Ambiente | Rückblick

Die Mitmach-Region(e)

Am 18. Juni 2022 hat im Kulturbahnhof EST in Bruneck die erste Mitmach-Conferenza des Bezirks Pustertal stattgefunden. Damit hat Südtirol eine Mitmach-Region. Ein Rückbli
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
img_0658.jpeg
Foto: (c) Mitmach-Regione Pustertal

100 Mitmach-Regionen nennt sich ein Projekt, bei dem im ganzen deutschsprachigen Raum nachhaltige Lösungen vor Ort erarbeitet und umgesetzt werden sollen. Auch aus Südtirol hatte sich ein Team rund um den Gadertaler Christian Trebo beworben. Genau wie 99 andere Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist der Bezirk Pustertal nun eine sogenannte Mitmach-Region. Am 18. Juni 2022 hat auch schon die erste Mitmach-Conferenza im Kulturbahnhof EST in Bruneck stattgefunden.

„Wir freuen uns sehr, dass diese Initiative auch in Südtirol im Zusammenspiel mit Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit Fuß fasst. Es ist eine große Chance für den Bezirk Pustertal, hier viele engagierte Menschen zusammenzubringen und nachhaltige Projekte umzusetzen“, erklärt Christian Trebo, Initiator der Mitmach-Regione Pustertal (wie sie hier umbenannt wurde, um der Zweisprachigkeit gerecht zu werden). Trebo ist außerdem Teil der Stiftung Be the Change, die das Projekt gemeinsam mit der Münchner Schweisfurth Stiftung für ökologische Landwirtschaft, dem Verein wirundjetzt E.V. der die Nachhaltigkeit in der Region Bodensee-Allgäu-Oberschwaben fördern will und dem österreichischen Bildungsverein Pioneers of Change, ins Leben gerufen hat.

Ziel der Mitmach-Regionen ist es, die Menschen einer Region dazu zu ermutigen, die Umsetzung der Sustainable Development Goals, also die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, in ihrer Region und von unten voranzutreiben. Innerhalb dieser 17 Ziele konzentrieren sich die Mitmach-Regionen noch einmal verstärkt auf die vier Handlungsfelder Landwirtschaft und Ernährung, Energie und Verkehr, sozialer Zusammenhalt und Wirtschaft und Finanzen.

Ein wichtiges Instrument der Mitmach-Regionen sind die Mitmach-Konferenzen. Die Mitmach Conferenza in Bruneck war „Schlüsselelement und zugleich Startschuss des Projekts“, wie Initiator Christian Trebo erzählt. „Dabei kamen alle Menschen zusammen, die sich für einen ökologischen und sozialen Wandel im Bezirk Pustertal interessieren, um miteinander an konkreten Lösungen für eine nachhaltige Zukunft vor Ort zu arbeiten. Ziel der Konferenz war es, das Netzwerk der regional Aktiven zu stärken und sich gemeinsam auf den Weg zu machen, damit vielfältige neue Initiativen entstehen und bestehende Bestrebungen sichtbarer und wirksamer werden.“

Doch wie läuft eine Mitmach-Konferenz überhaupt ab? Christian Trebo erklärt es: „TeilnehmerInnen der Mitmach-Conferenza setzen sich mit den VertreterInnen der Initiativen und ModeratorInnen an Arbeitstischen zusammen und erarbeiten konkrete Schritte zu lokalen Problemlösungen, es werden MitstreiterInnen gesucht und gefunden, und neue Ideen und Initiativen können dabei entstehen. Die Ergebnisse der Mitmach-Conferenza werden am Ende gesammelt und veröffentlicht. In diesem Prozess haben alle Anwesenden die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen, um vor allem nach der Mitmach-Conferenza weiterhin an den Projekten zu arbeiten. In regelmäßigen zeitlichen Abständen wird erneut zu Mitmach-Stammtischen eingeladen, um den Erfolg der Initiativen zu messen und darüber zu berichten. Daraus soll ein kontinuierlicher BürgerInnenbeteiligungsprozess in der Mitmach-Regione Pustertal entstehen. Genau dieser Beteiligungsprozess ist das zentrale Ziel der Mitmach-Regione.“

Die sechs Thementische der Mitmach-Conferenza Pustertal waren: Treffpunkt Naturraum, Feminismus für alle, Ernährung 2.0, Bürgergenossenschaften und Energiegemeinschaften, Ökologisches nachhaltiges Bauen, Pustertaler Kulturartenvielfalt. Durchaus Themen, die viele Menschen beschäftigen und über die stark diskutiert wurde. Es wurden aber auch konkrete Lösungsansätze gefunden. Zum Beispiel am Tisch Feminismus für alle, der von Michaela Grüner geleitet wurde. Grüner ist Initiatorin der Veranstaltungsreihe CaFém und Mitglied des Netzwerkes für Nachhaltigkeit. „Fazit dieses Tisches: Feminismus interessierte sehr viele, er betrifft alle und ist kein Vorwurf gegen irgendjemanden. ‚Der Mann hilft bei der Hausarbeit‘ war eines der Beispiele, an denen gut erkennbar ist, wie selbstverständlich manche Rollenbilder sind, die es zu hinterfragen gilt, um mehr Gleichberechtigung herzustellen. Es wurden konkrete Schritte gefunden, wie z.B. die Vernetzung mit anderen Initiativen für Geschlechtergerechtigkeit und neue Orte gefunden für die Anwendung ihres Formates CaFém, einem Austausch- und Begegnungsraum über das Thema Feminismus“, berichtet Trebo.

Auch Franz Josef Hofer vom Umweltring Pustertal hat einen Thementisch geleitet, nämlich den zum ökologischen Bauen. Sein Fazit ist ebenfalls positiv: „Ich dachte ich müsste den Menschen erst erklären was ökologisches, nachhaltiges Bauen überhaupt ist, dabei waren viele bereits gut informiert. Es waren viele kreative Impulse in den Gesprächen dabei und konkret wollen wir in den nächsten Monaten daran arbeiten, diejenigen Gebäude sichtbar zu machen, die bereits bestimmte ökologische und nachhaltige Kriterien erfüllen.“

 

An den einzelnen Thementischen fanden jeweils vier Diskussionsrunden statt. Anschließend wurden die Ergebnisse dem Plenum vorgestellt und die konkreten Schritte und Pläne für die nächsten Monate definiert. Auch wurden die Fragestellung und Ergebnisse aller Thementische aufgeschrieben und in Form von Plakaten zusammengefasst. Diese wurden abfotografiert und können unter www.mitmach-regione.org im Bereich Fotogalerie eingesehen werden.

Im Herbst wird dann ein Stammtisch stattfinden. „An diesem erneuten Treffen werden die Schritte bis dorthin reflektiert, Erfolge gefeiert und auf die nächsten Monate geschaut. Im Abstand von 3 bis 4 Monaten finden dann immer weitere Stammtische statt, bei denen die Zwischenergebnisse aus den einzelnen Gruppen vorgestellt werden, die nächsten Wochen geplant werden und wo auch neue Projekte vorgestellt und gestartet werden können“, fasst Christian Trebo den Fahrplan für die nächsten Monate zusammen.

Aber sind diese Mitmach-Konferenzen wirklich ein Weg, um etwas zu bewegen? Und wenn ja, wie?

„Gute Frage“, mein Trebo dazu. „Manch einer könnte voreilig den Schluss ziehen und sagen: ‚Ja, ja, dann ist wieder einmal geredet worden.‘ Aber genau darum geht es nicht. Es wurde gearbeitet, geplant, vernetzt, ausgemacht. Die Initiatoren der Thementische mit ihrem Projekt und ihre/seine Mitmacher*innen sind jetzt am Zug. Sie setzen das um, was sie am 18. Juni in Bruneck besprochen und sich vorgenommen haben. Und Ende September bei unserem Stammtisch wird Bilanz gezogen und weiter nach vorne geschaut, in diesem Rhythmus von 3 bis 4 Monaten geht es dann weiter. Wir vom Team der Mitmach-Regione sind im Hintergrund nach wie vor da. Wir unterstützen den Prozess mit Projekt- und Hostingkompetenz und stärken den Initiativen bei ihrem Wirken den Rücken. Nachhaltigkeit ist ein zu komplexes und umfangreiches Thema als dass es nur den Entscheidungsträgern in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft überlassen werden kann. Es braucht jede*n von uns. Jede*r kann einen Beitrag leisten. Auf regionaler Ebene braucht das Wissen und die Erfahrung der regionalen ‚Checker‘, diejenigen, die bereits seit Jahren oder Jahrzehnten an ökologischen und sozialen Lösungen im Bereich Ernährung/Landwirtschaft, Mobilität, Energie, Wirtschaft, Finanzen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft arbeiten und sie bereits umgesetzt haben.“

Insgesamt zeigt sich Christian Trebo sehr zufrieden und begeistert vom Projekt Mitmach-Conferenza bzw. Mitmach-Regione. Bis zum Frühjahr 2023 werden im gesamten deutschsprachigen Raum etwa 50 Mitmach-Konferenzen stattfinden, die untereinander vernetzt sind. „Wir tauschen uns über die Erfahrungen aus und helfen uns, den Prozess der Mitmach-Regionen zielführend und inklusiv zu gestalten. Es gibt viele unterschiedliche Ausgangsbedingungen unter all diesen Regionen, aber das Ziel, die soziale und ökologische Nachhaltigkeit vor Ort zu fördern, hält uns zusammen und lässt diese unseren diversen Startbedingungen zu einer verbindenden Stärke werden. Im kommenden Jahr wird es dann voraussichtlich erneut ein Bewerbungsverfahren geben, um weitere Mitmach-Regionen zu starten“, erzählt er und möchte auch anderen Mut machen: „In Südtirol waren wir die ersten, sind allerdings sehr interessiert daran, unsere Erfahrung weiterzugeben und weitere Bezirke zu Mitmach-Regionen werden zu lassen. Alles beginnt mit dem ersten Schritt. Wenn sich jetzt beim Lesen, wenn du dich angesprochen fühlst, dann setze dich gerne mit uns unter [email protected] in Kontakt. Wir freuen uns.“

 

Bild
Profile picture for user Josef Fulterer
Josef Fulterer Mar, 07/19/2022 - 05:56

Jede Iniziative die zu einem vernünftigen Umgang mit der Natur und vor Allem, zu einem vernünftigen "wirklich nachhaltigen Umgang," mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Aufklärungsarbeit leistet, ist zu begrüßen.
Die inzwischen auch in Südtirol nicht mehr zu übersehenden Kipppunkte der Klima-Krise zeigen auf, wie schwerwiegend sich die Natur für die leichtfertige Verschwendung der fossilen Brennstoffe rächt.

Mar, 07/19/2022 - 05:56 Collegamento permanente