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Von der Utopie neben die Schmiede

Die Museion Passage ist gern künstlerischer Fingerzeig auf Themen außerhalb des Museums. Derzeit zeigt der Finger auf Walter Pichler und sein Haus neben der Schmiede.
Haus neben der Schmiede
Foto: Privat
Zu sehen sind dort Skizzen und Fotografien des Herzensprojekts Pichlers, dessen Todestag sich am 16. Juli zum zehnten mal jährt. Aus dem Turm wurde dann aber, an der Eggentaler Straße, neben der seit den ’40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts außer Betrieb genommenen Schmiede der Familie, mit dem Haus ein architektonisches Kleinod im Privatbesitz. Dieses kann an drei Terminen im Sommer - 30. Juni, 28. Juli und 1. September - mit Voranmeldung besichtigt werden. Wer zuvor noch unschlüssig ist, dem seien ein Besuch in der Passage, sowie im Cubo Garutti (Sassari Straße 17b) empfohlen, in welchem Andreas Hapkemeyer mit „Architektur – Skulptur“ eine Retrospektive kuratiert hat.
 
 
In der Passage selbst sind Skizzen aus den frühen 90er Jahren aus der Sammlung des Museion, sowie Fotografien, die Pichlers Frau von dem Gebäude gemacht hat, nüchtern sachlich präsentiert. Die Vision des künstlerischen Eigenbrötlers ist vor Ort wesentlich besser erlebbar und spürbar: Zusammen mit der Schmiede, welche auch den Weg des Familienunternehmens Stahlbau Pichler vorzeichnete ist ein dreiteiliges Ensemble entstanden mit dem Haus und einer scheinbar frei schwebenden Plattform aus Holz und Stahl über den Eggentaler Bach spannt. Ersteres Haus war für Pichlers Kindheit vor der Option wichtig, das Haus realisierte er zu Lebzeiten selbst und die Plattform wurde posthum nach Plänen Pichlers umgesetzt.
 
 
Die Plattform ist dabei ein Sinnbild des der Utopischen Architektur zugeschriebenen Künstlers: Eine halbe Brücke, die einen nicht über den Fluss bringt, sondern auf ihn, mit wunderbarer Aussicht.
Zweifelsohne für Architekturfans am spannendsten ist das kleine Haus, in welchem eine reizvolle Symbiose aus archaisch anmutenden Bauweisen und modernen Verfahren gelungen ist. Der Zugangssteg zum Haus besteht aus zwei Stegen, die entweder in das oberirdische Stockwerk des Hauses führen, oder, hochgeklappt eine Treppe in den Kellerraum freigeben. Auf der unteren Ebene lässt sich das Fundament des Hauses umrunden, wodurch gleichzeitig eine Trennung von der aus dem umliegenden Erdreich hereinziehenden Feuchtigkeit geschaffen wurde. Über seinem Kopf hat man dabei die Felsen, welche symbolisch das Haus nach allen Seiten hin stützen, von unten gesehen aber Tageslicht einfallen lassen. Der Keller selbst, in dem neben Weinen und Spirituosen auch ein Tisch samt an einem Seilzug befestigter Beleuchtung Platz finden ist gefühlt eine Jahreszeit kälter als der darüber befindliche Hauptraum.
Im Hauptraum, der durch das Dach aus Glas und Stahl in der Mittagszeit zum Treibhaus mutiert, sind weitere Skizzen Pichlers im doppelten Sinne exponiert: den Besuchern und der Sonneneinstrahlung. Es riecht angenehm nach warmen Holzboden und viele Details, die von der Sorgfalt des Künstlers zeugen und die im Raum anwesenden Architekten in helle Aufregung versetzen, stechen ins Auge: Von den Ecksteinen eines Kachelofens, bis zu den lasergechweisten Profilen eines Weinschranks oder herausnehmbaren Schubladen, die als Tablet doppeln.
Im hinteren Teil des Hauses effiziente Platznutzung als Bad mit Dusche und Stauraum. Walter Pichler setzt auf 56 Quadratmetern im Jahr 2002 ein Beispiel dafür, dass Architektur zeitlos sein kann und alte Bauweisen in die Gegenwart versetzen kann, ohne dass eine Nahtstelle sichtbar wäre.
Bevor es allerdings zurück zum Museion ging, hat Salto.bz Andreas Hapkemeyer um eine kleine Einordnung der Gebäude gebeten.
 
 
Salto.bz: Herr Hapkemeyer, Walter Pichler wird zu den Utopischen Architekten gezählt. Was passiert mit einem Ort, der von einem Nicht-Ort aus etymologischer Sicht zu einem realen Ort übergeht?
Andreas Hapkemeyer: Walter Pichler hatte ein spezielles Verhältnis zum Eggental, weil er im Zuge der Option aus dem Tal fort ging. Es ist effektiv so, dass der erste Gedanke war, sich ein Haus in der Schlucht zu bauen, dort wo sie am eindrücklichsten, vielleicht aber auch am abweisendsten ist. Er hatte sich da, nachdem kein Raum zur Verfügung ist, einen Turm vorgestellt und zwar einen Turm für eine Person. In der Sammlung des Museions gibt es eine Zeichnung, die zeigt diesen Menschen im Turm, wie er schreibt, zeichnet, denkt. Ich weiß nicht, wie weit Pichler sich dachte, das wirklich zu tun. Im Gespräch mit seinen Südtiroler Cousins kam dann der Gedanke „Warum realisierst du deinen Traum nicht neben der Schmiede?“ auf. Da hatte die Familie auch das Grundstück und so hat sich dieser Bau transformiert. Er ist kein Turm mehr geblieben und hat sich zu einem Flachbau entwickelt, aber immer für eine Person.
 
Aus der Sicht Walter Pichlers hätten wir hier drei Zeitebenen: Die Vergangenheit mit der Schmiede, das Haus, welches zu seinen Lebzeiten realisiert wurde und die Plattform, welche nach seinem Tod realisiert wurde. Welchen Wert hat das Ensemble?
Ich glaube, dass das Ensemble sehr wichtig ist, dass die Schmiede effektiv auch der Ansatzpunkt war um das Haus am Ende wirklich hier zu errichten. Was ich interessant finde, ist dass gewissermaßen auch die Schmiedekunst der Familie Pichler durch das Stahlbau Unternehmen in den Bau eingeflossen ist. Dadurch ist es zu einer Kombination von zum Teil archaischer Bauweise, altem Handwerk und neuester Technologie gekommen. Ebenfalls interessant finde ich, dass er von Anfang an diesen Gedanken einer Plattform über dem Bach hatte. Nur selber hat er die nicht mehr erlebt. Er hat die letzten Zeichnungen 2011 gemacht, den Ausführungsplan unterschrieben und ist dann gestorben. Die Stahlplattform ist dann doch noch errichtet worden und war der von Anfang an geplante Abschluss dieses Ensembles.
 
Für wichtig erachten Sie dabei Details, die auch für Laien überall sichtbar sind und wie wichtig ist es vor Ort zu sein um diese zu erfahren?
Ich glaube, es ist sehr sehr wichtig. Im Museion und auch im Haus selber gibt es Zeichnungen, aber die sind zweidimensionale Hinweise auf das Körperliche. Wenn ich hier bin, dann sehe ich das. Walter Pichler war ein wahnsinniger Perfektionist, sei es was die Architektur anbelangt, als auch die einzelnen Möbelstücke oder den Ofen und das Waschbecken, etwa. Das wurde alles von ihm mit größter Akribie geplant und von Handwerken mit größter Akribie umgesetzt. Je mehr jemand etwas von Bau oder der Herstellung von Tischen, Stühlen, Bänken, Betten… versteht, umso begeisterter wird diese Person sein.