Società | In memoriam

„Männer brauchen Alternativen“

Im Gedenken an den diese Woche verstorbenen Armin Bernhard veröffentlichen wir ein Gespräch, das Salto.bz mit dem Uni-Dozenten 2017 geführt hat.

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Foto: Foto Privat
Ich erfahre gerade, dass Armin Bernhard verstorben ist. Ein ganz großer Südtiroler, ein Möglichmacher, ein Gesellschafts- und Mitmenschlichkeits-Pionier, der auf dem besten Weg war, den Nachweis anzutreten, dass ökosoziale Transformation aus der Mitte der Gesellschaft heraus möglich ist, wirklich nachhaltig ist und tiefe Freude macht.  Mein Mitgefühl gilt der Familie und allen Mit-Möglich-MacherInnen rund um Armin, die hoffentlich nicht aufgeben und weiter daran arbeiten, vom wunderbaren Obervinschgau aus die Welt gerechter, schöner, lebenswerter und überlebensfähig zu machen.  Gerade jetzt!“, schreibt Markus Lobis.
Die Nachricht verbreitete sich gestern wie ein Lauffeuer.
Armin Bernhard ist 51-jährig einer schweren Krankheit erlegen. Armin Bernhard war Jahre lang in der Jugendarbeit im Obervinschgau tätig. Seit 2017 war er Forschungs- und Lehrbeauftragter der Universität Brixen. Ein Forschungsschwerpunkt war die soziale Landwirtschaft. Bernhard war dabei auch einer der Vordenker des sogenannten „Malser Weges“.
Seit 2017 war Armin Bernhard auch Präsident der Bürgergenossenschaft Obervinschgau. Die Genossenschaft schreibt in einer Aussendung:
 
Heute ist einer von diesen Tagen, von denen man sich wünscht sie wären nie gewesen. Man schließt die Augen, hört dem Atem zu und wenn man die Augen wieder öffnet,  dann ist alles ruhig, dann ist alles wieder ok.
Heute wird das nicht passieren. Heute ist nichts ok. Vielmehr wird der Tag heute für immer in unserer Erinnerung bleiben. Weil wir heute erfahren mussten, dass sich unser Freund Armin,  der unsere Genossenschaft mitgegründet und maßgeblich gestaltet hat, von uns verabschiedet hat.
Wir müssen Abschied nehmen, von einem Menschen, der uns alle immer wieder zum Staunen, zum schmunzeln und zum Haareraufen gebracht hat.  Mit seiner Energie, seinen Ideen, seinem Tatendrang, seinem Sein. Wir müssen Abschied nehmen.
Und wir müssen zugleich bewahren, wir müssen uns den Mut bewahren, denn uns Armin vorgelebt hat, die Zuversicht, für alles eine Lösung zu finden und den Tatendrang in dieser Welt etwas zu verändern. In Verbundenheit mit allen Trauernden und mit der Familie von Armin
 
Armin Bernhard war einer der viele Interessen hatte, so forschte er nicht nur zu Themen wie Jugend und Patriotismus, Bürgergenossenschaften oder Zeitbanken, sondern er beschäftigte sich auch mit der Rolle der Männer in der heutigen Zeit.
Darüber hat Susanne Pitro am 19. November 2017 ein Salto-Gespräch geführt. Im Gedenken an Armin Bernhard veröffentlichen wir das damalige Interview wieder.

 

Salto.bz: „Männer - irgendwie anders“: So war vor kurzem eine Männerfach-Tagung im Haus der Familie betitelt, an der Sie als Männerforscher beteiligt waren. Ein interessanter Titel, wo Männer doch generell die Norm bestimmen und Frauen als das andere Geschlecht gelten. Wo also sind Männer irgendwie anders?


Armin Bernhard: Es gibt zu diesem Titel unterschiedliche Zugänge. Ich habe zum Beispiel die Verknüpfung, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, die glaubt, die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern weitgehend geschafft zu haben und den Alltag in diesem Sinne zu organisieren versucht. Im Konkreten sieht es aber dann vielfach doch „irgendwie anders“ aus. In den Familien dominieren die traditionellen Rollenbilder, obwohl die meisten Männern mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchten. Vor allem aber ging es bei der Tagung um die Frage, warum Männer und Männlichkeit  so schwer mit dem Bereich des Sozialen zusammenkommen.

Sprich, die sogenannte Care-Schiene, vom Kindergärtner bis zur aktiven Vaterschaft?


Von den sozialen Berufen bis zur Inanspruchnahme sozialer Dienste oder auch der Erwachsenenbildung. In den Sozialberufen arbeiten heute immer noch zu 85 Prozent Frauen und die wenigen Männer, die dort aktiv sind, sind am ehesten in Leitungsfunktionen oder in pflegefernen Bereichen zu finden. Das hat auch damit zu tun, dass soziale Berufe eben als Frauenberufe entstanden sind, sie waren damals für Frauen die einzige Möglichkeit, überhaupt berufstätig sein zu dürfen.

Und so gilt dieser Bereich bis heute als sehr unmännlich?


Sicherlich. Wobei sich die Frage stellt, wo Männer sich verwehren und wo es ihnen auch schwer gemacht wird. Männer, die im Care-Bereich tätig sind, machen häufig die Erfahrung, dass ihnen gewisse Dinge aufgrund ihrer Männlichkeit nicht zugetraut werden. Und dann finden wir im Bereich des Sozialen auch vielfach weiblich gestaltete Räume. Wenn man Väter verstärkt in Kindergärten einbinden will, muss man ihnen auch ein Stück weit die Hand reichen. Denn wenn dieser Mann in den Kindergarten kommt, ist er erst einmal überfordert, weil er nicht recht weiß, wie er sich in so einem Umfeld verhalten soll. Da macht es dann Sinn, dass man ihm eine konkrete Aufgabe, eine Rolle gibt. Also etwa: Setz dich dort hin, und lies’ den Kindern aus dem Buch vor.

Diese Abwertung des Weiblichen ist kulturell sehr tief verwurzelt, das lernen Kinder von klein auf.

Ähnlich läuft’s bei Kursen, besonders wenn es um Persönlichkeitsbildung geht. Da findet frau sich meist unter ihresgleichen...


Und entsprechend weiblich gestaltet ist das Setting. Da haben Männer das Bild: Alle sitzen im Kreis und müssen über ihre Gefühle sprechen.... Das kommt Männern nicht entgegen, noch dazu, wo sie von vornherein als nicht kompetent in diesem Bereich angesehen werden – ob von sich selbst oder der Gesellschaft. Zudem versuchen viele Männer noch, ihre Probleme allein zu lösen und weniger fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Malboro-Mann saß ja schließlich auch nicht bei der Psychologin auf der Couch....


Genau. Ob Lonesome Cowboy oder Superman oder Spiderman: Diese Bilder vom Einzelkämpfer, vom Retter, von denen Jungs von klein auf geprägt werden, prägen eben auch die typisch männlichen Bewältigungsmuster. Themen wie Hilflosigkeit oder Überforderung sind dagegen unmännlich. Damit erwartet man von Männern, dass sie sich zuerst als inkompetent, schwach oder hilfsbedürftig, also im Grund als unmännlich definieren, bevor sie Beratung, psychologische Unterstützung oder gewisse Arten von Persönlichkeitsbildung in Anspruch nehmen. Und das schafft natürlich für viele Männer eine Barriere.

Sie suchen im Privaten Kompensation für ihre Männlichkeit, laufen mit Steinen im Rucksack auf den Berg, gehen in traditionell männliche Verein wie zu den Schützen oder zur Feuerwehr.

Deshalb hängten sie lieber bei der Feuerwehr oder auf dem Fußballplatz ab – und reden dort vielleicht mal bei einem Bier über ihre Gefühle?


Männer tun sich generell schwer über Probleme oder Gefühle zu reden. Am ehesten gelingt das noch in Zusammenhang mit Problemen in der Arbeit, aber beim Persönlichen, beim sich selbst spüren, wird es schon schwierig. Das haben sie nie gelernt, von klein auf, eher das Gegenteil. Ein weiterer Aspekt ist die immer prekärer werdende Welt der Erwerbsarbeit. Da Männlichkeit bei uns immer noch mit Erwerbsarbeit verknüpft ist, wird auch die Männerrolle immer prekärer und fragiler, je schwieriger die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird. Denn im Gegensatz zu Frauen, die neben der Erwerbsarbeit auch noch die Mutter als gesellschaftlich akzeptiertes Rollenmodell zur Wahl haben, fehlt Männern bis heute eine solche Alternative.

 

 

 

Was machen sie also?


Sie suchen im Privaten Kompensation für ihre Männlichkeit. Indem ich mit Steinen im Rucksack auf den Berg laufe, Ultras mache, in traditionell männliche Verein wie zu den Schützen oder zur Feuerwehr gehe. Wir finden auch Ärzte oder Juristen unter den Hooligans auf den Fußball- oder Eishockey-Fanmeilen. Da geht es unter anderem um den männlichen Habitus, darum, sich die im Alltag fehlende Bestätigung der eigenen Männlichkeit zu holen.

Nur dumm, dass immer mehr Männerbastionen von Frauen erobert werden – wie beispielsweise die Freiwilligen Feuerwehren...


Hierzu haben wir in Folge der Männerstudie ein Projekt gemacht. Wir haben uns einige Feuerwehren angesehen, die bewusst keine Frauen aufnehmen. Nicht weil man der Überzeugung ist, dass sie die Arbeit körperlich nicht schaffen würden. Als Grund gab man uns vielmehr an, dass sich dann ihre Gesprächsthemen vor und nach den Proben und Löscheinsätzen verändern würden. Der männliche Raum wäre dann kein männlicher Raum mehr, das ist für sie das größte Hindernis.

Warum darf männlich aber nicht männlich bleiben? Also die Polarität zwischen den Geschlechtern ist ja nicht an und für sich schlecht, trägt wohl auch wesentlich zur gegenseitigen Anziehung bei?


Prinzipiell nicht. Doch es ist zum Beispiel eine Tatsache, dass in unserer Gesellschaft Weiblichkeit immer noch schlechter bewertet wird als Männlichkeit. Vor allem erleben wir heute, wie Männern und Frauen ein Stück mehr Männlichkeit abverlangt wird. Denn dieser Typ von Männlichkeit, der einst im Zuge der Industrialisierung mit Mannsein verbunden wurde, hat sich mittlerweile von den Körpern gelöst und ist zum Gesellschaftsprinzip geworden.

Was konkret meinen Sie damit?


Konkurrenzorientiert zu sein, sich mit Ellbogen durchsetzen, cool sein, über Leichen gehen.... Unser gesamtes Wirtschaftsmodell mit Kostenauslagerung, Externalisierung usw. hat mit dieser Art von Männlichkeit zu tun. Und deshalb können Frauen heute fast alles machen, was Männer machen, doch sie müssen den gleichen Habitus, dasselbe Verhalten annehmen wie Männer, um erfolgreich zu sein.

Seit Monaten sorgt nun eine weitere Facette von vermeintlicher Männlichkeit für breite Diskussion. Die Me-Too-Debatte hat aufgezeigt, wie tief verwurzelt  Sexismsus bei Männern im Umgang mit Frauen ist. Worum geht es da?


Bei Sexismus wird ganz klar die Abwertung der Frau, des Weiblichen zum Ausdruck gebracht. Die beginnt übrigens bereits bei den Schimpfworten, die wir gebrauchen. Die sind entweder weiblich konnotiert, oder mit Tieren oder Sexualität. Männliche Schimpfwörter gibt es kaum.

Wir verwenden also zum Beispiel die Hure als Schimpfwort, aber nicht den Stricher meinen Sie?


Genau. Eine Ausnahme ist der Schwule, wo es aber auch schon wieder um die Verweiblichung des Mannes geht. Neben dieser Abwertung des Weiblichen spielt bei Sexismus auch die Hierarchie eine wichtige Rolle. Ganz oft wird sexistisches Verhalten aus einer Machtposition heraus ausgeübt, also gegenüber einer Frau, die mir ausgeliefert ist, sich nur bedingt wehren kann.

Dieser Typ von Männlichkeit, der einst im Zuge der Industrialisierung mit Mannsein verbunden wurde, hat sich mittlerweile von den Körpern gelöst und ist zum Gesellschaftsprinzip geworden.

Die Frage bleibt: Warum hat es ein Mann nötig, Frauen abzuwerten, seine Macht zu benutzen, um sie zu demütigen?


Diese Abwertung des Weiblichen ist kulturell sehr tief verwurzelt, das lernen Kinder von klein auf. Das beginnt in der Schule, wo gleichaltrige Mädchen den Jungs vor allem in kognitiven Fächern vielfach voraus sind. Dort machen diese dann die Erfahrung, dass doch eigentlich sie die Welt retten und die Besseren sein sollten, doch stattdessen unterlegen sind. Um das zu kompensieren, werten sie die Mädchen ab. Und das geht dann so weiter, auch wenn sich gleichaltrige Mädchen später zum Beispiel für ältere Jungs interessieren statt für sie. Jungs beweisen sich vielfach gegenseitig, wie männlich sie sind, und dabei werden Mädchen, das Weibliche oftmals abgewertet.

Kann das dann letztendlich auch in den rund 150 Frauenmorden enden, die in Italien jedes Jahr von Männern verübt werden?


Gewalt als Möglichkeit Konflikte zu lösen hat mit Männlichkeit zu tun, doch dieses Prinzip ist in der gesamten Gesellschaft verortet, nicht nur beim einzelnen. Wir müssen uns nur ansehen, wie Staaten miteinander umgehen, wie Gewalt angedroht und angewendet wird, um Konflikte zu lösen oder um Interessen durchzusetzen.

Und wenn wir es uns auf individueller Ebene ansehen?


In einem Beziehungssetting stellt Gewalt für Männer eine Möglichkeit dar, aus einer Ohnmachtssituation herauszukommen und wieder handlungsfähig zu werden. Deshalb ist diese für ihn auch positiv besetzt, da er damit ein Problem lösen kann. Damit es anders werden kann, brauchen Männer also Alternativen, müssen lernen, wie sie auch ohne gewalttätig zu werden zu ihrer Handlungsfähigkeit zurückfinden können. Zum Beispiel, indem sie zum Sprechen kommen, um Konflikte und Krisenmomente zu bewältigen.

Bei Sexismus wird ganz klar die Abwertung der Frau – und um Hierarchie.

Die Frage „Wann ist ein Mann ein Mann“ braucht in jedem Fall neue Antworten?


Auf alle Fälle. Es würde uns sicher gut tun, wenn Vielfalt für Männlichkeit anerkannt würde.

Statt sich weiterhin vom engen Rollenbild des Machers und Ernährers treiben zu lassen?


Theoretisch ja. Nur ist es gar nicht so einfach, aus der Männerrolle auszusteigen, einfach zu entscheiden: Ich mache das jetzt ganz anders. Denn jeder von uns ist in einen gesellschaftlichen Rahmen eingebunden, in dem alle möglichen Erwartungen an ihn herangetragen werden. Das kann nicht so schnell auf individueller Ebene gelöst werden.

Man wird nicht als Frauen geboren, sondern dazu gemacht, hat uns Simone de Beauvoir gelehrt. Können wir uns nicht einfach neue und vielfältigere Männer heranziehen, ob im Elternhaus oder im Kindergarten?


Natürlich gibt es vieles, gegen das wir im Alltag bewusst arbeiten können, allem voran die Abwertung der Frau. Doch ich denke, es geht hier nicht nur um Erziehung. Solange bestimmte Werte und Haltungen so stark in der Gesellschaft verankert sind, genügt es nicht, wenn ich pädagogisch dagegen arbeite. Wenn es draußen in der Welt anders gelebt wird, ist dies allemal stärker.

Es ist höchst an der Zeit, dass wir uns darüber unterhalten, wie wir leben wollen.

Brauchen wir also ein neues Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell, um an den Geschlechterrollen und vor allem am Verhältnis zwischen den Geschlechtern etwas ändern zu können?


Ich glaube schon, denn wir können diese Bereiche nicht getrennt betrachten, das hängt alles zusammen. Wir müssen uns nur die Elternkurse ansehen, die es heute gibt: Starke Eltern, starke Kinder – alle müssen stark sein heute, damit sie die Belastungen aushalten, die ihnen in unserem Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell aufgedrückt werden. Deshalb denke ich, dass es höchst an der Zeit ist, dass wir uns darüber unterhalten, wie wir leben wollen. Statt einem vergangenen Wachstumsmodell nachzulaufen und Mensch und Natur auszubeuten, sollten wir vermehrt gemeinsam versuchen, die vielen gesellschaftlichen Probleme anzugehen. Und ich bin sicher, viele Männer – und auch Frauen – würden es uns danken, wenn wir sie nicht mehr zwingen, durchsetzungsstark und konkurrenzorientiert, also „männlich“ zu sein.

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Martin Daniel Dom, 11/19/2017 - 12:31

Sehr gutes Interview! Hier werden die Fehler und Probleme der Männer aufgezeigt und zugleich Erklärungsmuster und Lösungsansätze geliefert ohne sie tout court abzuurteilen. Nicht nur die Abwertung der Weiblichkeit ist gesellschaftlichen Strukturen geschuldet, sondern auch das häufig falsche Bild von Männlichkeit, das Männer zu gewissen Verhaltensweisen bewegt.
Ich möchte an einige genannte Punkte anknüpfen und sie in einem weiteren Rahmen betrachten:
1. "Warum hat es ein Mann nötig, Frauen abzuwerten, seine Macht zu benutzen, um sie zu demütigen?". Es scheint oft nicht (nur) um das Machtverhältnis Mann-Frau zu gehen, sondern grundsätzlich um die Möglichkeit, Machtpositionen auszuüben und auszunutzen. Warum hat ein bereits unglaublich wohlhabender Minister Schmiergeldzahlungen angenommen, ein Rock- oder Schlagersstar (konsensuelle) Affären mit allen möglichen Frauen, deren Zahl in die Hunderte geht, oder ein Mitarbeiter eines Unternehmens in leitender Funktion einen Kollegen/Untergebenen fertiggemacht? Häufig lautet die Antwort schlicht und einfach: "Weil ich es konnte."
2. "Wenn es draußen in der Welt anders gelebt wird, ist dies allemal stärker". Das ist m.E. auch ein großes Thema für die Schule, wo den jungen Leuten laut öffentlichem Auftrag Werte vermittelt werden sollen, die sie im Zuge ihres Erwachsenwerdens immer seltener in ihrer Lebenserfahrung wiederfinden.
3. "in der Schule, wo gleichaltrige Mädchen den Jungs vor allem in kognitiven Fächern vielfach voraus sind". Stimmt genau, deswegen ist es wichtig, nicht nur Wissen abzufragen, sondern z.B. auch Problemlösungsfähigkeiten als Kompetenzen einzuplanen und zu bewerten, um auch den Jungen die Möglichkeiten zu geben, ihre Stärken einzubringen.
4. "Brauchen wir also ein neues Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell, um an den Geschlechterrollen und vor allem am Verhältnis zwischen den Geschlechtern etwas ändern zu können?" Hier ist die Fragestellung (und die Antwort dazu) interessant und m.E. wegweisend. Häufig wird nämlich genau der umgekehrte Weg postuliert, nämlich dass es nötig wäre (und für manche sogar ausreichte), das Verhältnis zwischen den Geschlechtern zu ändern, um Neoliberalismus und Raubtierkapitalismus Einhalt zu gebieten. Ich neige auch dazu zu glauben, dass eine Änderung des Systems eher zu einer Änderung des männlichen Selbstverständnisses führen kann und auch Frauen in Machtpositionen weniger männlich denken und handeln würden als jetzt.

Dom, 11/19/2017 - 12:31 Collegamento permanente
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Alfonse Zanardi Lun, 11/20/2017 - 23:15

In risposta a di Martin Daniel

Dieser Kommentar ist schon fast ein eigener Artikel. Möchte mich kurz zu Punkt 1 äussern:
Macht klingt ja zunächst negativ, ist aber im Sinne von „machen“ oder „machen können“ nichts anderes als Möglichkeiten oder Optionen, die jemandem zur Verfügung stehen. Das meint zunächst gar nicht Macht über andere, sondern Banales wie „Ich kann mir eine schöne Wohnung mieten“ oder „Ich kann jederzeit nach Venedig fahren“. Klarerweise strebt der Mensch nach Optionen, je mehr davon desto freier ist sie oder er. Wenn ich keine Optionen mehr habe bin ich tot, überspitzt.
Wenn ich zum Beispiel viel weiß, fähig, charmant, genau, ausdauernd, einfallsreich, stark, hilfsbereit, überzeugend, verständnisvoll, verführerisch oder schön bin kann ich dieses oder jenes erreichen. Ohne jemanden dabei zu schaden. In dem Sinne kann man Gewalt auch als Ohnmacht sehen.
Aber ich fürchte es ist im Menschen auch tief drinnen dabei Lust zu empfinden, was immer zu erreichen, auch gegen den Willen anderer oder gar zu deren Schaden, sei es durch Überlegenheit, deren Missbrauch, dem Bruch von Normen oder schlicht Gewalt. Solche Muster werden wie Bernhard richtig sagt in Wirtschaft, Politik, Erzählungen oder Geschichte vorgelebt.

Lun, 11/20/2017 - 23:15 Collegamento permanente
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Martin Daniel Mar, 11/21/2017 - 07:19

In risposta a di Alfonse Zanardi

Erlauben Sie mir festzuhalten, dass Begriffe zwar subjektiv verstanden werden können, aber im Laufe der Zeit doch eine bestimmte Bedeutung erhalten haben, die allgemein geteilt werden. Die Optionen, von denen Sie sprechen, fallen m. E. eindeutig unter den Begriff Freiheit, während Macht Entscheidungshoheit über andere bezeichnet.

Mar, 11/21/2017 - 07:19 Collegamento permanente
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Klemens Riegler Dom, 11/19/2017 - 14:29

... was mir dazu auch noch einfällt: Eigentlich komisch, dass wir Männer immer noch so sind wie wir sind ?!? Wir sind doch von Geburt an bis mindestens zum Pflichtschulabschluß größtenteils von Frauen "betreut" und erzogen worden. ... Aber ein kleinwenig Was hat es doch gebracht! ... wenn wir Männer uns heute so anschauen.
Beitrag und Antworten von Armin Bernhard sind jedenfalls sehr gut ... Bei diesem Thema die Polemik oben und unten - links und rechts beiseite zu lassen ist schließlich alles andere als einfach. Toll !!!

Dom, 11/19/2017 - 14:29 Collegamento permanente
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Johannes Engl Dom, 11/19/2017 - 19:08

So etwas Lesenswertes kommt nur zustande, weil sich jemand die Mühe macht, an diese Themen wissenschftlich und ausgewogen heran zu gehen, anstatt gleich Urteile zu fällen und Noten zu vergeben. Das Thema ist leider ideologisch total versaut.
Armin Bernhard liefert Erklärungsmuster, die zum Nachdenken anregen. Bravo !

Dom, 11/19/2017 - 19:08 Collegamento permanente
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Oskar Egger Lun, 11/20/2017 - 07:52

Ein Buch, das sehr aufschlussreich ist und einen neuen Blickwinkel öffnet: " Essere un Padre" -
ll senso della paternità tra iniziazioni e cambiamenti

Autore: Michele Mezzanotte
Editore: Edizioni Tlön

Lun, 11/20/2017 - 07:52 Collegamento permanente
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Oskar Egger Lun, 11/20/2017 - 07:57

Der postmoderne Mann, geboren nach dem zweiten Weltkrieg, ist der erste in der gesamten Männergeschichte, den kein Vater, Lehrer, Meister gelehrt hat, was ein Mann tut (außer Muskeln aufzubauen). Claudio Risé

Lun, 11/20/2017 - 07:57 Collegamento permanente
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Karl Trojer Mer, 01/11/2023 - 10:16

Eine wirkliche Gleichstellung Frau / Mann würde nicht zuletzt uns Männern gut bekommen :
- mehr Leben anstelle von Konstruktion
- mehr Beziehungspflege anstelle von Abgrenzung
- mehr Kooperation anstelle von Konkurrenz
- mehr Frieden anstelle von Krieg...

Mer, 01/11/2023 - 10:16 Collegamento permanente