Cultura | Musik

„Es ist chaotisch“

Franz Hautzingers „Regenorchester XII“ performte in der Location "Im Kult" in Marling. Erlebenswert!
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Foto: Tiberio Sorvillo

Da wäre zuallererst Hautzingers Hemd. Es ist weiß, als er den schon vor Konzertbeginn sehr warmen und stickigen Raum betritt. Nach wenigen Trompetentönen bilden sich erste kleine rosa Flecken. Die äußerst körperliche Performance zeichnet ihre Spuren und zu Hälfte des Konzerts ist des Musikers Gewand komplett schweißdurchtränkt. Nur die Hemdskragen überstehen im weißen Leuchten bis gegen Ende, dann durchzieht auch sie salzig feuchte Körperfarbe. Wie Luc Ex die wilde Beackerung seines Basses eine Stunde lang in der Cordhose aushält, bleibt ein Rätsel.

Fünf Männer besetzen die wenig verbliebene Luft des Raumes mit den Klängen ihres wahrhaft spielerischen Spiels.

Eine physische Erfahrung auch für das Publikum. Die Frauen in den ersten Stuhlreihen wehren sich zwischen fasziniertem Lachen und Unverständnis gegen den Lärm in ihren Ohren, allenthalben haben die hinteren Zuschauer ihre Ellenbogen im Sichtfeld. Doch der Lärm ist nicht Zweck, im Gegenteil, er verschleiert nur ein wenig die vielen Ansätze von zarten Rhythmen, gehauchten Blechtönen, delikaten elektronischen Loops und dem Hüpfen der Plattenspielernadel. Hinter dem schweißtreibend maskulinen Aktionismus verbirgt sich fragile, fast kindliche Poesie.

Fünf Männer besetzen die wenig verbliebene Luft des Raumes mit den Klängen ihres wahrhaft spielerischen Spiels: Mit Kreissägeblättern kratzt Tony Buck über sein Schlagwerk und fast im selben Moment bringt er sie christbaumglöckchengleich zum Klingen. Luc Ex stellt den Bass auch mal auf den Kopf, während nebenan Otomo Yoshihide auf dem Turntable perkussioniert. Nur Christian Fennesz’ Eingriffe sind weniger sicht- und greifbar, weil digital. Sie schweben über oder unter dem Spiel wie ein erzählerischer Nebenstrang. Schaut man sich die Männer an, kann man durch ihre Körper, durch ihre Ohren und Bewegungen die Faszination sehen und erleben, die sie für jeden einzelnen Ton zu haben scheinen, den sie ihren Instrumenten und Geräten abfordern. Sie posen nicht, selbst wenn sie ihre Saiteninstrumente am Dachbalken des Raumes reiben. Das ist mehr kindlich ungefilterte Begeisterung für die Welt der Geräusche als rockstarreferenzierte Show. Hautzingers Trompete schließlich bündelt die schiere Masse an Klängen und Energie und gibt ihr eine runde Form. Sein Hauchspiel führt zurück zu Ruhe und süßen Erinnerungen.
„Es ist chaotisch“ sagte er zu Beginn. Und meinte gewiss nicht die Musik.
Erlebenswert!