Società | Bewusster Konsum

Die Welt im Sinn, den Boden in der Hand

Märkte sind ein zentraler Bestandteil nachhaltiger Landwirtschaft. Die Bürger-Genossenschaft Obervinschgau setzt sich für das Wiederaufleben von Lebensmittelmärkten ein.
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Foto: da bürgeregenossenschaft obervinschgau

Gäbe es noch Marktschreier, sie würden sich schwerlich Gehör verschaffen können. Heute gibt die Werbung den Ton dabei an, wo KundInnen ihre Einkaufskörbe füllen. Meistens ziehen KundInnen ihr Bund Karotten aus dem Supermarktregal, statt vom Marktstand. Wochenmärkte finden aber noch immer statt. So wie der 1642 gegründete Georgimorkt in Mals. Noch weniger als vom Marktstand, ziehen Kunden ihre Rüben selbst aus der Erde, in der sie gewachsen sind. Sondern aus einer roten oder blauen Plastikkiste, an der ein Preisschild klebt. Da mag der Marktschreier noch so eloquent gewesen sein, die Werbung noch so bunt, das letzte Wort in der Kaufentscheidung hat das aufgeklebte Preisschild.

 

„Lebensmittel im Supermarkt erzählen eine Geschichte. Aber diese Geschichte verstehen wir nicht“, Elisabeth Prugger

Ob die Rübe mit diesem oder jenem Preisschild geschmückt werden sollte, werden wir vom Gemüse selbst nicht erfahren. „Lebensmittel im Supermarkt erzählen eine Geschichte. Aber diese Geschichte verstehen wir nicht“, sagt Elisabeth Prugger von der Bürgergenossenschaft Obervinschgau (BGO). Mehr darüber, wo die Rüben und Eier herkommen, die in die Tasche wandern, und was für Arbeit dahinter steckt, können wir auf dem Markt erfahren. In Südtirol findet an jedem Wochentag ein Lebensmittelmarkt in einem anderen Ort statt, von montags in Bozen oder Terlan bis samstags in Mölten oder Naturns. Dazu kommen saisonale Kunst- und Handwerkermärkte. Viele Südtiroler Bauern stehen allerdings vor dem Problem, ihre Produkte abzusetzen. Wenn ein Hof zu zweit oder zu dritt geführt wird, bleibt kaum die Zeit, um zu Wochenmärkten zu fahren oder Geschäfte zu beliefern. Die BGO setze sich dafür ein, dieses logistische Problem für Kleinbauern zu lösen, so Prugger. Darüber hinaus sieht sie die Bauern einem Wachstumsdruck ausgesetzt, die dafür sorge, dass nicht produziert wird, um die Bedürfnisse einer lokalen Gemeinschaft zu befriedigen, sondern um Geld zu verdienen.

„Zurück zu überschaubaren Strukturen"

Zurück zu überschaubaren Strukturen, lautet die Devise der BGO. Basierend auf regionalen Strukturen sollen Kleinbauernhöfe widerstandsfähig für die Zukunft gemacht werden. Dazu gehört auch, alte und regionale Südtiroler Obst- und Gemüsesorten wiederzubeleben. Der Verein Sortengarten Südtirol erhält und züchtet alte und lokale Sorten. Unter alten Sorten ist vor allem Obst und Gemüse zu verstehen, das besonders gut an die Umweltbedingungen vor Ort angepasst ist. Hierzu gehören etwa die Vinschgauer Marille, der Vinschgau-Kohl oder der Landroggen. Das Potenzial kleinbäuerlicher Strukturen zeigt die weltweite Bilanz der Food and Agriculture Organization of the United Nations. Achtzig Prozent des weltweiten Lebensmittelbedarfs wurde 2013 von Kleinbauern produziert. Landwirtschaftliche Massenproduktion ist ein vornehmlich westliches Phänomen, mit dem die weltweiten Märkte überschwemmt und lokale Strukturen zerstört werden. Kleinbäuerliche Strukturen können dazu beitragen, Gemeinschaften resilienter zu machen.

Resilienz als Fähigkeit einer Gemeinschaft, ausreichend und vor Ort für sich zu produzieren

Resilienz meint die Fähigkeit einer Gemeinschaft, ausreichend und vor Ort für sich zu produzieren, ohne dabei andere Teile der Welt zu beeinträchtigen. „Wenn die Lieferketten zusammenbrechen würden, wären die Supermärkte leer. Wir hätten Milch und Äpfel, dabei wird das Potential gerade der Region Vinschgau für vielfältige landwirtschaftliche Produktion viel zu wenig genutzt.“, sagt Prugger. Bewegungen weg von profit-orientierter Produktion werden nicht nur von der BGO unterstützt, sondern beispielsweise auch von der Südtiroler Bäuerinnenorganisation. Darüber hinaus wächst die solidarische Landwirtschaft in Österreich. Landwirtschaft im kleinen Stil heißt jedoch keineswegs, zurück in Kleinmütigkeit zu verfallen. Landwirtschaft schafft nicht nur die Basis unseres Ernährungssystems. Regionale Netzwerke könnten etwa der Kern einer neuen europäischen Landwirtschaft sein, die von innen gestärkt und gestützt wird. Hochwertige Produkte anstelle von Preiskämpfen sind wohl die beste Werbung für regionale Lebensmittelmärkte. So können Märkte heutzutage für sich selbst schreien.