Società | Nachruf

„Der Zeno“ ist nicht mehr

Einem großen Brixner zum Gedenken. Zeno Giacomuzzi (1932 - 2023). Gedanken und Erinnerungen seines ehemaligen Partikularsekretärs.
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Foto: Gemeinde Brixen
Die Handball-WM im Februar 1987 war gerade vorbei und die Eisstock-Weltmeisterschaft im Herbst 1987 erfolgreich über die Bühne gebracht, als mich der damalige Brixner Sportstadtrat Klaus Seebacher ansprach, ob ich nicht persönlicher Referent des von mir sehr verehrten Bürgermeisters Zeno Giacomuzzi werden wollte. Ich sagte gerne zu und bekam so die Gelegenheit die faszinierende und für Brixen aber auch für mich prägende Persönlichkeit aus nächster Nähe kennenzulernen.
Es folgte ein Jahr interessantester Einblicke in die Arbeit in der Gemeindeverwaltung und die Denk- und Sichtweisen des großen und weitsichtigen Liberalen Zeno Giacomuzzi, der schließlich im Herbst 1988 in den Südtiroler Landtag gewählt wurde. In der Folge arbeitete ich für Giacomuzzis Nachfolger Klaus Seebacher als Referent weiter und wechselte dann als Referent des zum Regionalassessor gewählten Zeno Giacomuzzi in die Regionalverwaltung – auch um 1990 selbst für den Brixner Gemeinderat kandidieren zu können.
 
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Zeno Giacomuzzi (rechts) als junger Bürgermeister: Auf offiziellen Besuch in Regensburg (Foto: Stadt Regensburg)
 
 
Zeno Giacomuzzi war ein Mann von seltenem Weitblick und großem Interesse an allen Menschen, die ihn umgaben. Auch unter schwierigen Ausgangsbedingungen gelang es ihm fast immer, alle Kontrahenten an einen Tisch zu bekommen und mit Verhandlungsgeschick und wertschätzendem Zugang zu allen Beteiligten ein gutes Ergebnis zu erzielen.
Er machte nie einen Unterschied, ob er es gerade mit einem Arbeiter in Wohnungsnöten, einer lustigen Bäuerin oder mit dem Generaldirektor eines Unternehmens zu tun hatte.
Stets zu allen Menschen freundlich und immer für ein spontanes Ratscherle verfügbar, erwarb sich der zwanzig Jahre als solcher wirkende Brixner Bürgermeister eine immense Beliebtheit in der Bevölkerung und machte nie einen Unterschied, ob er es gerade mit einem Arbeiter in Wohnungsnöten, einer lustigen Bäuerin oder mit dem Generaldirektor eines Unternehmens zu tun hatte, das in Brixen einen Industriebetrieb aufbauen wollte. Und trotz der Anwesenheit von Prominenz von überallher, hatte es „der Zeno“ nach der Eröffnung des Altstadtfestes immer eilig, in den Feuerwehrkeller zu kommen, wo die Müllmänner auf ihn warteten, um ein Watterle zu machen, das stets mit der rituellen Aussage begann: „Påll i s’leschte Mol verlorn honn, hått’s Glasl Wein no 25 Lire gekoschtet!“
Für das Zeitmanagement – wie es heute heißt – war das nicht immer förderlich, aber der Bürgermeister war einfach für alle da und es konnte schon mal eine halbe Stunde dauern, den Weg von der Jahrtausendsäule – wo die Stadtregierenden damals parken durften – bis zum Rathaus zurückzulegen. Der Bürgermeister kam dann meist mit zwei-drei soeben vorgebrachten Anliegen ins Büro und kümmerte sich gleich um Lösungen.
 
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Zeno Giacomuzzi: Streit, Polemik und offene Auseinandersetzung waren ihm zutiefst zuwider.  (Foto: Südtiroler Volksbank)
 
 
Dabei ging er stets sehr pragmatisch vor, rief einfach irgendwo an, knüpfte zwischen einem Witz, Fischergeschichten oder Jagdabenteuern ein Gespräch an, um dann zur Sache zu kommen: „Horch, wia war’sen, wenn …“ Für die Betroffenen war es meist eine Ehre, wenn der Bürgermeister etwas von ihnen wollte, auch weil er stets sehr ausgewogene Vorschläge vorbrachte und alle wussten, dass ihr Entgegenkommen kein „Einileger“ war, sondern eine bürgerliche Pflicht, die auch irgendwo gutgeschrieben wurde.  
Zeno Giacomuzzi ist es stets auf glaubhafte Weise gelungen, das Gemeinwohl zu verkörpern. Dazu trug sowohl seine liberale und zugewandte Haltung, als auch seine Korrektheit, sein unaufdringlich präsenter Sachverstand aber auch seine persönliche Unabhängigkeit bei. 
Zeno Giacomuzzi ist es stets auf glaubhafte Weise gelungen, das Gemeinwohl zu verkörpern.
Die Souveränität, die sein Wesen prägte und seine Ausstrahlung bestimmte, wurde durch den Umstand gestärkt, dass er gerne Rat einholte und sorgsam abwog, ob ein vorliegender Vorschlag sich in einen größeren Kontext einreihen ließ. Legendär und für Brixens Entwicklung prägend war vor allem die Zusammenarbeit mit dem renommierten Architekten und Professor Othmar Barth, mit dem zusammen Zeno Giacomuzzi die Stadtentwicklung plante. Bei seinem Amtsantritt im Jänner 1969 war die Stadt von Anlage und baulicher Ausstattung noch mehr oder weniger im Vorkriegszustand, am Ende seiner Ära im Dezember 1988 war eine lebhafte, stark wachsende und gut strukturierte Kleinstadt mit hoher Lebensqualität und attraktiven Raumverhältnissen daraus geworden.
In großen Zusammenhängen denkend und stets umfassende Schritte machend, konnte er nicht immer alle Niederungen der Kleinarbeit und des systematischen Vorgehens durchschreiten und so war er als Teamplayer auch mit dem glücklichen Umstand konfrontiert, in Klaus Seebacher einen sachkundigen und taktisch außerordentlich klugen Freund und Kollegen zu finden, der nicht selten die Aufgabe hatte, in mühevoller Kleinarbeit das eine oder andere Hindernis und Problemele aufzuarbeiten, das „der Zeno“ in seinem Tatendrang übersehen hatte. 
Eine besondere Stärke von Zeno Giacomuzzi war sein überschäumender Humor und die meisten Gespräche begannen mit einem jovialen „Kennsch den?“, um dann gleich den neuesten Witz zum Besten zu geben, den er wunderbar erzählen konnte und bei dem dann auch mancher moralische Grenzgang vorkam.
 
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Zeno Giacomuzzi beim Törggelen: „Påll i s’leschte Mol verlorn honn, hått’s Glasl Wein no 25 Lire gekoschtet!“ (Foto: MGV Brixen)
 
Wer das Glück hatte, seine Nähe zu erfahren, weiß von tausenden Anekdoten, Geschichten und Projekten, die es alle Wert wären, erzählt zu werden, um diesen besonderen Menschen zu würdigen.  
Natürlich hatte Zeno Giacomuzzi auch einige Schwächen. Neben der Vernachlässigung von manch lästiger Kleinarbeit oder dem manchmal außer Kontrolle geratenden Zeitmanagement war es vor allem eine: Streit, Polemik und offene Auseinandersetzung waren ihm zutiefst zuwider und wenn es irgendwo knirschte oder krachte, versuchte er stets sofort, einen Ausgleich herbeizuführen. Nicht selten zog er sich dann aber auf sich selbst zurück, mit Unverständnis und einer gewissen Traurigkeit, die ihn befallen konnte, wenn Machtkämpfe, Mißgunst oder persönliche Interessen anderer Protagonisten ins Spiel kamen.
Die Faust, die auf den Tisch kracht, das war nicht seins. Dadurch hat er vielleicht den einen oder anderen Schritt in der politischen Karriere nicht machen können.
Die Faust, die auf den Tisch kracht, das war nicht seins. Dadurch hat er vielleicht den einen oder anderen Schritt in der politischen Karriere nicht machen können, er hätte sich mehr durchsetzen können, Machtkämpfe gewinnen können. Aber das wäre nicht er gewesen, der große Mensch Zeno Giacomuzzi.
Und das macht ihn, jetzt wo sein reiches und großes Leben plötzlich zu Ende gegangen ist und besonders unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen besonders sympathisch und aus meiner Sicht auch vorbildlich.
Wir bräuchten grad ein paar von seinem Format.
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Hartmuth Staffler Gio, 05/18/2023 - 21:32

Die Größe von Zeno Giacomuzzi zeigt sich nach seinem Tod auf eindrückliche Weise. Die Würdigungen kommen aus allen politischen Lagern. Den Zeno, wie ihn jeder nennen durfte, musste man einfach gern haben, selbst wenn man manchmal anderer Meinung war.

Gio, 05/18/2023 - 21:32 Collegamento permanente