Ambiente | Raumordnung

Stop dem Flächenverbrauch

Die acht größten Südtiroler Naturschutzverbände und -vereine üben in einer gemeinsamen Stellungnahme harte Kritik am Gesetzesvorschlag Raum und Landschaft.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Am Anfang steht eine Frage: „In den Leitlinien und Entwürfen des neuen Landesgesetzes Raum und Landschaft 2017 möchte man Südtirol als ein Gebiet darstellen, wo Umweltschutz an erster Stelle steht. Aber ist das wirklich so?“.
Die Antwort auf diese Frage, die acht Südtiroler Naturschutzverbände und -vereine geben, dürfte der amtierenden Landespolitik gar nicht gefallen.
Denn am Freitag haben der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, der AVS – Alpenverein Südtirol, die Vereinigung Südtiroler Biologen, Mountain Wilderness, die Lia per Natura y Usanzes, Legambiente Südtirol.Bozen, CAI Alto Adige und der WWF Bolzano in einer gemeinsamen Stellungnahme kein gutes Haar am neuen Gesetzesvorschlag Raum und Landschaft gelassen.
Der aktuelle Gesetzesentwurf ist ein Triumph der Einzelinteressen über das Allgemeingut Umwelt.
Klauspeter Dissinger, Georg Simeoni, Norbert Dejori, Franco Tessadri, Engelbert Mauroner, Alessia Politi, Claudio Sartori und Luigi Mariotti üben in dem Schreiben harte inhaltlich Kritik am Gesetzesvorschlag der Landesregierung. Das Globalurteil ist vernichtend: „Der aktuelle Gesetzesentwurf ist ein Triumph der Einzelinteressen über das Allgemeingut Umwelt.
Gleichzeitig enzaubern die wichtigsten Umweltschutzverbände aber auch die Mähr einer besonderen Mitsprache bei dieser Reform.

Triumph der Einzelinteressen

 
Die acht Verbände widersprechen dabei energisch den Aussagen von Landesrat Richard Theiner, dass der Gesetzesentwurf im Einvernehmen und in gemeinsamer Arbeit mit den Bürgern und Interessensvertretern entstanden ist. „Das stimmt aber nicht, denn die Umweltverbände sind nicht damit einverstanden“, heißt es in der Stellungnahme.
Dissinger, Simeoni & Co entzaubern auch den von der Politik so hochgelobten „partizipativer Prozess“: Wir haben verschiedene Versionen des Gesetzesentwurfes gelesen und daraufhin Kommentare, Korrekturen und Anliegen eingebracht. Dennoch wurden in den darauffolgenden Entwürfen nur jene Beiträge aufgenommen, die besonderen Interessensgruppen den Rücken stärken.
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, der Heimatpflegeverband, der Alpenverein Südtirol, der Club Alpino Italiano sowie die Südtiroler Vereinigung der Biologen haben im vergangenen Frühjahr mit mehreren Schreiben Landesrat Richard Theiner, Landeshauptmann Arno Kompatscher und die gesamte Landesregierung darüber informiert, dass ihre Beiträge in den Gesetzesentwürfen nicht berücksichtigt wurden.
 
Die Reaktion: Der Landschaftsschutz wurde mit jeder Bearbeitung des Gesetzesentwurfes zugunsten einzelner starker Interessensgruppen (Landwirtschaft, Baugewerbe und Tourismus) immer mehr in den Hintergrund gedrängt. „Leider wurden die Stellungnahmen der Umweltverbände nicht berücksichtigt“, klagen jetzt die Verbände.
Ein Mangel an Transparenz sehen sie aber auch im Gesetzestext. „Da wird immer wieder auf Durchführungsbestimmungen verwiesen, die noch gar nicht geschrieben wurden und somit nicht geprüft werden können“, heißt es in der Aussendung.
 

Kein ausreichender Schutz

 
Auch in ihrer inhalichen Kritik nehmen sich die Umweltverbände kein Blatt vor den Mund: „In der aktuellen Version des Textes ist kein ausreichender Schutz für Raum und Landschaft gewährleistet“. Der Grund: Die übergeordneten Prinzipien werden immer wieder durch Schlupflöcher und Ausnahmen zugunsten einiger Kategorien geschwächt.
So stehe im Text etwa, dass unberührter Boden nicht mehr bebaut werden und die urbanistische Entwicklung nur auf den bereits bebauten Flächen stattfinden darf, aber dann werden mehrere Ausnahmen gelistet. In einem Artikel heißt es, dass der Flächenverbrauch aus wirtschaftlichen Gründen doch erlaubt sie. „Das heißt dann immer“, meinen die Umweltverbände. Auch die Tatsache, dass Maßnahmen wie Versiegelung, Erschließung und Bebauung für die landwirtschaftliche Produktion keinen Bodenverbrauch darstellen, beurteilen die acht Unterzeichner als Augenauswischerei.
„Die Gesetzesvorgaben dürfen nicht ständig durch Ausnahmen verfälscht oder umgangen werden.
Simeoni & Co: „Die Gesetzesvorgaben dürfen nicht ständig durch Ausnahmen verfälscht oder umgangen werden, auch nicht durch Einzelfallregelungen und Freiheiten, die die Landesregierung den Gemeinden, Bürgermeistern und Interessensgruppen einräumt.
Die Umweltverbände vermissen im Gesetz insgesamt einen starken Bezug zum
Schutz und Erhalt des Raumes und der Landschaft sowohl betreffend der Ökosysteme als auch der Biodiversität. Zudem erinnern sie daran, dass Landschaftsschutz und die Raumplanung nicht getrennt voneinander betrachtet werden dürfen. Im Zweifelsfall habe aber der Landschaftsschutz Vorrang.
Diesem Prinzip folge das neue Gesetz aber nicht. „Die schönen Postkartenmotive rücken immer weiter in die Ferne“, resümieren deshalb die Umweltverbände.