo sich Wölfe wieder ausbreiten, ist das Muffel aus einigen Gebieten wie der Muskauer Haide in Deutschland wieder verschwunden oder stark dezimiert worden. In Österreich wurde vom Wolfsrudel im Truppenübungsplatz Allentsteig beschrieben, dass das Europäische Mufflon auf ein fast unbedeutendes Maß reduziert wurde und auch im Mercantor Nationalpark in Frankreich hat der Wolf das Muffelwild fast gänzlich wieder zum Verschwinden gebracht.

Meist von Jägern außerhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebietes europaweit verbreitet, laufen heute Muffel als Alienarten und Neozoen in Wäldern herum und eine Art der trockenen Gebirgsregionen Asiens findet sich in feuchten Wäldern des Flachlandes und der Mittelgebirge Mitteleuropas. Der Wolf vermag nicht natürlich vorkommende Tierarten wie das Mufflon weitgehend zu eliminieren und der Wolf trägt damit zur Wiederherstellung von natürlichen Lebensgemeinschaften bei und bewirkt Veränderungen, die auch in relativ kurzer Zeit eintreten können.

Professor Haszprunar, Direktor der Zoologischen Staatssammlung München, antwortete 2017 im ZEITmagazin auf die Frage, ob die Tierwelt Deutschlands einen Regimewechsel erlebe: “Nein. Der Wolf verändert kein Ökosystem, es sind ja deutschlandweit nur ein paar Dutzend Tiere.” An das Muffel hat der Professor wohl nicht gedacht.