Economia | Sanität

Empfindlicher Direktor

Marco Cappello ist für Korruptionsbekämpfung und Transparenz in der Südtiroler Sanität zuständig. Auf Kritik reagiert der ehemalige Verwaltungsdirektor mit Strafanzeige.
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Foto: Südtiroler Sanitätsbetrieb
Marco Cappello ist offiziell der Verantwortliche für Korruptionsvorbeugung und Transparenz im Südtiroler Sanitätsbetrieb.
Es ist derzeit ein undankbarer Job. Denn Südtirols Sanität wird seit Monaten von einem Korruptionsskandal erschüttert. Während die Betriebsspitze weder etwas geahnt, noch etwas gesehen hat, gibt es seit fast einem Jahr zwei verschiedene Ermittlungen und fast ein Dutzend Verhaftungen.
Die Staatsanwaltschaft Trient hat mit der Carabiniereinheit NOE und der dortigen Quästur eine Korruptionsermittlung laufen, die Mitte Februar zu sieben Verhaftungen in ganz Italien geführt hat. Drei davon in Südtirol. Es sind Angestellte der Südtiroler Sanitätsbetriebe. Verhaftet und gleichzeitig in den Hausarrest überstellt wurden ein technischer Leiter des Krankenhauses Meran, ein leitender Angestellter der Meraner Krankenhaus-Apotheke und ein Techniker des Bozner Krankenhauses.
An diesem Montag dann der nächste Schlag: Die Finanzpolizei hat auf Anordnung der Bozner Staatsanwaltschaft Marco Facchini, den amtsführenden Leiter, der für die Vergabe der Bauarbeiten am Bozner Krankenhaus zuständig war, wegen Korruption verhaftet und in den Hausarrest überstellt. Wie ein von den Ermittlern aufgezeichnetes und von salto.bz veröffentlichtes Video zeigt, sind die Beweise gegen Facchini überwältigend. Insgesamt wird gegen elf Personen wegen Bestechung, Wettbewerbsverzerrung und Betrug ermittelt. Darunter sechs Südtiroler Unternehmer.
 

Diskrete Spitze

 
Marco Cappello kennt sich mit dem Gesetz aus. Der 56jährige Bozner Jurist hat fast sein gesamtes berufliches Leben als Anwalt in der öffentlichen Verwaltung verbracht. 22 Jahre lang war der Anwalt für die Gemeinde Bozen in verschiedenen Führungspositionen tätig. Sechs Jahre lang als Leiter des Rechtsamtes der Stadt.
2010 wechselte Cappello dann zum Sanitätsbetrieb Südtirol. Rund sechs Jahre lang war der Jurist als Verwaltungsdirektor des Sanitätsbetriebes tätig. Ende 2016 legte er freiwillig das Amt nieder. Seitdem ist Marco Cappello Leiter der Abteilung „Recht und Allgemeine Angelegenheiten“ im Sanitätsbetrieb.
 
In dieser Funktion ist Cappello auch für den Bereich Antikorruption und Transparenz zuständig. Ende Jänner 2018 genehmigte der Sanitätsbetrieb den „Dreijahresplan zur Korruptionsprävention und Transparenz 2018-2020“, der eine Identifikation der Risikobereiche sowie flächendeckende Kontrollen vorsieht. Marco Cappello war bei der Ausarbeitung des Planes führend beteiligt.
Als Reaktion auf die ersten Verhaftungen im Februar präsentierte der Sanitätsbetrieb diesen Plan. Ganze 13 Fortbildungsveranstaltungen seien allein im Jahr 2017 in allen Gesundheitsbezirken zum Thema Korruptionsprävention, Transparenz und Integrität organisiert worden.
Die Verhaftungen kommentierte der Antikorruptionsbeauftragte am 19. Februar nur mit einem Satz. „Leider kann bei 10.000 Mitarbeitern trotzdem vorkommen, dass es zu Missbrauch kommt, jeder Mitarbeiter trägt eine persönliche Verantwortung“, so Cappello
Am Dienstag Nachmittag traten dann Generaldirektor Thomas Schael und Marco Cappello vor die Presse, um diese weitere Verhaftung zu kommentieren. Die Hauptbotschaft: Marco Facchini sei entlassen worden. Marco Cappello betonte, dass der Sanitätsbetrieb in den vergangenen Wochen eng mit den Ermittlern zusammengearbeitet habe und vor allem der Sanitätsbetrieb als Geschädigter an einer schnellen Klärung interessiert sei.
 

Die Strafanzeige

 
Dass Marco Cappello auch anders kann, zeigt ein Fall, der bisher nicht öffentlich bekannt ist.
Stefania Pulcini kann auf eine lange und kontroverse Geschichte in der Südtiroler Sanität zurückblicken. Die Akademikerin und Physiotherapeutin war lange Lehrbeauftragte an der Claudiana. Nach einem Streit mit der Führung wurde Pulcini aus der Landesschule für Gesundheitsberufe hinauskomplimentiert. Es laufen dazu mehrere Verfahren vor Gericht.
Pulcini, Angestellte des Dienstes für physische Rehabilitation Bozen, ist aber auch Vizepräsidentin des gesetzlich vorgesehenen „Einheitlichen Garantiekomitees für Chancengleichheit, die Aufwertung des Wohlbefindens der Bediensteten und gegen die Diskriminierungen“ (CUG) im Südtiroler Sanitätsbetrieb.
 
Stefania Pulcini postete auf ihrer privaten Facebook-Seite zum Jahreswechsel einen „Alto Adige“-Artikel mit dem Titel „Asl: tolleranza zero contro i disonesti“. In dem Artikel redet Marco Cappello über die Korruptionsvorbeugung im Sanitätsbetrieb.
Über den Artikel postete Pulcini wenige Sätze:
 
„Cappello, Verantwortlicher für die Antikorruption, war gestern doch noch der Verwaltungsdirektor des Sanitätsbetriebes, es scheint also, dass er heute die Entscheidungen kontrolliert, die er gestern gefällt hat. Das klingt doch etwas merkwürdig?“
 
Diese paar Zeilen der Kritik und die aufgeworfene Grundsatzfrage sind für den Transparenzverantwortlichen des Sanitätsbetriebes aber anscheinend zu viel.
Am 12. Februar ließ Marco Cappello über seinen Anwalt Francesco Coran Stefania Pulcini eine Abmahnung (diffida) zukommen. Das Posting, sowie ein Kommentar seien für seinen Mandaten diffamierend. Die Aufforderung: Innerhalb fünf Tagen muss alles gelöscht werden.
Stefania Pulcini tat das auch und entfernte den beanstandeten Text und die Kommentare.
Marco Cappello hat trotzdem Strafanzeige gegen Pulcini wegen Rufschädigung eingereicht. Das Verfahren befindet sich im Anfangsstadium.
Diese Vorgangsweise macht eines deutlich: Strafanzeigen in eigener Sache scheinen Marco Cappello mehr zu liegen als Pressekonferenzen.
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kurt duschek Mer, 03/21/2018 - 07:21

....es scheint also, dass er heute die Entscheidungen kontrolliert, die er gestern gefällt hat. Das klingt doch etwas merkwürdig?“ In meinen Augen ist diese in der Möglichkeitsform und mit Fragezeichen gehaltene Frage zulässig. Daraus eine Strafanzeige zu konstruieren ist meiner Meinung nach fragwürdig, das würde ja jede Kontrolle oder freie Meinungsäußerung im öffentlichen und privaten Leben unmöglich machen. Hoffentlich bekomme ich jetzt nicht eine Strafanzeige !!

Mer, 03/21/2018 - 07:21 Collegamento permanente