Politica | A22

Krimi auf der Autobahn

Wegen eines Vorfalls auf der A22 gerät Carlo Costa unter Druck. Darf der A22-Direktor polizeiliche Gewalt ausüben? Das wollen die Freiheitlichen in einer Anfrage wissen.
Carlo Costa
Foto: Screenshot/Youtube

Wie weit reichen die Befugnisse eines Generaldirektors? Was darf sich Carlo Costa als technischer Direktor der Brennerautobahn AG leisten? Und wann geht er zu weit? Eine Menge Fragen stehen im Raum seit Mitte vergangener Woche ein Zwischenfall bekannt geworden ist, der sich auf der A22 zugetragen hat – und der ein äußerst schiefes Licht auf Carlo Costa wirft.
Ob das Ganze ein Nachspiel haben wird, wird sich zeigen. Doch inzwischen wird sich auch die Politik mit dem Vorfall beschäftigen müssen.

 

Obacht auf der Autobahn

“Zwischenfall auf der Brennerautobahn – ‘Polizist Costa?’”. Diesen Titel trägt eine Anfrage, die die Freiheitlichen am Montag bei Thomas Widmann als Präsident des Regionalrates einreichen. Wie viele andere haben auch die sechs Blauen Landtagsabgeordneten am Donnerstag (16. November) die Tageszeitung gelesen. Darin schildert ein Unternehmer, wie er Anfang Oktober von einer Person auf der Höhe von San Michele all’Adige auf der Südspur der A22 zum Anhalten gedrängt wird. Später wird sich herausstellen, dass es Carlo Costa war, der technische Generaldirektor der Autobahngesellschaft Brennerautobahn AG höchstpersönlich.
Mit einer Handkelle habe ihn Costa gezwungen, auf der Notspur anzuhalten, berichtet der Unternehmer. Er wirft Costa vor, sich als “Privatpolizist” aufgespielt zu haben.

Der Unternehmer sei zu schnell unterwegs gewesen, habe andere Verkehrsteilnehmer gefährdet und sei deshalb vom A22-Direktor angehalten worden, wird der Geschäftsführer der Brennerautobahn, Walter Pardatscher später zur Tageszeitung sagen. Zugleich bestreitet Pardatscher, dass Costa den Unternehmer beschimpft habe.
Obwohl er sich mehrmals bei Costa entschuldigt habe, wie der Unternehmer beteuert, habe ihn dieser angefahren: Non me ne frega un cazzo, ma tu sai chi sono io? Io sono il Direttore Generale dell’Autostrada del Brennero, ora ci penso io a farti inculare.”

 

Krimi um die Kelle

Und was ist mit der Handkelle, dem “Tafele”, das Costa laut dem Unternehmer gezückt hat, um ihn zum Anhalten zu bewegen? Als “Verantwortlicher für die Sicherheit” führe der A22-Direktor eine solche Handkelle mit, bestätigt Pardatscher der Tageszeitung. Als “Verantwortlicher für die Sicherheit” habe er den Unternehmer auch aufgehalten, so Pardatscher. Die Handkelle habe er dazu aber nicht verwendet. So zumindest stehe es im Polizeibericht, den die herbeigerufenen Beamten aus Trient verfasst haben.
“Ich schwöre, dass Herr Costa eine Handkelle hatte. (…) Wenn er nicht die Kelle gehabt hätte, hätte ich nie im Leben auf der Notspur angehalten. Das ist die absolute Wahrheit”, entgegnet der Unternehmer.
Derzeit steht Aussage gegen Aussage.

Carlo Costa selbst will sich zu den Vorfällen nicht äußern. Jedoch hat man ihn sagen hören, dass er den Unternehmer zwar aufgehalten habe, der Satz mit dem “non sa chi sono io” aber nie gefallen sei.

 

Was darf Costa?

Um sich ein Bild von dem Geschehenen zu machen – und um festzustellen, ob Carlo Costa seine Befugnisse als Generaldirektor nicht arg überschritten hat –, wollen die Freiheitlichen nun Antworten auf folgende Fragen:

  1. Entspricht der genannte Bericht der “Neuen Südtiroler Tageszeitung” der Wahrheit? Wenn Nein, wie hat sich der Zwischenfall auf der Brennerautobahn tatsächlich abgespielt?
  2. Darf der Technische Direktor der Brennerautobahn in den Straßenverkehr eingreifen und einzelne Verkehrsteilnehmer zum Anhalten auf der Notspur nötigen? Bitte um eine ausführliche Darlegung der Kompetenzen des Technischen Direktors und seiner Befugnisse zum Eingriff in den Straßenverkehr.
  3. Aus welchen Gründen hat der Technische Direktor – wenn die obige Schilderung zutrifft – eine Gefahrensituation auf der Brennerautobahn geschaffen?
  4. War die Handlung des Technischen Direktors im geschilderten Fall rechtens und mit der Straßenverkehrsordnung im Einklang?
  5. Hat der Technische Direktor der Brennerautobahn AG polizeiliche Gewalt?
  6. In welchen Fällen darf der Technische Direktor der Brennerautobahn die Haltekelle einsetzen?
  7. Wie viele und welche Personen haben bei der Brennerautobahn AG eine Haltekelle zur Verfügung, um in den Verkehr eingreifen zu können? Bitte um eine detaillierte Auflistung.
  8. Welche Konsequenzen hat das Verhalten des Technischen Direktors der Brennerautobahn?

Erste Antworten dürften sich bei einem Blick in die italienische Straßenverkehrsordnung finden. Art. 11 legt die “Straßenpolizeilichen Aufgaben” fest. Darunter fää auch “die Verhütung und die Feststellung von Verkehrsverstößen”. Darum dürfte es sich im Falle des Unternehmers handeln, dem Geschwindigkeitsüberschreitung und gefährliches Fahrverhalten vorgeworfen werden.
Art. 12 der Straßenverkehrsordnung legt fest, wer für die Wahrnehmung der straßenpolizeilichen Aufgaben zuständig ist:
 

In Absatz 3 des Art. 12 heißt es zudem: “Die Verhütung und die Feststellung von Verkehrsverstößen (...) [kann] außerdem, nach Bestehen einer Befähigungsprüfung (…) von folgenden Personen vorgenommen werden:

a) vom Personal des Generalinspektorats für Verkehr und Verkehrssicherheit auf Straßen, der zentralen und peripheren Verwaltung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr und des Departements für Landverkehr beim Ministerium für Infrastruktur und Verkehr sowie vom Personal der A.N.A.S.,
b) vom Personal der für das Verkehrswesen zuständigen Regional-, Provinzial- und Gemeindeämter, und zwar beschränkt auf die Verstöße, die auf den Straßen im Eigentum der betreffenden Körperschaft begangen werden. (…).”

Und nur die in Art. 12 angeführten Personen dürfen in Ausübung der in Art. 11 festgelegten Tätigkeiten eine Handkelle mit sich führen – und müssen, falls sie keine Uniform tragen, “bei der Wahrnehmung ihrer straßenpolizeilichen Aufgaben ein entsprechendes Erkennungszeichen benutzen” (Art. 12, Absatz 5). Zum Beispiel die Straßenwärter, die auch die Brennerautobahn AG beschäftigt.

Die Frage bleibt, ob Carlo Costa als technischer Generaldirektor einer Autobahngesellschaft, der Konzessionsinhaberin einer Straße, die sich im Besitz des Staates befindet, straßenpolizeiliche Aufgaben ausüben und eine Handkelle mitführen und verwenden darf. Und ob er einen Autofahrer, den er als gefährlich einstuft, zum Anhalten auf der Notspur bringen darf. Der Pannenstreifen ist laut Straßenverkehrsordnung einzig “für das Halten in Notfällen, für den Verkehr der Rettungsfahrzeuge und, sofern es ausnahmsweise erlaubt ist, für den Fußgängerverkehr” vorgesehen.

 

Welche Folgen die widerrechtliche Verwendung einer Handkelle haben kann, hat übrigens Alberto Tomba erfahren müssen. Um auf dem Weg nach Cortina nicht im Stau stehen zu müssen, hatte das Ski-Ass aus der Mannschaft der Carabinieri am 26. Dezember 1993 kurzerhand ein Blaulicht an seinem Alfa 164 angebracht. Und war samt aus dem Fenster gestreckter Handkelle an den anderen Autofahrern vorbei gerast. Acht Millionen Lire musste Tomba dafür an Strafe zahlen.

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alfred frei Lun, 11/20/2017 - 17:34

Für eine vollständige Version des Vorfalls fehlen mir die Berichterstattungen der "Dolomiten", des "Alto Adige" und des "Corriere A.A." (RAI-Sender Bozen wird wahrscheinlich mit einem Sonderbericht darauf zurückkommen) ; wäre es möglich diese hier nachzureichen ? Danke > hoch lebe Pressefreiheit !

Lun, 11/20/2017 - 17:34 Collegamento permanente