Politica | Interview

"Dieser Schutz ist das Allermindeste"

Arianna Miriam Fiumefreddo argumentiert, warum laut der LGBTI+-Community, der Gesetzesentwurf zum Anti-Diskriminierungsgesetz ohne Abänderungen durchgebracht werden muss.
Arianna Miriam Fiumefreddo
Foto: centaurus

Die Vorsitzende der LGBTI+ Vereinigung Arcigay Südtirol Centaurus, Arianna Miriam Fiumefreddo, spricht sich klar gegen die Versuche der SVP-Senatorin Julia Unterberger aus, das Zan Gesetz durch einen Kompromiss – und somit mithilfe einiger Abänderungen – im italienischen Senat durchzubringen. Laut Fiumefreddo riskiere Unterberger damit, dass das Gesetz die bereits erhaltene Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verliert. Zudem würden vulnerable Personen der LGBTI+-Community vom Schutz, dass das Gesetz bieten soll, ausgenommen. 

Unterberger, die sich zuvor als einzige Vertreterin der SVP für das Anti-Diskriminierungsgesetz (Ddl Zan) im Senat ausgesprochen hatte, hat Abänderungsanträge zu den Artikeln eins, vier und sieben des Gesetzesvorschlags eingebracht. Die Abänderungsanträge zielen darauf ab, den Begriff “identità di genere” – ein rotes Tuch für die Rechtsparteien –, durch eine andere Wortwahl zu umschreiben. Zudem soll Artikel vier, ein weiteres rotes Tuch für die Rechtsparteien, aus dem Gesetzestext gestrichen werden. Letztens soll die Schulautonomie in Artikel sieben zur Zelebrierung des Tages gegen Homo- und Transphobie explizit hervorgehoben werden. Auf diese Weise will die SVP-Senatorin eine breite Mehrheit für das Gesetz im Senat sichern, das sowohl im linken als auch im rechten Flügel auf Zustimmung trifft. 

Salto.bz hat mit Arianna Miriam Fiumefreddo gesprochen, die sich im Namen von Arcigay Südtirol Centaurus klar gegen einen solchen Kompromiss ausspricht.

 

Salto.bz: Julia Unterberger hat im Senat einige Abänderungsanträge zum Anti-Diskriminierungsgesetz “Zan” eingereicht, um einen Kompromiss mit den Rechtsparteien zu finden. Arcigay kritisiert diesen Schritt. Warum? 

Fiumefreddo: Ich habe persönlich mit der Senatorin gesprochen. Sie hat erklärt, das Anti-Diskriminierungsgesetz retten zu wollen. Ich stelle Unterbergers politischen Willen nicht infrage. Aber: Die LGBTI+-Community will kein gerettetes Zan-Gesetz. Wir wollen, dass der Gesetzesvorschlag in seiner jetztigen Form angenommen wird. Einerseits bedeutet eine Abänderung, dass das Gesetz die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verlieren wird. Andererseits können wir keinem Gesetz zustimmen, das die vulnerabelsten Personen in unserer Mitte nicht schützt. Durch die Abänderungen wird ein verstümmeltes Gesetz geschaffen. Politiker werden dieses Gesetz nutzen, um sich aus der politischen Verantwortung zu ziehen, gegen Diskriminierung und Hass-Delikte gegen unsere Community vorzugehen. Dadurch würden Hass und Diskriminierung aufgrund der Genderidentität einer Person legitimiert.

Einer der Abänderungsanträge zielt darauf ab, den Begriff “identità di genere”, der im Gesetzesentwurf verankert ist, zu umschreiben. Der Schutz soll laut Unterberger jedoch derselbe bleiben.

Das Gesetz ohne den Begriff “identità di genere” durchzuwinken ist absolut unakzeptabel, nicht nur für uns, sondern für die gesamte LGBTI+-Community. So wie der Begriff sexuelle Orientierung schwule und lesbische Personen schützt, so schützt der Begriff Genderidentität jene, die darin Zuflucht finden, das heißt, all jene Menschen, deren Genderidentität nicht mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmt. Diesen Begriff aus dem Gesetzestext zu streichen bedeutet, jenen Personen, die am vulnerabelsten sind, den Schutz zu verwehren. 

Wer sind diese Personen?

All jene Personen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren. Die Rechte will den Straftatbestand auf Diskriminierung und Hass gegen die sexuelle Orientierung einer Person limitieren.

 

Jeder Versuch, den Begriff aus dem Gesetzesentwurf zu streichen, bedeutet, den rechtlichen Schutz zu verweigern.

 

Laut Unterberger soll der Schutz auch für jene Personen gewährleistet werden, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren. Der Begriff “identità di genere” soll umschrieben werden, das Konzept jedoch beibehalten, sodass jede Person vor Diskriminierung aufgrund ihres biologischen oder kulturellen Geschlechts geschützt ist.

Jenen zentralen Begriff, der die Gruppe der zu schützenden Personen identifiziert, aus einem juridischen Text zu streichen… das ist als versuche man Frauen zu schützen, ohne das Wort “Frau” zu verwenden.

Genau das ist Unterbergers Ziel. Warum ist das problematisch?

Ich finde diese Erzählung hypokritisch. Erstens bedeutet jeder Versuch, das Gesetz abzuändern, dass das Gesetz in der Abgeordnetenkammer blockiert werden wird. Zweitens ist klar, dass der Schutz durch die Abänderungsanträge verringert wird, sonst würden Salvini und die italienische Rechte sich nicht dafür aussprechen. Wir haben lieber kein Gesetz als eines, das seiner Wirkung beraubt wurde. 

Geht es in dieser Diskussion auch darum, den Begriff “identità di genere” in der italienischen Gesetzgebung zu verankern?

Dieser Begriff ist bereits ein fester Bestandteil der italienischen Gesetzgebung. Das Recht auf Genderidentität ist ein Menschenrecht. Als solches ist es in Urteilen des Verfassungsgerichtshofs, aber auch im europäischen Recht verankert. Das Zan-Gesetz ändert nichts daran, wie die italienische Gesetzgebung Fragen zu Geschlecht und Gender regelt. Es fügt einzig und allein Hass- und Diskriminierungsdelikte aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität als Straftatbestandteile des bereits existierenden Antidiskriminierungsgesetzes an. Jeder Versuch, den Begriff “identità di genere” aus dem Gesetzesentwurf zu streichen, bedeutet, den rechtlichen Schutz zu verweigern. Wir sprechen hier nicht vom Recht zur Eheschließung, sondern von Schutz gegen Hass und Diskriminierung. Diesen Schutz zu gewährleisten ist das Allermindeste.

Was fordert ihr?

Unsere Forderung ist es, dass der Gesetzesentwurf so, wie er ist, genehmigt wird. Julia Unterberger muss sich entscheiden, ob sie sich für die LGBTI+ Community einsetzen möchte oder ob sie ihren eigenen, isolierten Weg geht. Ich glaube, dass ein Gesetz, das LGBTI+ Personen, Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und Frauen schützen will, die direkt Betroffenen miteinbeziehen sollte. Julia Unterberger ist enttäuscht, weil sie glaubt, dass wir nicht genau lesen oder zuhören. Wir sind aber noch mehr enttäuscht, weil eine Senatorin, die uns vertreten möchte, uns nicht zuhört.