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Inspektor, gibt´s kan!

„Kottan ermittelt“ ist ein wunderbar schräges Stück. Kurzweilig, unterhaltsam und fulminant inszeniert. Vor allem aber ist es große Werbung fürs Theater.
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Foto: Rita Newman
Das Ganze beginnt mit einem schwerwiegenden Missverständnis.
Kottan ermittelt - Das Puppenmusical von Jan und Tibor Zenker“, steht auf dem Plakat zu lesen. Unweigerlich schleicht sich umgehend die Erinnerung an das Marionettentheater in Kindheitstagen ein. Langweilig, nervtötend und der Plot meistens an den Fäden herbeigezogen. Ojemine.
Die Vereinigten Bühnen Bozen (VBB) tun sich Schlechtes damit. Denn es ist ein veritabler Ettiketenschwindel. Was an diesem Abend im Studiotheater am Verdiplatz geboten wird, ist das völlige Gegenteil davon. „Kottan ermittelt“, ist ein fulminantes Theaterstück, das alles hat, um zum ganz großen Kassenschlager zu werden. Beeindruckende Darsteller, gute und schräge Musik, ein Regiebuch, das jedem „Landkrimi“ gut tun würde. Vor allem aber mehrere 16er-Blech Ottakringer Schmäh.
Das Stück, eine Co-Produktion der VBB mit dem Rabenhof Theater Wien ist kein Bildungsstück, dafür aber 90 Minuten lang, ganz große Werbung fürs Theater.
 
Der Wiener Polizeimajor Adolf Kottan ist Kult. Über die TV-Krimireihe „Kottan ermittelt“ von Helmut Zenker und Peter Patzak, die zwischen 1976 und 1983 in 19 Folgen ausgestrahlt wurde, ist längst alles gesagt und geschrieben. Die beiden Zenker-Söhne Jan und Tibor haben jetzt für Folge 17 eine Theaterfassung geschrieben. Oder besser gesagt eine Musicalfassung. Das Stück, das am 17. November 2016 am Rabenhof in Wien seine Uraufführung feierte, ist dem großen Vorbild durchaus ebenbürtig. Das zeigten die Lacher, der Applaus und die Begeisterung des Bozner Premierenpublikums.
 
Christian Dolezal ist ein genialer Kottan. Es ist keine leichte Aufgabe in die Paraderolle des Lukas Resetarits zu schlüpfen. Aber Dolezal meistert das bravourös. Er lehnt sich dabei bewusst an sein großes Fernsehvorbild an, ohne jemals eine schlechte Kopie zu werden. Dolezals spielt den Simmeringer Clint Eastwood genauso überzeugend, wie den von Weltschmerz gebeutelten Wiener Loser.
Links auf der Bühne bearbeitet der Norwegische Musiker und Komponist Kyrre Kvam seine Keyboards und Loops. Kvam lässt dabei den Kitsch herausrinnen, dass es eine Freude ist. Sein Soundtrack zwischen Clayderman und Madonna und seine stimmlichen Eskapaden würden selbst dem Originalfilm gut tun.
Ganz hinten dirigiert die unnachahmliche Chris Lohner den Railjet vom Wiener Hauptbahnhof über Innsbruck nach Bozen. Wie gewohnt von der Mattscheibe aus. 
 
 
Das Stück auf eine andere Ebene heben aber zwei Protagonisten: Manuela Linshalm und Nikolaus Habjan. Sie geben zusammen mit ihren Puppen an diesem Abend gleichzeitig neun verschiedene Rollen.
Manuela Linshalms Darstellung des grausig, versifften Wiener Vizebürgermeisters tut fast schon weh. Schramml auf LSD ist einer der Höhepunkte des Abends. Besser kann man das kaum mehr spielen.
Nikolaus Habjan wechselt die Rollen im Minutentakt. Seine sprachliche Bandbreite vom Tiroler Dialekt über das Sächsische bis hin zum gebrochenen Russland-Deutsch lässt einem dem Mund offenstehen. Überdeckt wird das alles aber von einer schauspielerischen Leistung der Extraklasse. Der Träger des renommierten Nestroy-Preises gehört derzeit zu den gefragtesten Schauspielern im süddeutschen Raum. Wer ihn in der Rolle des Polizeipräsidenten Herbert Pilch gesehen hat, versteht warum. Der Mann hat das Publikum nicht nur an diesem Abend in Bozen in der Hand.
 
 
Regisseur Thomas Gratzer hat viel riskiert. Einen so populären Stoff ins Theater zu bringen, ist fast so wie russisches Roulette. Der Leiter des Rabenhof Theaters hat dabei aber alles richtig gemacht. Er hat eine Inszenierung auf die Bretter gezaubert, die kurzweilig, unterhaltsam und so authentisch ist wie die Damen am Gürtel. Eine wunderbare Melange aus Wiener Schmäh und surrealen Szenen.
Der Rückgriff auf die Puppen verleiht dem Lustspiel gleichzeitig aber einen unerwarteten Tiefgang. Die Figuren werden unweigerlich auf eine andere schizophrene Ebene gehoben. Einzige Suppe im Haar (wie Präsident Pilch zu sagen pflegt): Nach der Pause fällt das Stück im Vergleich zur ersten Hälfte etwas ab.
Erst am Ende des Abends, beim Schlussapplaus wird einem bewusst, dass hier nur drei Schauspieler und ein Musiker das ganze Stück bestritten haben. Dabei hat man vorher ein Dutzend überzeugende Figuren auf der Bühne gesehen.
Allein dass der Zuschauer das vergisst, zeigt, wie gelungen diese Inszenierung ist.
 
 
Kottan ermittelt. Das Puppen-Musical. Stadttheater Bozen. Aufführungen Studiotheater (Stadttheater Bozen) Freitag, 20. Jänner und Samstag, 21.Jänner um 20 Uhr und Sonntag 22. Jänner um 18 Uhr. Karten noch vorhanden.