Società | Statistik

Wenn das Geld nicht mehr reicht

Das ASTAT hat die neusten Daten zu Einkommen und Vermögen vorgestellt: Schwerpunkt auf Armut. Caritas-Direktoren fordern: "Die Menschen hinter den Zahlen sehen."

Während im Landtag die Debatte um den 5,4 Milliarden schweren Haushalt für 2016 ihrem Ende zugeht, präsentierte das Landesinstitut für Statistik am Freitag Vormittag die in 5-Jahresabständen durchgeführte Studie zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Haushalte in Südtirol von 2013 bis 2014. Laut den ausgewerteten Daten der Erhebung beläuft sich das gesamte Haushaltseinkommen in Südtirol auf 7,8 Milliarden Euro und ist von 2008 bis 2013 beinahe unverändert geblieben. 2013 bezogen die in Südtirol ansässigen Haushalte ein durchschnittliches Haushaltseinkommen von 36.774 Euro im Jahr. Die Einkommensverteilung im Land ist dabei ungleicher als etwa in Österreich, Deutschland oder der Schweiz, gleichzeitig aber gleicher als im gesamten Italien.


Wohnen und Sparen

Knapp zwei Drittel der Südtiroler Haushalte sind Eigentümer von Wohnimmobilien. 62,5 Prozent der Haushalte haben die Wohnung, in der sie leben auch in Eigentum. Der Anteil der Haushalte mit Grundeigentum ist hingegen viel niedriger und beträgt 20,7 Prozent. Insgesamt leben 65,5 Prozent der Haushalte in Ein- oder Zweifamilienhäusern, Villen, Reihenhäusern, Bauernhöfen und kleinen Mehrfamilienhäusern mit weniger als zehn Wohnungen. Interessant: Probleme mit Umweltverschmutzungen durch Verkehr oder Industrie im eigenen Wohngebiet sind im ganzen Land kaum vorhanden. Allerdings empfinden rund ein Viertel aller Haushalte die Lärmbelästigung durch Verkehr, Landwirtschaft, Industrie und Handel als störend.

Im Jahr 2013 legten 31,2 Prozent der Haushalte kein Geld beiseite. 13,2 Prozent haben weniger als 1.000 Euro gespart. Wirft man einen Blick zurück, wird ersichtlich, dass die meisten Haushalte 2012 und 2013 ungefähr gleich viel sparen konnten. 32,3 Prozent geben an, dass sie im Vergleich zum Vorjahr weniger zurücklegen konnten. Die Zahl der Haushalte, die angeben, 2013 mehr gespart zu haben als 2012, ist sehr gering und beläuft sich auf etwas mehr als 6 Prozent.

Einer Gesellschaft geht es nur gut, wenn sie untereinander solidarisch ist. Wohlstand ist vergänglich, Menschlichkeit nicht.
(Caritas-Direktoren)


Armut ist gesellschaftlich akzeptiert

Ein besonderer Schwerpunkt wurde bei der diesjährigen Einkommens- und Vermögensstudie auf das Thema Armutsgefährdung gelegt. So gelten 17,1 Prozent der Südtiroler Bevölkerung und 16,6 Prozent der Haushalte als armutsgefährdet – etwa 35.000 in Zahlen. Diese haben sich in den vergangenen zwölf Jahren kaum verändert. “Auf den ersten Blick mag das vielleicht nicht beunruhigend klingen. Sieht man jedoch etwas genauer hin, ist dies äußerst bedenklich: Das bedeutet nämlich, dass sich die soziale Not innerhalb unserer Gesellschaft verfestigt hat und wir dieses finanzielle und damit auch soziale Ungleichgewicht akzeptieren.” So ein erster Kommentar der beiden Caritas-Direktoren Franz Kripp und Paolo Valente.

Dem Armutsrisiko ausgesetzt sind vor allem ältere alleinlebende Personen, alleinlebende Frauen, Alleinerziehende sowie Paare mit mehr als zwei Kindern. Paare mit Kindern, in denen eine Frau erwerbstätig ist, sind weit weniger häufig von Armutsgefährdung betroffen als entsprechende Haushalte ohne erwerbstätige Frau. Anlass für Familienlandesrätin Waltraud Deeg, zu fordern, “verstärkt auf die Familie sowie auf eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu achten”.


Die vielen Gesichter von Armut

Auch von der so genannten ‘neuen Armut’ sind Familien mit mehreren abhängigen Kindern, Alleinlebende und insbesondere Frauen mehr betroffen als sonstige Gesellschaftsgruppen. Ein Phänomen, dem auch die Caritas mehr und mehr begegnet. “Immer häufiger reichen Löhne beziehungsweise Renten für ein würdiges Leben nicht mehr aus”, bestätigen Kripp und Valente. Sorgen machen sie sich auch um die 8.000 Familien, die laut ASTAT-Statistik nicht nur armutsgefährdet sind, sondern Armut “massiv erleben”. “Im konkreten Alltag bedeutet das, dass sie sich die notwendigen Ausgaben für Lebensmittel, Kleidung, Krankheitstarife, Schule, Verkehrsmittel und Steuern nicht leisten können”, erklären die Caritas-Direktoren: “Ohne öffentliche Sozialleistungen würde die Situation noch dramatischer aussehen.” Dann wären nämlich zusätzliche 17.000 Haushalte armutsgefährdet.

Im Rahmen der Erhebung wurden die Haushalte auch gefragt, wie leicht das Geld bis zum Monatsende reicht. Etwa die Hälfte aller Haushalte kommen mit mittleren Schwierigkeiten bis ans Monatsende. Nur 9,9 Prozent geben an, dass das Geld ohne Probleme reicht. Die armutsgefährdeten Haushalte empfinden besonders viel Unbehagen. Dies geht deutlich aus den gegebenen Antworten zur subjektiven Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Situation hervor. Auch die Zukunftserwartungen sind nicht sehr rosig. Die meisten Haushalte – knapp über 71.000 – erwarten, dass sich ihre Situation im kommenden Jahr im Vergleich zum aktuellen etwas verschlechtert.


Die Menschen hinter den Zahlen sehen

Angesichts dieser doch bedenklichen Daten wenden sich Franz Kripp und Paolo Valente mit einen eindringlichen Appell an die Südtiroler: “Bei all diesen Zahlen ist nicht zu vergessen, dass hinter ihnen Menschen stehen, die mitten unter uns leben. Ihnen müssen wir mit Respekt begegnen, ihre Würde bewahren und ihnen Zuversicht schenken. Dazu braucht es mehr als finanzielle Hilfe. Hier sind die Politik und die Wirtschaft gefragt, aber auch jeder einzelne von uns. Hilfe und Mitmenschlichkeit sind noch immer das probateste Mittel gegen Armut. Und davon profitiert im Grunde jeder.”