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Wintersport Alpen

Technisierter Massen-Skisport ade?

Der auf Pistenskianlagen aufgebaute Massentourismus in den Alpen geht dem Ende entgegen, wobei der technisch erzeugte Schnee die Agonie nur um einige Jahre hinauszögert.
Un contributo della community di Thomas Benedikter21.03.2023
Ritratto di Thomas Benedikter
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Dünne Streifen Kunstschnee hängen wie Krawatten die braunen Hänge herunter. Während die Wiesen zu grünen beginnen, schießen die Schneekanonen aus vollen Rohren. Derzeit rettet der technische Schnee noch die meisten Schigebiete in Südtirol und damit die Umsätze. Die Wintersaison soll in den Skigebieten Italien sogar überdurchschnittlich gut verlaufen sein, vor allem für Dolomiti Superski. Doch wie lange noch?

Vom Klimawandel ist die Alpenregion stärker betroffen als der Norden der Erde insgesamt. Der letzte schneearme Winter ist kein bloßer „Ausreißer“ mehr. Laut der Union für erdwissenschaftliche Studien EGU wird der Schnee in den Alpen bis zum Ende des Jahrhunderts um 30 bis 70% zurückgehen. Bis dahin sind beim jetzigen Tempo der Erderwärmung auch sämtliche Alpengletscher verschwunden. Es kann in den Alpen im Winter zwar mehr Niederschlag geben, aber unter 2000 Meter nur mehr als Regen. Nicht zufällig betiteln die Trentiner Autoren Michele Nardelli und Maurizio Dematteis ihr gestern in Bozen vorgestelltes Buch „Inverno liquido“. Wenn es nicht mindestens 100 Tage eine dickere Schneeschicht gibt, hat der traditionelle Wintersport mit seinen ausgeuferten Infrastrukturen keine Zukunft. Und das ist in weiten Teilen der Alpensüdseite heute schon der Fall.

Mit diesen düsteren Aussichten für den Alpentourismus im Winter, wie wir ihn bisher kannten, haben sich eine Reihe von Studien tiefer auseinandergesetzt, wie etwa EURAC-Forscher Michael Matiu in „Snow“. Die Banca d’Italia hat im Report „Climate Change and Winter Tourism: Evidence from Italy” die Wetterbedingungen und Touristenströme in 39 alpinen Schigebieten analysiert. Unter anderem kommen die Autoren zum Schluss, dass der technische Schnee die Betriebsdefizite zwar noch einige Zeit abfedern kann, aber nicht auf Dauer, weil immer weniger Wasser, milde Winter und steigende Stromkosten das Ganze unrentabel werden lassen.

In seinem Buch „Winter Tourism: the Climate Challenge“ fordert Prof. Christophe Clivaz von der Universität Lausanne ein Ende weiterer Investitionen in die Aufstiegsanlagen: „Wir sollten die öffentlichen Subventionen auf bestimmte Schigebiete konzentrieren,“ sagte er auf swiss.info, „und andere Skiigebiete unterstützen, Alternativen zum Skifahren zu finden…Die Skigebiete sind tatsächlich schon Vergnügungsparks. Die Landschaft ist oft beschädigt und mit hässlichen Bauten entstellt." Gerade in solch halb ruinierten Gebieten könnten weiterhin Spaßaktivitäten für Touristen angeboten werden: Erlebnisparks im Wald, Scooter mit breiten Reifen, MTB-Pisten, Klettersteige usw., meint Clivaz, was auch für Südtirol gilt.

Sehr aufschlussreich das 2022 erschienene Dossier von Legambiente „Nevediversa 2022“, das die Perspektiven des Wintersports in ganz Italien analysiert. Das Dossier listet nicht nur die aufgelassenen Aufstiegsanlagen auf, sondern auch jene, die vor der Schließung stehen oder nur dank öffentlicher Förderung überleben. 2021 sind 234 Aufstiegsanlagen stillgelegt worden, 54 mehr als 2020. 135 Strukturen sind aufgrund von Schneemangel vorläufig geschlossen. Andererseits sind mindestens 150 Neuanlagen oder Erweiterungen bestehender Skigebiete geplant, davon einige sogar in Natura-2000-Schutzgebieten und einige auch in Südtirol wie die Schischaukel Sexten-Sillian und die Klein-Gitsch.

Noch fließt also viel Geld in die Wintersportinfrastruktur, doch steigt das Risiko „gestrandeter Investitionen“. Wenn sich die öffentliche Hand daran beteiligt, wird mittelfristig Steuergeld statt in den Klimaschutz in klimaschädlichen Beton, Stahl und Bauarbeiten gesteckt sowie in den Betrieb energieintensiver Anlagen am Berg. Schneemangel, Wasserknappheit, steigende Stromkosten und evidente Fehlinvestitionen müssten die politisch Verantwortlichen von diesem Weg abbringen.

Alternativen zum Massen-Pistenskisport in den Alpen gibt es zuhauf. Im Report „Nevediversa 2022 “ bringt Legambiente 10 Beispiele guter Praxis in allen Bergregionen Italiens, die Schule machen könnten. Es geht um umweltfreundliche und klimaschonende Alternativen. Wenn die Touristenströme in den Alpen besser über das ganze Jahr verteilt werden, könnten viele Gebiete entlastet werden. Dann könnten verschiedene Spielarten von sanftem, nicht technisiertem Tourismus zunehmen. Nach und nach könnte man die unzähligen Ruinen des Massenschisports in den Bergen abtragen und die Schäden sanieren. Natur und Artenvielfalt könnten langsam wieder aufleben, die Narben in der Landschaft abseits der verbliebenen Hotspots verheilen.

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Ritratto di Dietmar Nußbaumer
Dietmar Nußbaumer 21 Marzo, 2023 - 22:06

Ein interessanter Artikel. Arbeiten Sie bitte an einer Fortsetzung und Vertiefung. Ich denke, es wäre wichtig, Alternativen zum bestehenden Piefkesaga-Tourismus zu suchen und finden. Nur Nörgeln bringt nichts, es braucht Auswege aus Sackgassen.

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