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Generation P(rekär)

Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf 10,2 Prozent gestiegen. Beim Südtiroler Jugendring ist man besorgt – und fordert nicht nur eine eigene Online-Arbeitsbörse.
Junges Arbeiten
Foto: Pixabay

Es war eine erneute Frohe Botschaft, die Anfang vergangener Woche aus dem ASTAT kam: Die Erwerbstätigkeit in Südtirol steigt weiter. Gleichzeitig sinkt die Arbeitslosigkeit. Laut Landesstatistikinstitut waren im jahr 2017 139.800 Männer und 113.300 Frauen erwerbstätig. Auf Arbeitssuche befanden sich dagegen im Jahresmittel 3.400 Männer und 4.600 Frauen. Was für 2017 eine Arbeitslosenquote von 3,1% (2,4% bei den Männern, 3,9% bei den Frauen) ergibt. Im Jahr zuvor lag die Quote noch bei 3,7%.

Große Freude in der Wirtschaft und bei den Unternehmerverbänden – und beim Südtiroler Jugendring (SJR). Dort meldet man allerdings Bedenken an. Denn während die Arbeitslosenrate zwischen 2016 und 2017 insgesamt gesunken ist, ist der Anteil der 15-24-Jährigen ohne Arbeit gewachsen: Die Jugendarbeitslosenquote stieg von 8,8 auf 10,2%. “Zudem wurde eine Zunahme von befristet beschäftigten Jugendlichen festgestellt”, heißt es vom SJR. 2008 seien 84,3% der 24-Jährigen unbefristet beschäftigt gewesen, 2017 nur noch 67%.

Darüber hinaus erinnert der SJR, dass “auch den Jugendlichen selbst die Zukunft in der Arbeitswelt Sorgen” bereite. Laut Jugendstudie des ASTAT wünschen sich 42,9% der Jugendlichen, dass sich das Land mehr im Bereich “Arbeit” einsetze – woraus sich, immer laut ASTAT-Jugendstudie “ein steigendes Interesse, wenn nicht gar Besorgnis für den Arbeitsmarkt herauslesen” lasse, so der SJR. Auch stehe der Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz bei den Jugendlichen an dritter Stelle: Gefragt nach ihren Zielen, gaben 69,3% an, sich einen “sicheren Arbeitsplatz” zu wünschen.

Welche Lehren zieht man beim Jugendring aus diesen Daten? Dass nicht nur die Politik, sondern auch die Arbeitgeber-Seite in allen Sektoren gefordert sei. “So sollte unter anderem der Generationenvertrag tatsächlich umgesetzt werden”, fordert Tanja Rainer, Leiterin des SJR-Arbeitskreises “Arbeit und Bildung”. “Damit könnten Personen, die kurz vor der Versetzung in den Ruhestand stehen, die eigene Arbeitszeit reduzieren – ohne negative Auswirkungen auf deren Rente – und gleichzeitig junge Menschen unbefristet aufgenommen werden.” Rainer erinnert: “Eine Maßnahme, die in anderen Regionen bereits umgesetzt wurde.”
Weiters erhofft sie sich, dass eine jugendgerechte Online-Arbeitsbörse geschaffen wird. “Es braucht eine zentrale Online-Plattform, die jungen Menschen jugendgerecht Informationen zu Stellenangeboten und rechtliche Informationen zum Thema Arbeit bietet”, drängt Rainer.

Der SJR appelliert daher an Politik und Arbeitgeber, “sich tatsächlich dafür einzusetzen, dass auch junge Menschen auf ein sicheres Arbeitsverhältnis zurückgreifen können”. Dazu die SJR-Vorsitzende Martina De Zordo: “Es darf nicht übersehen werden, mit welchen Nachteilen prekäre Arbeitsverhältnisse für (junge) Menschen verbunden sind: Schwacher sozialer Schutz, nicht vorhandene Stabilität und ein niedriges Einkommen. In der Regel müssen die Betroffenen flexibler sein, wofür sie aber nicht belohnt, sondern benachteiligt werden.”

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Sepp.Bacher Lun, 03/19/2018 - 14:41

Ich glaube, die Jugendarbeitslosigkeit muss man differenzierter sehen. Unterscheidet die Studie bzw. der SJR nicht zwischen den Sprachgruppen? Ich vermute, dass das Problem mehr bei den jungen Italienern besteht und noch viel mehr bei der zweiten Generation der Einwanderer-Familien und den jungen Einwanderern mit Bleiberecht. So undifferenziert, alle über ein Kamm geschoren, kann das Problem nicht gelöst werden.
M.E. ist bei den jungen Italiener einerseits das Problem der mangelnden Deutschkenntnisse (Wort und Schrift) und der mangelnden Bereitschaft, die Sprachkenntnisse, die man in vielen Kindergarten- und Schuljahren erworben hat, anzuwenden. Andererseits vermute ich das Problem der mangelnden Flexibilität: im Gastgewerbe z. B. und anderen Wirtschaftsbereichen gibt es eine Menge, z. T. auch interessanter Lehr- und Arbeits-Stellen. Aber solange die Eltern bezahlen und man mit denen der Meinung ist, die Öffentliche Hand soll es richten, ist nichts anderes zu erwarten“
Noch einmal ein besonderes Problem ist jener der in erster oder zweiter Generation zugewanderten. Da müssen wir aufpassen wir aufpassen, dass bei uns nicht Ähnliches passiert, wie z. B. in Frankreich, Belgien und Deutschland. Ich würde dort u. A. ein Aktionsfeld der Jugendverbände sehen!
Ich wundere mich auch über folgende Formulierung „Weiters erhofft sie sich, dass eine jugendgerechte Online-Arbeitsbörse geschaffen wird. “Es braucht eine zentrale Online-Plattform, die jungen Menschen jugendgerecht Informationen zu Stellenangeboten und rechtliche Informationen zum Thema Arbeit bietet”, drängt Rainer.“ Ja was muss denn noch alles Jugend gerecht sein? Und wie würde eine solche “ jugendgerechten Online-Arbeitsbörse“ aussehen. Arbeitswelt verlangt Realitätsbezogeheit und „Erwachsen werden“ bzw. „Erwachsen sein“!

Lun, 03/19/2018 - 14:41 Collegamento permanente
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Paul Stubenruss Lun, 03/19/2018 - 15:10

Oder brauchen wir ein neues Gesellschaftsmodell? Die alten Ägypter haben überhaupt nicht gearbeitet. Die gesamten Prachtbauten sind entstanden, weil das Volk einer Lüge, einer Religionslüge, aufgesessen ist. Auch so oder ähnlich sind in Europa die Kathedralen entstanden. Brauchen wir eine neue Lüge?

Lun, 03/19/2018 - 15:10 Collegamento permanente
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Hermann Rochholz Mar, 03/27/2018 - 18:35

Das hat wahrscheinlich andere Gründe als jetzt die "Zuwanderung".
Top-Firmen in ST (Das sind viele Kleinen) suchen händeringend nach Fachpersonal - also bspw nach gut ausgebildeten Metallern, die zusätzlich CNC-Maschinen programmieren können.

So etwas gibt's nicht mehr- ein Freund sperrt in D deshalb seine Firma zu.
Die guten gehen studieren und der Rest- naja - kann das Handy streicheln.
500 Euro für ein Iphone ist selbst bei finanziell schwachen Familien immer da,
für 1,50 für ein Geodreieck NICHT. "Braucht man nicht."

Bitte nicht beschweren- ich selbst sah schon einen Ingenieur, der 30 und 41 mit dem Taschenrechner addierte.
Er kam vom PoLiMi. Für den Mittelstand braucht es Leute mit Hirn und systematischer, geübter denkweise.
Diese können die Abgänger von heute einfach nicht mehr brauchen.
Mit 23 ist die Gehirnentwicklung dann abgeschlossen- und dann ist fertig.
Ist alles wissenschaftlich belegt. Will nur keiner wissen.

Mar, 03/27/2018 - 18:35 Collegamento permanente