Politica | 60 Jahre

Das Los von Sigmundskron

Schloss Sigmundskron steht wie kein anderer Ort für das Schicksal Südtirols. Das ein selbst vom Schicksal gezeichneter Parteiobmann vor 60 Jahren in die Hand nahm.
Sigmundskron 2017
Foto: Salto.bz

Zu sagen, dass alles so ist, wie damals, wäre gewagt. Und falsch. Man hat sich bemüht, die Kulisse von 1957 nachzubauen. Das Rednerpult steht da – etwas kleiner als damals. Die Tiroler Fahne hängt vom Weißen Turm – ebenso verkehrt wie damals. Oben am Turm steht einer in Sarner Tracht – genau wie damals. Und doch ist an diesem 17. November 2017 nichts wie vor 60 Jahren.

Es geht nicht mehr darum, “Recht und Gerechtigkeit” für ein gebeuteltes Land zu fordern, den Hitzkopf Luis Amplatz oben am Turm zum Schweigen zu bringen, die Massen mit langatmigen Reden zu beruhigen und sein “deutsches Wort” zu geben, um zu verhindern, dass die Situation eskaliert. So wie Silvius Magnago am 17. November 1957.
Dort, wo Luis Amplatz stand, blickt 60 Jahre später der Schlossherr auf etwa hundert Mal weniger Menschen als die 35.000, die 1957 aus ganz Südtirol nach Sigmundskron kamen. Nicht die Musikkappelle Gries, sondern die Stadtkappelle Bozen spielt zum Marsch.

Der Obmann der Südtiroler Volkspartei schafft es heute ohne Hilfe an das Mikrofon. Sein Gang ist wahrlich ein leichterer als der seines Vorgängers, der im November 1957 gerade einmal ein halbes Jahr im Amt war. Und der den ohnmächtigen Volkszorn, der aufkochte, zu verstehen und auf eine Art und Weise zu kanalisieren vermochte, für die ihm nicht erst heute nur gedankt werden kann.

“Wir hatten damals nicht nur Speck und Brot dabei, sondern auch anderes.” Es ist Sepp Innerhofer, dessen Auftritt am gestrigen Freitag in Erinnerung ruft: Die Kundgebung auf Sigmundskron hätte 1957 ganz anders enden können: mit Gewalt, Verletzten und wahrscheinlich sogar Toten. Die hat es in Südtirol gegeben – auch wegen Innerhofer und dem Befreiungsausschuss Südtirol BAS, den er mit gegründet hat. Doch nicht an jenem 17. November 1957. Der ging friedlich zu Ende.

Und so soll es weitergehen, sagt einer der Zeitzeugen: Giovanni Della Serra war an jenem Tag auf Sigmundskron. Er stammt aus Prettau, heute lebt er, 90-jährig, in Vahrn. Und heißt wieder Johann Nothdurfter. Seine Botschaft: “Haltet hoch, was uns damals wichtig war!”

Eigenständigkeit, Selbstbestimmung, Heimat, Tradition – die Werte von damals sind die Werte von heute. Zumindest für die Volkspartei, die am Freitag Silvius Magnago und alle, die mit ihm vor 60 Jahren auf Sigmundskron waren, feiert. Und natürlich auch sich selbst. Von Magnagos Erbe zehrt die SVP. Mit seiner Hartnäckigkeit und Weitsicht ist er den Parteigenerationen nach ihm mahnende Lehre und inspirierendes Vorbild. Das “Los von Trient” ist einem “Es geht nur mit Trient” gewichen, “gemeinsam unter einem europäischen Dach”, damit “die drei Länder wieder zusammen wachsen können”.

Hätten Silvius Magnago die Worte gefallen, die 60 Jahre später dort ertönen, wo er das Schicksal Südtirols in der Hand hielt? Das können nur die beurteilen, die den hageren, selbst vom Schicksal gezeichneten Mann, am besten kannten.
Das Wetter ist dasselbe wie am 17. November 1957, die Zeiten sind andere – und das letzte Wort 60 Jahre später ist kein “Los von Trient”, kein “Selbstbestimmung für Südtirol”, kein “Tirol den Tirolern”. Es ist ein “Amen”.