Cultura | Tourismus

Wellness und Heimatempfinden

Über Tourismus, Mobilität und Heimat
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Foto: Michael Demanega

Mobilität…

Mobilität ist die eine Schlagseite. Orte zu finden, an denen man es aushalten will, die andere. Mobilität entsteht eigentlich nur aus dem Mangel an Ort. Wird das, was das Herz begehrt, nicht vor Ort vorgefunden, entsteht der Drang zum Mobilsein. Das räumliche Mobilsein selbst ist also primär gar kein Qualitätsmerkmal für eine Region. Das Mobilsein-Können, also die Möglichkeit, seinen Ort zu wechseln, sehr wohl. Allerdings auch nur so lange, wie nicht alle die gleichen Ortswechsel im Schilde führen. Lebensqualität entsteht eigentlich eher durch die Abwesenheit von Mobilität und Verkehr in der direkten, wahrnehmbaren Umgebung.

Mobilität hat wie gesagt nicht nur mit Ortswechseln zu tun, sondern genauso und viel mehr noch mit dem Finden von Umgebungen, die vielleicht das verkörpern, was man „Heimat“ nennt. Heimat kann man natürlich überall finden. Heimat ist nicht nur die angestammte Heimat. Gemeint ist dabei Heimat als ein psychologisches Bedürfnis nach Behaglichkeit am Ort, das sich körperlich und geistig ausdrückt.

…und die Suche nach Behaglichkeit

Was wir suchen – und was unserer ureigensten menschlichen Natur entspricht – sind Räume, die Geborgenheit oder Behaglichkeit verkörpern. Behaglichkeit zeichnet sich unter anderem über die Faktoren Temperatur, Wärme, akustische Effekte, Lärm, Luftbeschaffenheit, Windgeschwindigkeit, aber auch Bewegung und (visuelle) Geschwindigkeit, Beschleunigungen, Schwingungen, Belichtung, Lichteinflüsse aus. Also über die optimale Existenz beziehungweise Abwesenheit dieser Faktoren.

Behaglichkeit finden wir zwar im Schutz vor den Gewalten der Natur und trotzdem ist unser Wohlbefinden in größtmöglicher Naturbelassenheit begründet - zweifelsfrei ein Widerspruch des Seins. Der Mensch ist nun einmal ein Naturwesen. Die Natur ist unser natürliches Habitat. In unserer heutigen, modernen Zeit wächst dieses Bewusstsein nach einem natürlichen Gleichgewicht ständig mehr. Das ist – wenn man so will – ein so genannter „Megatrend“:

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts macht ein neuer, schon in der Philosophie der Romantik wurzelnder Naturbegriff Karriere, der den Dualismus von Natur und Gesellschaft aufhebt und dessen Einheit betont, Koexistenz statt Aneignung und Kontrolle zur Maxime macht und im Megatrend Neo-Ökologie seinen praktischen Ausdruck findet.

(Gatterer, H. & Huber, T., 2012. Südtirol 2030 - Blick von außen. Bozen: Zukunftsinstitut Österreich.)

Tourismus und Behaglichkeit

Diese Trends entdeckt natürlich auch der Tourismus. Tourismus war doch immer schon die Suche nach Umgebungen, die es in unserer hochindustrialisierten und modernen Welt nicht mehr gibt. Aus dem Mangel entsteht ein Drang. Und der Tourismus deckt diesen Mangel ab. Darin liegt der Wellness-Boom begründet: Die Suche nach Behaglichkeit. Nach Ruhe. Nach Entspannung in einer hektischen Welt. Nach gesunden Umgebungen. Gesunden Lebensmitteln. Nach erfrischender und scheinbar reinen Luft. Nach ruhigen Landschaften. Authentischem Naturempfinden. Nach der Kraft der Natur. Wärme. Warmes Wasser. Seine heilende Wirkung haben bereits die Menschen der Antike, in Griechenland und Rom, angeblich bereits die Kelten, entdeckt.

Im Grunde geht es dabei um etwas Elementares: Um nichts weniger als die Vereinigung der Elemente. Sauberes Wasser, (saubere und frische) Luft, Feuer (in Form von Wärmetherapien und erhitztem Wasser), Erde (gesunde und regionale Lebensmittel, die Verbundenheit zur eigenen Umgebung). Zur physischen Wärme gehört dann vielleicht auch die seelische Wärme dazu. Die Gewissheit, sich in den natürlichen und zyklischen Lauf der Dinge einzuordnen. In das, was vor uns da war und auch ohne uns noch da ist. Den besonderen Geist (Genius loci) eines Ortes wahrnehmen. Archaische und mystische Sinneserfahrungen erleben. Alte Gemäuer. Alte Bauweisen. Alte Landschaften. Geschichte und Geschichten. Und trotzdem modernen Komfort erleben. Denkt man den Trend, der heute anhält, zu Ende, dann wird es in der Fülle des Angebotes wohl einen Drang zu jenen Destinationen geben, die diesen Trend authentischer verkörpern können als alle anderen. Die neben dem körperlichen Wohl vielleicht auch das seelische Wohl in den Mittelpunkt zu stellen vermögen und die das Bedürfnis nach dem Mystischen, dem Archaischen abdecken.

Wie bereits an anderer Stelle festgehalten:

Die Welt ist entdeckt, die mehrheitlich reizübersättigten westeuropäischen, älteren Kunden haben alles schon erlebt. Das Aufrüsten mit ständig neuen Attraktionen und zusätzlichen Stimulationen wirkt vor diesem Hintergrund kontraproduktiv. Der Trend geht deshalb vom Adrenalin-Kick zum Endorphin-Kick. Statt Rausch und Ekstase werden meditative Ruhe und spirituelle Erlebnisse gesucht.

(Bosshart, D. & Frick K., 2006. Die Zukunft des Ferienreisens. Zürich: Gottlieb Duttweiler Institut.)

Welche Strukturen und welche Infrastrukturen?

Dieses Lebensgefühl hat zweifeklsfrei mit dem biologischen Fußabdruck zu tun. Die Landschaften und Umgebungen, die wir suchen, bleiben nur das, was sie versprechen, wenn unser biologischer Fußabdruck möglichst verschwindend klein bleibt. In diesem Zusammenhang muss es schlussendlich auch darum gehen, möglichst nachhaltig und "grün" anzureisen und auch wieder abzureisen. Mobil sein ist gut und recht. Aber wenn alle gleichzeitig mobil sein wollen, dann ist damit niemand zufrieden gestellt. Es gilt folglich die schädlichen Auswirkungen der Mobilität auf ein Mindestmaß einzuschränken. Der Trend geht weg vom Privat-PKW, den man ohnehin nur einen Bruchteil der Zeit nutzt und der die meiste Zeit ziemlich sinnlos im Raum herumstellt. Hin zu gemeinschaftlich genutzten Mobilitätsangeboten. „Car sharing“ ist so ein Stichwort. Vielleicht auch geht die Tendenz auch so weit, dass bestimmte Umgebungen nur mit bestimmten Antriebsarten befahren werden dürfen. Im besten Fall: Dass man sie nur mit bestimmten Antriebsarten befahren will.

Nachhaltig anreisen und abreisen - und sich dazwischen nachhaltig niederlassen. Letztlich ist es mit der Mobilität alleine eben auch nicht getan. Mobilität ist wie gesagt die eine Seite, Heimat finden die andere. Beim Heimat finden geht es neben den Behaglichkeitsfaktoren um Strukturen, die möglichst naturnah, ressourcenschonend und effizient (gebaut) sind. Dieser Nachfragetrend zeichnet sich heute bereits sehr stark ab und er wird künftig wohl noch viel stärker wahrgenommen werden. Da stehen dann Fragen im Raum wie: Welche Baumaterialien werden verarbeitet – wie künstlich oder natürlich sind sie? Ganz speziell in Sachen Wellness: Welche Energieformen kommen zum Einsatz? Inwiefern sind diese erneuernd und sauber und auch noch effizient? Gelingt es, überschüssige Energie zwischenzuspeichern? Die Zwischenspeicherung von Energie, ob in Batterien (selbst in Batterien elektrogetriebener Fahrzeuge, womit der Konnex zur Mobilität wieder da wäre), aber auch in Wasserstofftanks gewinnt an Bedeutung.

Letztlich die Frage, wie sind und werden diese Strukturen und Infrastrukturen in die Natur eingebunden, was schauen sich Betreiber, Architekten und Ingenieure von der Natur ab (Stichwort Baubionik), inwiefern entsprechen Strukturen und Infrastrukturen den natürlichen Bedürfnissen des Menschen. Es ist denkbar, dass Konsumenten künftig stärker ein Gesamtkonzept verlangen und es nicht mehr bei der netten Fassade eines Ortes belassen werden wollen. Dass man nach Tiefe strebt. Und dass jene die Gewinner sein werden, die dieses Gleichgewicht möglichst stimmig anbieten. Und dabei vielleicht noch einen Schritt weiter gehen, als alle anderen.