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A Team für gesellschaftliche Innovation

Mit dem Dokutainment-Format „A Team für Österreich“ beschreitet der ORF nicht nur neue Wege in der Programmgestaltung, sondern beschwört einen neuen Gemeinschaftssinn.
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Foto: Bildquelle: ORF

Spätnachts dreht ein Kleinbus im Zentrum von Klagenfurt seine Runden. Es ist halb drei Uhr morgens, die Kärntner Landeshauptstadt ist leer, nur das Knarren des Fahrzeugs ist zu hören. Der Kleinbus hält, Schiebetüren öffnen sich und eine Gruppe junger Menschen steigt aus. Bewaffnet mit einer handelsüblichen Heimwerkerleiter und einen Pack Aufklebern schwirren sie wie die Bienen aus und machen sich – kichernd – auf den Weg.

Das Wort Innovation wird heutzutage, und gerade im Rahmen der Pandemie, fast schon inflationär gebraucht. Parallel zu Resilienz hat es sich zu einem Schlagwort, bisweilen zu einem Mantra entwickelt, um den Notstand so gut wie möglich zu überstehen und vielleicht sogar einen Nutzen aus dem ganzen Schlamassel zu ziehen. Doch haben sich diese beiden Begriffe vorwiegend Unternehmen zu eigen gemacht. Immer wieder entstehen im Gleichschritt mit neuen Einschränkungen und Regeln innovative Produkte, die nicht nur versprechen, unser Leben maßgeblich zu verändern, sondern das unserer ganzen Gesellschaft. Innovation passiert auf den Schreibtischen von CEOs, Flowcharts von Produktmanagern und Werkstätten von Tech-Unternehmen.

 

Innovation geschieht nicht nur am Schreibtisch

 

Doch was ist Innovation? In einem Satz lässt es sich wie folgend zusammenfassen: Innovation bedeutet, Neues mit bestehenden Werten zu vereinen. Der Ansatz dabei: der Mensch im Zentrum.

Folgt man dieser humanistisch angehauchten Definition, lässt sich der Begriff Innovation auch in einem anderen Bereich anwenden. Wir sprechen in diesem Sinne von Innovation, die man im ersten Moment gar nicht als solche zu identifizieren vermag, die aber so naheliegt, dass man sie in diesem ganzen Wirrwarr technologischer Gimmicks gerne übersieht. Wir sprechen von gesellschaftlicher Innovation – und genau dieser haben sich unsere Bienen verschrieben.

Die jungen Leute, die bis zu den Haarspitzen motiviert durch das Zentrum von Klagenfurt jagen, haben nämlich eine klar definierte Mission: Österreich zu einem besseren Ort zu machen. Sie sind Teil von „A Team für Österreich“, einem neuen Sendeformat des ORF, des österreichischen öffentlichen Rundfunks. Das achtköpfige Team rund um Austria’s Next Topmodel und Schauspielerin Larissa Marolt will durch Aktionen in bester Guerillamarketing-Manier die österreichische Gesellschaft wachrütteln und sie für Themen sensibilisieren, die zwar durchaus im öffentlichen Diskurs präsent sind, aber nichtsdestotrotz im Alltag der meisten Menschen bloß eine Statistenrolle spielen.

 

A-Team für Österreich vom 13.01.2021, ORF 1 (Channel: Admin von Larissa Marolt FA)

 

Für Stammzellenspenden…aber bitte keine unadressierte Werbung

 

Themen wie das Spenden von Stammzellen, Hass im Netz oder Lebensmittelverschwendung, um nur einige wenige aufzuzählen. Aber auch harmloser anmutende Schwerpunkte wie Papierverschwendung bei unadressierter Werbung oder mehr Freundlichkeit in der Öffentlichkeit. „Wir haben im Zuge der Planung für die Sendung einen Katalog kleiner Dinge erstellt, die man mit vergleichsweise wenig Aufwand ändern könnte, mit denen aber dennoch vielen Menschen geholfen wäre“, erklärt Mathias Haas, Creative Producer und aktives Mitglied des A Teams.

Um diese kleinen Dinge ohne mahnendes Fingererheben und Moralpredigten an die Frau und den Mann zu bringen, hat man sich für die verschiedenen Kampagnen Aktionen überlegt, die mit wenig Aufwand möglichst viele Menschen erreichen. Zum Beispiel kommt hier der zuvor erwähnte Kleinbus wieder ins Spiel.

Denn Leiter und Aufkleber dienen dazu, den Menschen von Klagenfurt und ganz Österreich das Spenden von Stammzellen näherzubringen. Überall im Stadtzentrum werden Straßenschilder mit „Stammzellenstraße“-Aufkleber überklebt, der „Dorf Stadl“ wird im Nullkommanix zum „Stammzellen Stadl“ umgetauft. Überdimensionale Wattestäbchen, die in normaler Ausführung für den Abstrich im Mund verwendet werden, zieren den Lindwurmbrunnen oder werden der Wörtherseemandl-Statue in der Fußgängerzone in die Hand gelegt. Am nächsten Tag kommen die Menschen nicht umhin, die subtilen Botschaften zu bemerken.

 

 

2 Minuten, 2 Mal die Welt verbessert

 

Stammzellen können bei der Heilung von Leukämie eingesetzt werden und retten jedes Jahr unzählige Leben. Jedoch, so erklärt uns Mathias, fallen in den nächsten zehn Jahren 40 % der Spender altersbedingt aus der weltweiten Stammzellendatenbank raus. Daher die Aktion. Und siehe da: „Während der Sendung sind die Server von ‚Geben für Leben‘, der Organisation, bei der die Abstriche zur Typisierung für die Datenbank abgegeben werden können, heiß gelaufen und waren teilweise überlastet“, erzählt Mathias, der sich wohl selbst noch nie so an überlasteten Servern erfreut hat wie am Telefon.

Dabei erleben die Mitglieder des Teams nicht nur, wie andere Menschen sich plötzlich unmittelbar mit den Themen auseinandersetzen. Auch bei sich selbst bemerken sie einen Wandel im eigenen Denken und Handeln, sie bemerken, wie leicht es ist, etwas zu bewegen. Man muss sich nur die nächste Tabaktrafik suchen und dort ein Pickerl mit der Aufschrift „Bitte kein unadressiertes Werbematerial“ besorgen. „Bei einem Wettbewerb zweier Gemeinden konnten beide so innerhalb von zwei Wochen den Müll von jeweils zwei vollen Sammelcontainern auf jeweils eine Schubkarre reduzieren.“ Mathias und seine Kollegen haben nicht lange gezögert und sich den Aufkleber für den eigenen Postkasten besorgt.  

Auch für die Stammzellendatenbank gibt das Team die eigene DNA ab. Aufwand? Insgesamt höchstens zwei Minuten. Ergebnis? Im Kleinen weitreichender, als man glaubt.

Die Sendung spricht nicht nur den Einzelnen oder eine konzentrierte Gruppe an. Sie appelliert an die ganze Gesellschaft. Sie ruft dazu auf, als Kollektiv zu handeln und zu wirken. Sie beschwört unterschwellig das Miteinander, ohne zu politisieren oder eine Ideologie in den Vordergrund zu stellen. Es gibt hier kein liberal oder konservativ, kein rechts oder links. Die Message geht hinaus an alle.

 

Call-to-Action fürs Kollektiv

 

Jeder Eintrag in die Stammzellendatenbank, jeder Aufkleber gegen überflüssige Werbung, aber auch jedes Lächeln auf der Straße bringt unsere Gesellschaft einen winzigen Schritt voran und stärkt das, was der Name der Sendung impliziert: ein grundsolides Wir-Gefühl, das uns alle weiterbringt.

Der ORF treibt mit diesem äußerst ungewohnten TV-Format, das man so eher auf einem YouTube-Channel erwartet, regelrecht gesellschaftliche Innovation an, indem dazu aufgerufen wird, mit kleinen Taten die eigene Lethargie im Umsetzen gesellschaftsrelevanter Initiativen zum Wohle der Gemeinschaft zu überwinden und unterm Strich unser Zusammenleben fördern. Es ist, um in der Marketingsprache zu bleiben, der ultimative Call-to-Action an die breite Masse, um – wenn auch vorerst wiederum im Kleinen – unsere Gesellschaft auf ein neues Level des Zusammenlebens zu hieven. Und das gilt nicht nur für Österreich.

 

Die nächste Folge von "A Team für Österreich" wird heute, 20. Jänner 2021, um 21:05 Uhr auf ORF 1 ausgestrahlt