Economia | international player

Plötzlich mitten in der Krise

Wie managen international agierende Südtiroler Unternehmen die aktuelle Corona-Krise?
Zahnräder
Foto: Pixabay

Wie hart, wie weitreichend die Folgen sein werden, ist noch nicht abzusehen. Fest steht: Fast die gesamte Wirtschaft wird vom Coronavirus hart gebeutelt. Branchen- und länderübergreifend geraten Unternehmen zum Teil in massive Schwierigkeiten: verordnete Laden- und Betriebsschließungen, keine Kunden, unterbrochene Lieferketten, stornierte Aufträge, reduzierte Produktion. Dazu kommt die Sorge um die Gesundheit und den Arbeitsplatz der Mitarbeiter. Die italienische Regierung hat diese Woche ein Dekret erlassen, um den Schaden für Wirtschaft und Familien möglichst gering zu halten. Das Dekret “Cura Italia” sieht ein erstes Maßnahmenpaket in der Höhe von 25 Milliarden Euro vor. In Südtirol hat die Landesregierung ebenso zwei Pakete geschnürt, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Zum einen sind Sofortmaßnahmen in der Höhe von rund 80 Millionen Euro vorgesehen: Liquiditätsbeschaffung, Aufschiebung von Fälligkeiten und Zahlungen aus dem Rotationsfonds, schnellere Auszahlung von Landesförderungen. Zum anderen gibt es Sonderfinanzierungen – spezielle Förderungen für einzelne Sektoren je nachdem, wie sich die Situation entwickelt.

Und das ist weiterhin nicht absehbar. Entsprechend groß ist die Verunsicherung – zumal die Ausnahmesituation in Italien mit dem 3. April nicht enden wird und Staaten weltweit mit Einschränkungen auf die Corona-Krise reagieren. Es steht viel auf dem Spiel: Aufträge werden storniert; Produktionsketten können nicht wie gewohnt betrieben werden; womöglich müssen Mitarbeiter entlassen werden. Vor eine besonders große Herausforderung sind Unternehmen gestellt, die global agieren und vernetzt sind. Wie sieht das Krisenmanagement in internationalen Südtiroler Betrieben aus? salto.bz hat bei drei Großen nachgefragt.

 

Durst

 

Die Gruppe Durst – führender Hersteller von digitalen Produktionstechnologien – ist in Brixen beheimatet und führt Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern, den USA, Südamerika, Asien und Australien. Seit Montag (16. März) ist das Headquarter in Brixen geschlossen. “Wir haben glücklicherweise keine weiteren Infektions-Fälle und es geht uns allen den Umständen entsprechend gut”, schreibt Durst-CEO und Miteigentümer Christoph Gamper in einer dreisprachigen Mitteilung an Kunden, Partner und Mitarbeiter. Wo man könne, helfe man aktiv aus – “zum Beispiel mit Masken und Schutzanzüge für das Brixner Krankenhaus”, so Gamper. Die Niederlassungen seien mit den Einschränkungen, die in den jeweiligen Ländern gelten, operativ. Für Mitarbeiter, die sich im Unternehmen aufhalten müssen, seien “höchste Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden.

Präsident und Haupteigentürmer der Gruppe Durst – ebenso wie des Autozulieferers Alupress mit Sitzen in Brixen, Deutschland und den USA – ist Harald Oberrauch. Er ist für insgesamt fast 2.000 Mitarbeiter weltweit verantwortlich. Für einen Lagebericht, wie sich die Situation in seinen Unternehmen derzeit darstelle, hat Oberrauch keine Zeit. Auf Nachfrage von salto.bz bittet er am Freitag Vormittag um Verständnis: “Ich habe momentan andere Prioritäten.” Bis 27. März wird das Durst-Headquarter jedenfalls geschlossen bleiben. Bis dahin werde man die Situation beobachten, Szenarien ausarbeiten “und dann hoffentlich – unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben – und nur wenn wir die Sicherheit der Mitarbeiter und deren Angehörigen sicherstellen können, die Produktion wieder hochfahren”, kündigt CEO Gamper an.

 

HTI (Leitner, Prinoth, Demaclenko, Leitwind)

 

Rund 40 Kilometer nördlich von Brixen hat die Unternehmensgruppe HTI ihren Hauptsitz, zu der die Firmen Leitner, Prinoth, Demaclenko und Leitwind gehören. Geleitet wird die Gruppe von Anton Seeber als Vorstandsvorsitzendem. Als einer der weltweiten Marktführer in Sachen Aufstiegsanlagen und Wintersporttechnologien ist die HTI in einem Bereich aktiv, der von der Corona-Krise unmittelbar getroffen wurde: der Wintertourismus. Auf welche Folgen stellt man sich bei Leitner ein? Für Fragen steht Anton Seeber derzeit nicht zur Verfügung. Er koordiniert in erster Person die Lage in den weltweiten Niederlassungen. Aus der HTI-Kommunikationsabteilung heißt es: “Die aktuelle Situation rund um COVID-19 fordert unsere volle Aufmerksamkeit und wir sind als Industrieunternehmen darauf konzentriert, diese Herausforderung bestmöglich zu meistern, die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen und unserer sozialen Verantwortung gerecht zu werden.”

Seeber hat sich mit einer internen Kommunikation an alle 3.500 Mitarbeiter weltweit gewandt. Darin versichert er, sämtliche notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu haben – und sich für die Zukunft zu rüsten. Wörtlich schreibt der Unternehmenschef:

“Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeitige Situation rund um COVID-19 ist für jeden von uns mit massiven Einschränkungen und großen Herausforderungen verbunden. Aktuell häufen sich Meldungen über Betriebs- bzw. Produktionsschließungen von Industrieunternehmen in Italien, Österreich, Deutschland und Frankreich. Natürlich hat auch in unserer Unternehmensgruppe die Gesundheit der Mitarbeiter sowie die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft oberste Priorität. Deshalb wurde auch von Anfang an ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Eindämmung von COVID-19 innerhalb unserer Unternehmensgruppe geschnürt und dieses frühzeitig umgesetzt.
Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung als Industrieunternehmen bewusst und werden daher auch weiterhin alles daransetzen, die Produktionsbetriebe der Unternehmensgruppe unter Einhaltung aller notwendigen Vorsorgemaßnahmen und Sicherheitsbestimmungen aufrecht zu erhalten. Dies, damit wir gemeinsam als Gesellschaft jene Wertschöpfung schaffen, die es uns erlaubt, am Ende des Monats nicht nur Gehälter zu bezahlen, sondern auch Abgaben und Steuern, die unter anderem für die Erhaltung unseres Gesundheitssystems notwendig sind. Viele unserer Mitarbeiter, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Produktionstätigkeit stehen, wurden zwischenzeitlich, auch in Anbetracht der behördlichen Auflagen, erfolgreich auf Home-Office umgestellt und werden in den nächsten Wochen teilweise von zu Hause arbeiten. Wir haben Verständnis, wenn in der derzeitigen Situation besonders unsere Mitarbeiter in der Produktion verunsichert sind. Seien Sie aber versichert, dass wir uns nicht nur der sozialen Verantwortung des Unternehmens, sondern vor allem auch der Wichtigkeit des Einsatzes, den Sie alle leisten, bewusst sind. Deshalb orientieren sich alle getroffenen Entscheidungen an den aktuellsten Empfehlungen der staatlichen Gesundheitsbehörden und folgen die umgesetzten
Maßnahmenpakete in vollem Umfang nicht nur den derzeit gültigen gesetzlichen Bestimmungen, sondern auch den Hinweisen von Experten.
In meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Unternehmensgruppe erachte ich es als meine Pflicht, die Gesundheit unserer Mitarbeiter bestmöglich zu schützen, aber auch, uns auf die Herausforderungen von morgen einzustellen und uns auf die Zeit nach der COVID-19 Pandemie vorzubereiten, um den erfolgreichen Fortbestand unserer Unternehmensgruppe und die vielen
Arbeitsplätze weiterhin zu sichern.”

 

Markas

 

In der Landeshauptstadt hat Evelyn Kirchmaier derzeit alle Hände voll zu tun. Sie ist Miteigentümerin und Generaldirektorin von Markas. Europaweit beschäftigt der Dienstleistungsunternehmen knapp 10.000 Mitarbeiter in privaten und öffentlichen Einrichtungen, unter anderem in Mensen, im Reinigungssektor und für den Patiententransport. Mitarbeiter von Markas arbeiten auch in den Krankenhäusern von Bergamo und Lodi – jenen Regionen in der Lombardei, die Hotspots der Coronavirus-Pandemie in Italien sind.

Auf Anfrage von salto.bz für ein Interview lässt auch Kirchmaier am Freitag ausrichten: Jetzt nicht. Aus der Kommunikationsabteilung heißt es: “Im Moment konzentrieren sich alle unsere Bemühungen auf das schwierige Management des Personals unserer Auftraggeber im Krankenhaus- und Sozialpflege-Bereich in ganz Italien, die zusammen mit dem Gesundheitspersonal einem beispiellosen Notfall ausgesetzt sind. Wir haben bereits andere Anfragen der nationalen und lokalen Presse abgelehnt, da es uns im Moment nicht feinfühlig erscheint, die Situation von unserem Büro hier in Bozen aus zu kommentieren, wenn uns täglich Nachrichten über die schwierige Situation unserer Mitarbeiter erreichen. Wir bitten Sie höflich, das Interview auf einen ruhigeren Moment zu verschieben. Wir geben Ihnen gerne einen Überblick über die in dieser schwierigen Phase ergriffenen Maßnahmen – in der Hoffnung, dass dies so bald wie möglich geschieht.”