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Bob Dylan - Das Konzert in Innsbruck

Im aktuellen Abschnitt seiner „Never Ending Tour“ beehrte der Nobelpreisträger am vergangenen Freitag auch Innsbruck. Ein Abend, der in Erinnerung bleibt.
Dylan2018
Foto: Dylan

Vieles in der Welt ändert sich. Dinge kommen, Dinge gehen, doch Bob Dylan scheint seit seinem Debüt Anfang der 1960er Jahre eine Konstante zu sein, die selbst im Alter von 77 Jahren nichts von ihrem Glanz verloren hat. Im Gegenteil: Nach einer bald 60 Jahre andauernden Karriere brilliert der Meister auf seine ganz eigene Art und Weise. Ein Dylan-Konzert ist eine besondere Erfahrung. Das wissen auch die Fans. Wer werktreue Aufführungen der alten und neuen Klassiker erwartet, wird größtenteils enttäuscht werden. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte Dylan seine Lieder konstant weiter, änderte die Arrangements und das Tempo, sodass manch ein Stück in seiner aktuellen, fragmentierten Form nur über den Text wiedererkennbar ist. Die Geschichten und Gedanken, die Dylan in seinen Liedern mit Worten erzählt, sind seit jeher über jeden Zweifel erhaben. Nicht umsonst wurde er als erster Musiker überhaupt mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Dylan ist in erster Linie Poet. Die Musik unterstützt seine Gedichte und darf sich deshalb erlauben, in verschiedenen Variationen aufzutreten. Dass sich manches ändert, und man den wütenden, rebellischen Dylan der 60er nicht wiederbekommt, machte der Musiker bereits mit dem ersten Lied am Freitag Abend klar. Pünktlich um 20 Uhr erlöschen die Lichter in der Innsbrucker Olympiahalle. Auf der spartanisch eingerichteten Bühne erscheinen vier Musiker, dann kommt Dylan. Altmodische Scheinwerfer hängen an den Wänden hinter der Band, sie strahlen hell, doch von einer Lichtshow kann keine Rede sein. Hier geht es um die Musik, und nur darum. Nichts soll unnötig ablenken. „Things Have Changed“ grollt durch die Halle, nach wenigen Takten raunt Dylans raue, vom Alter und von Zigaretten gezeichnete Stimme die ersten Worte in das altmodische Mikrofon. Er steht selbst am Flügel und haut in die Tasten. „I used to care/but things have changed“ - das Motto des Abends. Nostalgisch und gefühlvoll geht es weiter. Während „It Ain´t Me, Babe“ wunderbar schwermütig daherkommt, donnert „Highway 61 Revisited“ wie eine Herde Büffel durch die Halle. Wer dachte, dass Dylan im Alter eine ruhige Kugel schiebt, wird eines besseren belehrt. Souverän geht es weiter. Dylan wechselt dabei immer wieder zwischen alten und neueren Liedern. Vor allem seine neueren Werke, etwa „Cry A While“ oder „Tryin' To Get To Heaven“ haben nur kleine Veränderungen erlebt. „Scarlet Town“ vom Album „Tempest“ erzeugt Gänsehaut, schließt man die Augen, findet man sich in einer vor Hitze flimmernden Westernstadt wieder. Dylans Begleiter haben ihre Instrumente jederzeit perfekt unter Kontrolle und wissen durch gezielte Soli gleichermaßen zu überraschen und zu überzeugen.

Der wohl am sehnlichsten erwartete Song des Abends erklingt nach etwa einer Stunde. „Like A Rolling Stone“, Dylans Hymne und nur eines seiner Meisterwerke. Im Jahr 2004 wurde das Lied von diversen Fachmagazinen zum besten Song aller Zeiten gewählt. Dass Dylan selbst wie ein rollender Stein ist, der niemals Moos ansetzt, zeigt sich hier besonders. Der Refrain, der früher förmlich in die Welt hinaus gebrüllt wurde, klingt nun regelrecht zart und nachdenklich. Jede Strophe wurde mit Applaus von Seiten der Zuschauer bedacht. Nach dem eher unbekannten „Early Roman Kings“ folgte ein weiteres Highlight. Dylan sitzt alleine am Klavier, ein einzelner Scheinwerfer erhellt die ansonsten dunkle Bühne. Er spielt ein Klavierarrangement von „Don't Think Twice, It's All Right“. Das Lied, eines seiner ersten und ältesten, hat nichts von seiner emotionalen Bandbreite verloren und klingt nun, aus dem Mund eines alten Mannes wie der weise Rat von einem, der in seinem Leben vieles erlebt und durchgemacht hat. Dylans Mundharmonika-Spiel unterstreicht die Melancholie des Stückes noch zusätzlich. Ähnlich nostalgisch, doch wesentlich trotziger blafft Dylan anschließend „I´m Sick Of Love“ ins Mikrofon. Obwohl der Musiker sich bereits Mitte der 60er von seiner Rolle als Kritiker lösen wollte, spürt man den Geist des Geschichtenerzählers, der uns allen etwas über das Leben beibringen möchte, noch immer. Drei neuere Stücke beenden das reguläre Konzert, dann gibt es noch zwei Zugaben. Der Klassiker und Evergreen „Blowin' In The Wind“ verzaubert mit Geigenklängen und klingt fast kitschig. Es folgt der Abschluss des Abends, ein erneut zum Mitwippen anregendes „It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry“. Dylan, der dafür bekannt ist, so gut wie gar nicht mit dem Publikum zu interagieren, lässt sich dann sogar noch zu einem Grinsen und einer kurzen Verbeugung hinreißen. Die Bühne wird dunkel, das Konzert ist zu Ende. Dylan macht klar: Er ist zum Spielen hier, wenn die letzten Töne verklungen sind, verschwindet er. Von Fan-Kult hält er nichts. Hat er noch nie. Nun ist er einer der letzten Legenden aus einer Zeit, in der es noch vorrangig um die Musik ging. Das Konzert in Innsbruck ist wie ein Zeitreise. Man vergisst die moderne, schnelllebige Außenwelt und ist überrascht, wenn man den Dunst der Halle verlässt und in die kalte Nacht hinaus tritt. Das Konzert ist eine unwirkliche Erfahrung. Bob Dylan wirkt wie ein Fragment aus einer vergangenen Zeit. Er ignoriert Trends und Strömungen seit jeher und macht seine Kunst auf die einzig richtige Art und Weise: Die eigene. Seine Musik und vor allem seine Texte haben dadurch nichts von ihrer Aktualität verloren und untermauern Dylans Bedeutung als einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler des letzten und aktuellen Jahrhunderts.

Die komplette Setlist:

Things Have Changed

It Ain't Me, Babe

Highway 61 Revisited

Simple Twist of Fate

Cry a While

When I Paint My Masterpiece

Honest With Me

Tryin' to Get to Heaven

Scarlet Town

Make You Feel My Love

Pay in Blood

Like a Rolling Stone

Early Roman Kings

Don't Think Twice, It's All Right

Love Sick

Thunder on the Mountain

Soon After Midnight

Gotta Serve Somebody

 

Zugabe:

Blowin' in the Wind

It Takes a Lot to Laugh, It Takes a Train to Cry

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Benjy Kompasser Mar, 04/23/2019 - 16:13

Ganz zu unkritisch würde ich Bob Dylan nicht unbedingt begegnen. Er hat sehr viel Geld im Showbiz verdient und gibt Konzerte, bei denen man das Gefühl hat, dass die Zuhörer stören. Und als Texter war Cohen einfach besser. Dylans Zuhörer träumen von der selben Vergangenheit und können sie genauso wenig spüren, wie Dylan sie nicht transportiert. Irgendwann ist er abgehoben. Aber seine Musiker sind immer perfekt. Sonst hätte er sie auch nicht eingestellt.

Mar, 04/23/2019 - 16:13 Collegamento permanente