Società | Interview

Schule in Zeiten des Coronavirus

Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner über die aktuelle Lage beim Fernunterricht an Südtirols Schulen.
Sigrun Falkensteiner
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salto.bz: Frau Falkensteiner, wie ist die aktuelle Situation im Fernunterricht an Südtirols Schulen?

Sigrun Falkensteiner: Die Situation ist sehr unterschiedlich: die Anforderungen und das bereits vorhandene technische Know-How sind ja auch von Schule zu Schule ganz verschieden. Es gibt keine einheitliche Direktive, die Schulen sind autonom und entscheiden selbst, in welcher Form sie den Fernunterricht anbieten. Natürlich ist die digitale Kompetenz schulstufenabhängig und Oberschüler bringen da ganz andere Voraussetzungen mit als Mittelschüler oder Grundschüler. Aber auch zwischen den Oberschulen sind die Unterschiede je nach Spezialisierung groß, deshalb ist es gut, dass jede Schule den Fernunterricht selbst gestaltet und an die eigenen Schüler anpasst.

Gab es für so eine Situation bereits einen Einsatzplan, den man im Notstand aktiviert hat oder musste alles improvisiert werden?

Nein, es gab keinen Einsatzplan und die Situation war für alle unerwartet. Wir haben zur Zeit den Parteienverkehr eingestellt, aber wir sind vormittags telefonisch und nachmittags per Email weiterhin erreichbar. Es ist eine große Herausforderung, aber nach den ersten Tagen Anlaufzeit haben sich die Schulen gut eingerichtet.

Es gibt keine einheitliche Direktive, die Schulen sind autonom und entscheiden selbst in welcher Form sie den Fernunterricht anbieten.

Welche Vorgaben haben die Lehrer für den Fernunterricht bekommen?

Die Schulen und die Lehrpersonen haben Anweisung bekommen den Lernstoff zu koordinieren und in den Klassenräten abzusprechen. Das hat ein paar Tage gebraucht, aber inzwischen klappt es besser und koordinierter. Alle mussten sich auf den Fernunterricht einstellen und sich aufeinander einspielen. Die Schulen und die Lehrkräfte sind außerdem auf wichtiges Feedback von den Schülern und Eltern aus den ersten Tagen eingegangen und haben den Unterricht entsprechend angepasst.

Was müssen die Schulen beim Onlineunterricht beachten?

Der Fernunterricht muss zwischen den verschiedenen Fächern koordiniert werden, dafür ist es wichtig, dass die Lehrer sich im Klassenrat austauschen. Zusätzlich müssen die Lehrpersonen sich Gedanken machen, da sie jetzt durch die Eltern mit den Schülern kommunizieren. Und die Eltern sind damit konfrontiert, plötzlich neben ihrem eigenen Job auch noch als Vermittler zwischen den Lehrern und den Schülern zu stehen, insbesondere Grundschüler sind auf ihre Eltern angewiesen, um überhaupt an ihre digitalen Hausaufgaben zu kommen. Wir haben die Schulen daran erinnert, dass sie nicht nur die Schüler erreichen, sondern auch die Situation der Eltern im Hinterkopf behalten müssen. Deshalb haben wir versucht so viel wie möglich mit bereits bekannten und weit verbreiteten Plattformen und Tools zu arbeiten.

Wir haben die Schulen daran erinnert, dass sie nicht nur die Schüler erreichen sondern auch die Situation der Eltern im Hinterkopf behalten müssen.

Welches waren die technischen Herausforderungen?

Oft gibt es in den Haushalten nur einen PC, die Familien haben aber mehrere schulpflichtige Kinder in verschiedenen Schulstufen und die Eltern brauchen diesen einen PC tagsüber selbst für ihre eigene Fernarbeit. Deshalb haben wir den Schulen nahegelegt, den Onlineunterricht so zu gestalten, dass die Schüler die Aufgaben unabhängig von der Uhrzeit abrufen können, denn wenn der Computer besetzt ist, kann es vorkommen, dass nicht alle Schüler der Klasse am Video-Chats oder der Live-Onlineschaltung teilnehmen können. Hinzu kommt, dass in vielen Gemeinden die Datenverbindungen nicht optimal funktionieren und so die Teilnahme am Onlineunterricht erschweren. In allen Fällen wo es Schwierigkeiten und Unklarheiten gibt, sind die Lehrer auf die Rückmeldungen von den Schülern und Eltern angewiesen. Viele Eltern scheuen davor zurück Probleme zu melden, weil sie befürchten, dass ihr Kind dann irgendwie anders benotet werden könnte. Deshalb möchte ich nochmal ausdrücklich betonen: wo es technische oder logistische Hindernisse oder sonstige Fragen gibt, kann man Lösungen finden wenn die Eltern und Schüler Feedback geben. Nur so können die Lehrkräfte den Fernunterricht passend gestalten und alle Schüler „mitnehmen“.

Wo es technische oder logistische Hindernisse oder sonstige Fragen gibt, kann man Lösungen finden wenn die Eltern und Schüler Feedback geben.

Wie waren die bisherigen Rückmeldungen von Schülern, Lehrern, Eltern?

Von den Eltern kamen sehr unterschiedliche Rückmeldungen, viele sagten sie werden mit Aufgaben überschüttet, andere fanden es nicht genug. Relativ oft kamen Anrufe von Eltern, die verunsichert waren ob dieser Fernunterricht denn nun wirklich verpflichtend ist oder nicht. Die Antwort ist: ja, der Fernunterricht ist in allen Schulstufen verpflichtend, denn diese Tage, in denen die Schulen geschlossen sind, werden nicht als Abwesenheit gezählt. Die Schüler haben ein Recht auf Unterricht, aber auch die Pflicht eine bestimmte Anzahl an Unterrichtsstunden pro Schuljahr zu absolvieren. Diese Tage Fernunterricht zählen also wie normale Tage Anwesenheit in der Schule, damit wir das Schuljahr regulär zu Ende bringen können.

Wo finden die Lehrpersonen Unterstützung? Die komplette Umstellung auf Fernunterricht ist ja auch für sie zum größten Teil Neuland?

Eine zunehmende Digitalisierung der Schule und Bildung war sowieso schon ein Punkt auf dem Bildungsprogramm. Die Landesdirektion der Schulen hat in dieser Situation fünf freigestellte Lehrpersonen ausgesucht, die im digitalen Bereich besonders fit und vernetzt sind. Diese Fünf sind damit beauftragt worden die besten, einfachsten und geeignetsten Tools und digitalen Instrumente zu sammeln und auszusortieren. Diese Sammlung wird dann den anderen Lehrpersonen mit einem internen Link zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es in dem Team eine Koordinatorin, an die sich die Schulen und Lehrpersonen wenden können. Am Ende dieser Ausnahmesituation werden sicher alle Beteiligten, Schüler und Lehrkräfte, eine stärkere digitale Kompetenz haben als davor.

Ein Team von fünf freigestellten Lehrpersonen sind damit beauftragt worden die besten, einfachsten und geeignetsten Tools und digitalen Instrumente zu sammeln und auszusortieren

Gibt es für den Fernunterricht eine zeitliche Vorgabe bzw. ist die Stundenzahl des Fernunterrichts ungefähr gleich mit den regulären Schulstunden pro Woche und Schulfach?

Nein, es ist nicht so, dass man für fünf Schulstunden Deutsch pro Woche jetzt fünf Stunden Deutsch daheim macht. Das Lernprogramm ist nach Kompetenzen aufgebaut und die Lehrpersonen erarbeiten mit den Schülern den nötigen Stoff so, dass diese Kompetenzen am Ende des Schuljahres erreicht sind.

Was heißt das für Schüler, die dieses Jahr die Matura machen müssen?

Der Schulstopp ist ein Problem, das alle Schulen in ganz Italien betrifft. Natürlich kann man da auch bei der Matura nicht so tun, als sei das Schuljahr regulär gelaufen. Es wird sicher eine Matura in abgeänderter Form geben und gerade wird auf nationaler Ebene diskutiert, wie man das Prüfungsprogramm der Situation anpassen kann.

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△rtim post Mer, 03/18/2020 - 13:42

In Österreich ... wurde dieses Jahr die Matura bereits verschoben, da kompetenzorientiert. Warum nicht auch in Italien?
Denn welchen Sinn und didaktischen Nutzen hat es, aus reinen "Formgründen" - unter Vernachlässigung von Qualitätsstandards - unbedingt eine Abschlussprüfung durchführen zu wollen?
Da ist es allemal besser man macht es gleich wie im Jahr 1945 als man davon Abstand nahm und den Maturanten dennoch das Reifezeugnis ausstellte.

Mer, 03/18/2020 - 13:42 Collegamento permanente