Cultura | Interview

Blick hinter die Kulissen der Hotels

Das neue Forschungsprojekt des Touriseums in Meran. Interview mit Dr. Evelyn Reso.
Avvertenza: Questo contributo è un messaggio promozionale e non rispecchia necessariamente l'opinione della redazione di SALTO.
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Foto: ©Touriseum

Evelyn Reso stammt selbst aus einer Hoteliersfamilie und ist promovierte Europäische Ethnologin im Bereich Tourismusforschung. Seit 12 Jahren ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Touriseum in Meran und recherchiert über Tourismusthemen, wie z.B. das komplexe Verhältnis zwischen Gästen und Gastgebern.

Seit 2018 untersucht das Team des Touriseums mit einem neuen Forschungsprojekt den Arbeitsalltag und die Lebensverhältnisse der Hotelangestellten in Tirol bzw. Südtirol zwischen dem großen Aufschwung des Hotelwesens 1880 und dem Anfang des Zweiten Weltkriegs 1939. Wir haben Frau Reso dazu interviewt:

 

Salto.bz: Frau Reso, erzählen Sie uns von Ihrem Forschungsprojekt? Warum gerade dieses Thema?
In der bisherigen Tourismusforschung lag das Augenmerk meistens auf dem Gast, oder auf dem Reisen als kulturelle Praxis, später auch auf der Beziehung zwischen Gästen und Gastgebern. Das Leben und Arbeiten in den Tourismusbetrieben wurde bisher noch nicht eingehend erforscht. So blieb auch das „hinter den Kulissen“ arbeitende Hotelpersonal, das von den Gästen auch heute oft gar nicht wahrgenommen wird, in gewisser Weise „unsichtbar“. An historischen Zeugnissen ihrer Lebenswelt existiert dementsprechend wenig. Unsere Quellen sind daher oft echte Raritäten, wie das Foto einer Wäscherin im Grand Hotel Emma aus den 1920er Jahren, das einen einmaligen Einblick in die damaligen Arbeitsverhältnisse zulässt. Im Oktober 2018 haben wir im Touriseum die erste internationale Tagung zum Thema „Hotelpersonal“ veranstaltet. Referentinnen und Referenten unterschiedlicher Disziplinen aus Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz haben das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Im April 2020 werden wir eine Sonderausstellung eröffnen, in die neben aktuellen Themen rund um das Hotelpersonal auch die Ergebnisse unserer Forschung einfließen werden. Die Beiträge der Tagung hingegen werden im Spätsommer 2019 in der Studienreihe des Touriseums „Tourism & Museum“ erscheinen.

 

Wie waren die damaligen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Hotelangestellten?
Am Anfang unseres Forschungsprojekt steht die Zeit der Grand Hotels. Damals schon kamen Gäste aus aller Welt, Russland, England, Amerika, aber nur Adelige und Vertreter des gehobenen Bürgertums konnten es sich leisten zu verreisen. Diese demonstrierten in den Grand Hotels ihren Reichtum und legten deshalb großen Wert auf Luxus, zu dem neben der besonderen Ausstattung auch ein großer Personalstab gehörte.
Die Bediensteten wurden in den Hotels selbst ausgebildet, fingen dort sehr jung an und machte oft viele Bereiche durch. Die Arbeitstage waren lang und hart: man arbeitete 14-16 Stunden pro Tag. Deshalb waren viele Hotelangestellte unverheiratet und ohne Familie. Da die Arbeitstage so schwer waren, war der Aufstieg innerhalb der Bedienstetenhierarchie umso wichtiger: man musste schauen, dass man mit zunehmendem Alter in Positionen kam, die körperlich nicht so belastend waren. Dieser Aufstieg- z.B. vom Liftboy zum Oberkellner- war für Männer eher möglich, während Frauen oft schon als junges Mädchen anfingen und zum Beispiel 40-50 Jahre lang Zimmermädchen im selben Hotel blieben. In ihrem Bestreben, die eigene Karriere voranzutreiben, kamen männliche Hotelangestellte oft weit herum, arbeiteten jede Saison in einem anderen Hotel in ganz Europa und besserten dabei ihre Sprachenkenntnisse auf, die vor allem für das Personal mit Gästekontakt sehr wichtig waren.

 

 

Aus welchen Quellen recherchieren Sie?
Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit schriftlichen und bildlichen Quellen, mit Briefen, Zeitungsannoncen, Arbeitszeugnissen, Fotografien, Inventaren, Anmelde- und Lohnbüchern usw. Zuerst haben wir uns auf die Sammlung des Touriseums konzentriert, die einiges zum Thema breithält. Später haben dann aber auch andere Bestände gesichtet, etwa solche im Südtiroler und im Tiroler Landesarchiv, in den einzelnen Stadt- und Gemeindearchiven und in den Staatsarchiven. Aber es ist schwierig geeignetes Quellenmaterial zu finden. Deshalb haben wir bereits einen Aufruf in den Medien und auf unserer Webseite gestartet, dass wir an Objekten und Dokumenten zum Thema interessiert sind. Wenn also jemand beim Aufräumen auf dem Dachboden alte Briefe oder ähnliches findet, bitte nicht wegwerfen, sondern uns zukommen lassen!
Manchmal haben wir Glück, so wie im Südtiroler Landesarchiv. Dort gibt es einen Bestand der Familie Angerer. Er enthält einen Briefwechsel zwischen Fanny Aschberger und ihrem Verlobten Franz Angerer, dem damaligen Besitzer des Post Hotels in Sulden. Fanny kam eigentlich aus einer Spediteursfamilie in Meran. Um aber nach der Hochzeit das Post Hotel in Sulden mit führen zu können, hat sie vor der Hochzeit eine Saison lang eine Ausbildung im Hotel Salegg in Völs am Schlern absolviert. Von dort schrieb sie ihrem Verlobten fast jeden Tag. In Ihren Briefen beschreibt sie wie sie untergebracht war, wie die Arbeiten verteilt waren usw. Dieser Schriftverkehr ist wirklich einzigartig, denn wenn überhaupt, schrieben die Bediensteten nur ab und zu Briefe nach Hause an die Familie, die aber dann meistens nicht aufgehoben wurden.


Wie waren die Auswirkungen des ersten Weltkriegs auf den Hotellalltag in Südtirol? Wie haben sich der Tourismus und die Gäste verändert?
Die Auswirkungen des 1. Weltkriegs waren enorm und haben den Tourismus in Südtirol komplett verändert. Vor dem Krieg kam der Hauptanteil der Touristen aus der deutschen, österreichischen und russischen Monarchie. Nach dem Krieg hat sich Südtirol durch die italienischen Touristen erholen können. Meran etwa verzeichnete in der Saison 1924/25 wieder 1,2 Millionen Nächtigungen, gleich viele wie im einstigen Rekordjahr 1914. Viele der Veränderungen kamen durch den Faschismus: der propagierte, dass man diese neu dazugewonnenen Gebiete besuchen soll und so kamen dann viele italienische Gäste. Der Faschismus hatte aber auch für das Personal große Auswirkungen: bis zum ersten Weltkrieg waren nicht nur die Gäste, sondern auch das Personal international. Viele kamen aus Böhmen und aus anderen Ländern des Habsburger Reiches. Nach dem ersten Weltkrieg kamen aber neue Verordnungen auf, nach denen nur mehr 5% des Personals in den Hotels aus dem Ausland stammen durfte. Zusätzlich wurde auch das saisonale Arbeiten im Ausland erschwert und dadurch ergab sich z.B. für das Hotelpersonal in den Südtiroler Kurorten außerhalb der Saison ein großes Loch in der Erwerbstätigkeit.
Der 1. Weltkrieg veränderte aber auch die Gästeschichten: zuerst konnten nur Adelige und das Großbürgertum es ich leisten zu reisen, in den 20er und 30er Jahren bekamen zunehmend auch die Arbeiter ein paar Tage frei. Das war der Anfang der organisierten Gruppenreisen für Arbeiter. Das Verreisen wurde zum Massenphänomen und das veränderte natürlich auch die Ansprüche an die Unterkünfte. Die Zeit der Grand Hotels war hiermit endgültig vorbei.

 

Historische Dokumente über Zimmermädchen, Portiers, Köche und Saalkellner gesucht!
Ist Ihre Familie noch in Besitz von Dokumenten, Fotografien oder Objekten, die von Hotelbediensteten in Tirol/Südtirol zwischen 1880 und 1939 erzählen? Können Sie selbst noch etwas über den Hotelalltag dieser Zeit erzählen oder haben von ihren Eltern/Großeltern Geschichten dazu gehört? Wir freuen uns über Ihre Hinweise an [email protected], Tel. 0473 255 655.