Politica | Hintergrund

Grillo auf Südtirolerisch

Nach ihrem Überraschungserfolg bei den Parlamentswahlen macht sich die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) für die Landtagwahlen bereit. Ein Treffen mit Paul Köllensperger, dem deutschsprachigen Aushängeschild des regionalen Movimento.

Es gibt Momente, in denen Paul Köllensperger genau so spricht, wie es Unternehmer zu tun pflegen. Da redet er vom Wahnsinn der Wertschöpfungssteuer IRAP und der italienischen Bürokratie oder davon, dass es mit Südtirols Wohlstand vorbei sein werde, wenn die großen Betriebe des Landes erst einmal ihre Rechtssitze in unternehmerfreundlichere Staaten verlegen. Dann wechselt er übergangslos zur Forderung nach einem Grundeinkommen oder gesetzgebenden Referenden ohne Beteiligungsquorum – um ebenso wendig bei der Notwendigkeit einer radikalen Kürzung der Kosten der Politik zu landen.

Wer politische Haltungen gerne in Farben übersetzt, wird bei vielen Grillini eine gewagte Mischung erhalten. Ob Grün, Schwarz, Blau, Rot oder oranges Piratenflair: An Schnittmengen mit traditionellen und neuen politischen Lagern mangelt es nicht bei der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S). „Wir sind weder rechts noch links und lassen uns auch nicht einordnen“, sagt Paul Köllensperger.

Vor einigen Jahren hätte der Mitinhaber einer Bozner Beratungsagentur und Geschäftsführer mehrerer Unternehmen im Bereich Erneuerbare Energie dieses Statement wohl noch in der Ich-Form abgegeben. Dann entdeckte er den Blog von Beppe Grillo, erkannte sich in vielen von dem, was der M5S-Leader sagte, wieder. Vor drei Jahren wurde Köllensperger mit seiner Einschreibung in den Blog offizielles Mitglied der Bewegung. Bei den abgelaufenen Parlamentswahlen trat er schließlich als einziger deutschsprachiger Kandidat auf der regionalen Liste der Fünf-Sterne-Bewegung an. 

Vom Meetup ins Parlament: „Ohne Internet gäbe keinen Movimento 5 Stelle“

Auf etwas mehr als 255.000 Eingeschriebene bezifferte Grillo im vergangenen Dezember die Gesamtzahl der Mitglieder des 2009 gegründeten M5S. In den Jahren davor hatten sich seine Fans über das soziale Netzwerk Meetup und schließlich durch die Gründung von Bürgerlisten zum stetig wachsenden Freundeskreis „Amici di Beppe Grillo“ zusammengeschlossen. Auf gemeinsame Protestaktion wie den V-Day (Vaffanculo-Day), bei dem 2007 336.000 Unterschriften für ein Volksbegehren zur Mandatsentziehung für vorbestrafte Parlamentarier gesammelt wurden und erste Erfolge bei Regional- und Kommunalwahlen folgte schließlich die Gründung der nationalen Bewegung. Die ist nun mit 163 Sitzen in den beiden römischen Kammern vertreten.

Bis heute sind das Internet und der Blog des umstrittenen Ex-Komikers Grillo zentrales Vehikel sowie Anlauf- und Austauschstelle für die bunte Bewegung. „Ohne Internet gäbe es keinen Movimento 5 Stelle, da wäre man auf dem Niveau der Bürgerlisten geblieben“, sagt auch Paul Köllensperger. Hier hätten sich die Menschen gefunden, die heute Teil der Bewegung sind, hier seien die Programme geboren worden. Auch die Wahl Köllenspergers auf die regionale Kandidatenliste für die Parlamentswahlen erfolgte im Rahmen einer Online-Basiswahl, bei der alle jene Mitglieder wählen und gewählt werden konnten, die vor September 2011 in den Blog eingeschrieben waren.

Vor allem aber ermöglicht das Netz die Verbindung von Zentrum und Peripherie, von Big Beppe mit seiner Basis. Wie breit diese ist, zeigt sich in den You-Tube-Videos, mit denen sich die M5S-Kandidaten in den vergangenen Monaten ihren Wählern präsentierten. Wer verkörpert aber nun tatsächlich die Bewegung? Die sympathischen und vielfach etwas unbeholfenen Studenten, Arbeiter, Ingenieure, Hausfrauen, Lehrer oder Unternehmer oder ihr polemisierender und wortgewaltiger Chef? „Grillo ist eine Art Garant, der kontrolliert, dass die Grundregeln des Projektes eingehalten werden und in einer Sprache nach außen kommuniziert wird“, lautet die Antwort Köllenspergers. Auf lokaler Ebene hätten die Mitglieder der Bewegung dagegen völlige Freiheit, den Kurs zu bestimmen.

Nächste Station: Landtag

Bislang beschränken sich die politischen Mandate der Grillini auf lokaler Ebene auf drei Gemeinderatssitze in Bozen und Leifers. Nach dem Überraschungserfolg von 8,3 Prozent in der Abgeordnetenkammer sowie den mehr als 15 Prozent von Spitzenkandidatin Maria Teresa Fortini im Senatskreis Bozen-Unterland rückt nun aber auch der Landtag in konkrete Nähe. Am Wahlprogramm wird bereits gearbeitet, wie die Kandidaten bestimmt werden, muss dagegen laut Köllensperger noch – basisdemokratisch – bestimmt werden.

Fest steht schon heute, dass zentrale nationale Themen wie die Kürzung der Politikkosten, Direkte Demokratie und Bürgernähe oder Nein zur Privatisierung von Wasserrechten ebenso eine Rolle spielen werden wie Herzensthemen der früheren Bozner und Leiferer Meetups à la Flughafen, Verbrennungsofen oder Verkehr. „Entscheidend verändern möchten wir auch das Machtverhältnis zwischen Land und Gemeinden sowie die Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe“, sagt Köllensperger.

Unterstützung im Kampf um Stimmen wird in den kommenden Monaten auch zunehmend aus dem deutschsprachigen Lager kommen. Nachdem die ersten Listen in Bozen und Leifers bis heute vorwiegend aus Italienern bestehen, gibt es mittlerweile Ortsgruppen in Meran, Sterzing, Bruneck oder Pfatten – und dort ist das sprachliche Verhältnis genau umgekehrt.

 „Prinzipiell spielt bei uns das ethnische Thema überhaupt keine Rolle“, so Köllensperger. Doch derzeit sei man auch in Bozen dabei, bewusst mehr deutschsprachige Menschen einzubeziehen. Und zwar nicht nur virtuell, sondern auch bei den Treffen, zu der die lokale Liste zwei Mal monatlich meist in der Bozner Bar Assenzio einlädt. 60 bis 70 Leute sind dort zuletzt laut Köllensperger zusammenkommen. „Wahrscheinlich werden wir uns langsam nach etwas Größerem umschauen müssen.“ Ob dies nur für das Lokal gilt, wird sich spätestens im Oktober zeigen.