Cultura | Salto Afternoon

Bank im Hinterkopf

Die Künstlerin Maria Walcher stellt Arbeiten am Sitz der Raiffeisenkasse in Brixen aus. Die Ausstellung hat genügend Stoff und Zündstoff. Salto hat nachgefragt.
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Foto: Foto: Alan Bianchi

salto.bz: Sie stellen in der Raiffeisenkasse in Brixen aus. Wie kritisch darf, kann oder will Ihre Kunst sich mit der Institution Bank auseinandersetzen?
Maria Walcher: Ich wurde von der Bank eingeladen, das gesamte Haus für die Ausstellung zu nutzen, mich darin auszubreiten, mit dem Wunsch, dass sich die Ausstellung in irgendeiner Hinsicht auf die Bank bezieht. Bei der Auswahl meiner Arbeiten und der Umsetzung wurde mir freie Hand gelassen. Mit der Bank im Hinterkopf habe ich ganz bewusst die gezeigten Arbeiten ausgewählt. So zum Beispiel die Arbeit Staklena Banka Collection, die die Frage stellt, ob es sich bei der Ruine einer Bank um einen utopischen oder dystopischen Ort handelt und welche Potentiale dieser Ort birgt in Bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Vor kurzem wurde Ihre Arbeit Trasite: Welcome vom Kunstankauf des Landes Südtirol angekauft. Wie war die Trennung?
Es wurden zwei Fotografien der Arbeit angekauft, ein Foto der Installation in der Ilm in Weimar und eines in der Spree in Berlin. Die Statuen bleiben noch bei mir und werden weiter auf Reise gehen, angesichts dessen, dass das Thema leider nicht an Aktualität verliert. Insofern kann ich nicht von Trennung sprechen, aber es freut mich, dass die Bilder in einem öffentlichen Gebäude gezeigt werden und hoffentlich die ein oder andere Betrachterin irritieren.

Die Installation Steig am Eingang der Bank ist noch in Ausarbeitung. In welche Richtung soll es noch gehen?
Die Richtung/Route können sich die Betrachter selbst überlegen, es handelt sich ja um eine Art Kletterwand. Die Griffe sind gerade in Produktion und werden demnächst installiert. Sie sind Fragmente einer 3D-Reliefkarte von Brixen und Umgebung und werden aus Brixner Quarzphyllit gefertigt. Das Vertraute, die Landkarte als Orientierungspunkt wird aufgelöst und fragmentiert. Zwischenräume und neue Sichtweisen entstehen, doch die Basis bleibt. So können die Griffe jeder für sich stehen oder durch Wege verbunden werden und im Verbund die Genossenschaft repräsentieren.

Aus dir wird noch was Großes werden

Beim Klettern macht sich jede Person einzeln auf den Weg und sucht ihre Route, jedoch braucht sie den Rückhalt und das Vertrauen in andere, die sie sichern. Es können neue Wege begangen, neue Perspektiven geschaffen und je nach Professionalität verschiedene Ziele erreicht werden. Die Arbeit ist im Auftrag der Bank für den Eingangsbereich entworfen worden und bezieht sich auf die Leitmotive der Bank.

In der Arbeit Fuge "textil"ualiseren sie Architektur. Wie sind sie vorgegangen und woher kommt die Passion für Stoffe?
In der Arbeit Fuge bin ich auf drei Gebäude in Bruneck eingegangen und habe deren Grundrisse und architektonischen Formen aufgegriffen, um diese in textile Elemente zu transformieren. Katharina Schwärzer hat in einer Performance die Fuge sowohl architektonisch als auch musikalisch behandelt und die Elemente hautnah an ihren Körper gebracht und so die 3. mit der 2. und 1. Haut verschmelzen lassen. Die Betrachterinnen sind ebenso eingeladen mit den Elementen zu experimentieren und so auf andere Art zu erforschen, was Architektur mit uns macht, bzw. wir mit der Architektur machen können. 

Architektonische Formen, Grundrisse, geografische Pläne ect. in textile Elemente zu transformieren interessiert mich schon seit längerem und taucht immer wieder in meinen Arbeiten auf. Das reizvolle daran ist das Spiel zwischen dem Massiven, meist nicht mehr Formbaren der Architektur und dem fallenden, anschmiegenden textilen Material. In ganz unterschiedlichen Formen und Herangehensweisen fließt das Textile immer wieder in meine Arbeit ein. Das liegt zum einen wohl daran, dass meine Mutter gelernte Schneiderin ist und ich als Kind viel neben ihr an der Nähmaschine saß und mit Stoffen hantierte und zum anderen an meinem Studium an der Angewandten in dem der textile Bereich und das experimentelle Arbeiten damit einen großen Teil ausgemacht hat. 

Du bist was ganz Besonderes

In der Arbeit Transhumanz verweben sie verschiedene Zugänge und Grenzgänge zu einer Decke. Es entsteht ein Sternenbild…
Die Arbeit „Transhumanz“ ist aus dem Projekt „querSCHNITT“ hervorgegangen, das sich um das Unterwegssein und den interkulturellen Austausch über das textile Medium dreht. So kreuzen sich auf der Decke die Routen der Transhumanz (die jahrhundertealten Wege der Schafe und anderer Tiere, die über Grenzen auf anderes Weideland gebracht werden) mit denen von Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen. Die Decke ist aus Schafwolle und mit einem Baumwollstoff gefüttert, der im Blaudruck bedruckt ist. Der Blaudruck ist ebenso eine Jahrhunderte alte Technik, die weltweit verbreitet ist.

Die Druckmuster wurden vielfach von Wanderhandwerkern weitergegeben und so von einem Kulturkreis in einen anderen übertragen. Das Muster auf dieser Decke ergibt sich aus den gängigsten Fluchtrouten von 2015 und erinnert an ein Sternenbild, das Orientierungspunkt, Hoffnungsträger und zukunftsweisend sein kann. Doch blauer Druck in anderem Sinn herrscht leider vielerorts.

Sehr verspielt mutet ein Teppich an, der am Boden liegt und zur Interaktion einlädt. Wie wichtig ist Interaktion in Ihrem künstlerischen Schaffen?
In meinen Arbeiten gibt es selten eine Aufforderung zur direkten Interaktion, jedoch versuche ich häufig, ein Setting zu schaffen, das einlädt sich darauf einzulassen, zu interagieren, zu experimentieren. Es ist nicht unbedingt notwendiger Teil der Arbeit, kann sich auch nur in der Vorstellung abspielen oder als Frage im Raum stehen.

Sie sind gegenwärtig auch Teil von Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm. An welchem Punkt befindet sich die Doku?
Elisa Nicoli und ihr Team haben mich im Projekt querSCHNITT an einigen Stationen begleitet und daraus ist eine sehr schöne Doku entstanden, die inzwischen fertiggestellt ist und demnächst im Fernsehen, sowie beim Filmfestival in Bozen gezeigt wird. Natürlich freut es mich, dass das Projekt in dieser Form noch weiter sichtbar bleibt.

Ich bin so stolz auf dich

„Aus dir wird noch was Großes werden“ ist der Titel der Ausstellung. Er entstammt einer Geschichte zu einem Gefängnisprojekt. Eigenartig, dass es nun in einer Bank zu sehen ist. Eine Einladung zum Bankraub?
Die Sätze „Aus dir wird noch was Großes werden“, „Du bist was ganz Besonderes“, „Ich bin so stolz auf dich“ habe ich 2016 in die Wände einer Zelle des alten Gefängnisses von Brixen eingraviert. Gleich wie einige von uns diese Sätze von klein auf mit auf den Weg bekommen haben, wurden sie auch den Gefängnismauern einverleibt. Diese Worte stehen im Raum und es bleibt offen, ob es sich hierbei um motivierende Komplimente handelt oder bedrückende Leistungserwartungen, aus denen man sich befreien möchte. Ein Bankraub könnte die Lösung sein – bloß: was mach ich mit einer Bank? Und vor allem: wo stell ich sie hin? Spaß beiseite, im Bezug auf die Bank können sie auch die Frage stellen, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll und was die Prioritäten sind.

Wie bringen Sie Familie und Kunstproduktion unter einen Hut? Und wie kann man sich einen solchen bei Maria Walcher vorstellen?
Diese Frage würde einem männlichen Kollegen wahrscheinlich nicht gestellt, aber ja: Mein Hut, der hat drei Löcher (oder auch mehr) und hätt er nicht ..., so wärs auch nicht ... Die Löcher lassen Luft nach oben und bieten Platz, noch mehr reinzupacken. Was alles möglich und machbar ist, ist ein offenes Experiment, das es auszuloten gilt und nicht immer einfach ist. Inzwischen werkle ich so vor mich hin, bleib dran und schau was geht.