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Berichte eines Köters

Matthias Vesco hat einen gesellschaftskritischen, ekligen und gleichzeitig frischen Roman vorgelegt. Am Samstag stellt er ihn in Bozen vor.
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Foto: Quelle: Autumns Verlag

Matthias Vesco, geboren 1987, war als aktiver Skateboarder Teil der alternativen Jugendkultur der Landeshauptstadt. Das Interesse für das Skaten ist geblieben, dazugekommen ist das Schreiben: „Mit 17 Jahren, als ich für ein Jahr in England war, habe ich mit dem Schreiben begonnen“ erzählt er. Vor kurzem hat er den Roman Berichte eines Köters im Autumns Verlag veröffentlicht. 

Es ist die gesellschaftskritische Komponente die mich interessiert, ein kritischer Blick in die Seifenblase des Wohlstands.

Im Leben der Hauptprotagonistin Roxane, einer Boxerhündin, häufen sich die Probleme. Vor allem der neue Untermieter macht ihr zu schaffen. Dieser interessiert sich für Tierquälerei und Roxane wird Opfer eines Experiments. Sie ergreift die Flucht, doch immer wieder stellt sich heraus, dass alle Erlebnisse dem Schrecken der Vergangenheit ähneln.

Erste Ideen zum Buch hatte er vor 10 Jahren, während seines Studiums der Sprachwissenschaft, Germanistik und Latein auf Lehramt in Wien, wo er zunächst Kurzgeschichten verfasste. Danach zog er mit seiner Partnerin nach Neapel, wo er als Sprachlehrer unterrichtete. Dort entstand auch der Köter-Roman.

Diese Stadt hat viel dazu beigetragen. Sie ist offen und steckt voller Kreativität.

Vesco serviert, wie er sagt: „Brutale Inhalte, Satire, Absurditäten und phantastische Elemente“. Er hinterfragt Hierarchien und hält der heilen Welt, dem kleinkarierten spießbürgerlichen Denken, einen ekligen Spiegel vor. Er findet über die Hündin feinen Zugänge zum Skurrilen und der Übertreibung. Seine Protagonistin lebt zwischen Rausch und Realität, sie experimentiert durchs Leben - Ausgrenzung und Gewalt werden anprangert. 

Ausschnitt aus Kapitel 2

Ein sorgloses und faules Dasein prägte meine ersten sieben Lebensjahre als Haustier. Dann traten zunehmend gravierende Änderungen ein und mein häusliches Glück wurde beeinträchtigt. Verschiedene Faktoren waren dafür verantwortlich. Einerseits war ein Kind zur Welt gebracht worden und auch ich freute mich anfangs über den Zuwachs in unserer Familie. Bald aber stellte sich heraus, dass diese Angelegenheit auch in meinem Falle keine Ausnahme darstellte. Die Anwesenheit eines Säuglings ist nämlich für das Wohlbefinden jeder Hundeseele eine Gefahr. Das Haustier, welches zuvor zahlreiche Vorteile genossen hat, indem es unter anderem mit Eigenschaften eines Kindes versehen wurde, wird durch eine solche Geburt - welche ein Wunder! - in den Schatten gestellt.

Dazu kam in meiner Situation, dass meine Herrchen in ihrer neuen Lebenssituation mit finanziellen Problemen konfrontiert waren. Dies machte sich nicht nur in der Auswahl billiger und ekelhafter Hundefuttermarken bemerkbar, sondern war ebenso durch die Anwesenheit einer weiteren Person in unserem Haus zu spüren. Ein leer stehendes Zimmer wurde einem Untermieter überlassen, der mir von Anfang an suspekt war. Sowohl sein zu Berge stehendes, zerzaustes Haar als auch sein unberechenbarer und zugleich drohender Blick ließen ihn nicht gerade sympathisch erscheinen.

Darüber hinaus hatte der neue Stress, mit dem die junge Familie zu kämpfen hatte, vor allem einen Mangel an Aufmerksamkeit mir gegenüber zur Folge. Vor diesen Ereignissen war ich täglich mit ausgedehnten Spaziergängen zu sonnigen Wiesen und kühlen Wäldern belohnt worden, wovon nicht das Geringste erhalten blieb, ich arme Boxerhündin. Hätte ich damals nur gewusst, was mich erwartet! Ich wäre mit Sicherheit braver gewesen und hätte den Zorn Gottes durch mein verfressenes und sabberndes Verhalten nicht herausgefordert. Dass aber eine Vorsehung hinter dieser Geschichte steckt, glaube ich schon lange nicht mehr. Denn als zunächst beliebtes Haustier, um das man sich kümmerte, wurde ich für mein Umfeld bald - was soll ich sagen? - zu Luft, zu einem Geist. Ab und zu erinnerte man sich, mich in den Garten zu lassen, welcher die Bezeichnung eines Gartens nicht verdiente. Dabei handelte es sich um eine geteerte, eingezäunte Fläche, bei der man kaum von einem Stück Natur sprechen kann. Im Haus stehen zumindest Pflanzen, der Garten ist aber durch und durch grau und staubig. Das Grün und die Vielfalt bei Spaziergängen hatte ich schon längst vergessen, ein Gefühl von Erfrischung und Leichtigkeit wurde durch schwere Betonmassen ersetzt und selbst dann, wenn zumindest die Sonne strahlte, verlor dieses Gefühl von Erdrückung kaum an Intensität.

Das war also mein Auslauf. Durch den zugestandenen Genuss an Frischluft wollten meine Herrchen in Wirklichkeit aber nur verhindern, dass ich ihnen das Haus verdrecke. Dazu kam noch, dass ich nach der Verrichtung meines Geschäftes im Garten gelassen wurde und teils bei frostiger Kälte mich zusammenkauern musste. War es wärmer, hatte ich auch nur wenig davon, Runden inmitten einer Kulisse von Wänden zu drehen. Dies war mein Alltag.