Cultura | Salto Afternoon

Barfuss unterwegs...

Der Mitbegründer des Online-Auftritts "barfuss.it" Thomas Hanifle spricht über die ersten fünf Jahre im Web, den Nachholbedarf in Sachen Medienförderung und Klickzahlen.
Thomas Hanifle
Foto: Foto: Privat

salto.bz: Herr Hanifle. In der Mann- und Frauschaft von BARFUSS sind Sie der Kapitän. Wie können Sie Ihre Arbeit auf hoher See beschreiben? Bei all den medialen Stürmen oder auch Sommerloch-Brisen?
Thomas Hanifle: Manchmal geht es tatsächlich stürmisch zu. Nein, ich bin eine Art "Mädchen für alles": Ich leite und koordiniere die Redaktion, plane und organisiere im Team Marketingaktionen, unterstütze den Vertrieb und bin Ansprechperson für jegliche Anfragen, die von außen kommen. Diese nehmen von Jahr zu Jahr zu. Und leider viel zu selten nehme ich auch eine Geschichte selbst in die Hand.

Wie ist die Idee entstanden, mit barfuss.it in See zu stechen? Wer ist seit Anfang mit an Bord?
BARFUSS ist aus dem Wunsch von vier Freunden heraus entstanden, ein alternatives und unabhängiges Onlinemedium in Südtirol ins Leben zu rufen. Wolfgang Fliri, Markus Aurich und Benedikt Kofler sind Profis, was Webprodukte anlangt, ich komme eher aus dem Journalismus. Wir wollten ein Medium schaffen, das unterhaltend und informativ ist und jene Vorteile nutzt, die das Internet im Unterschied zu Print, Radio und Fernsehen hat. Ich meine eine spannende Mischung aus Text- und Video-Beiträgen sowie das Ineinandergreifen von Text, Bild und Bewegtbild innerhalb eines Artikels. Außerdem wollten wir mit einem jungen Redaktionsteam einen unverbrauchten und frischen Ton einschlagen, mit neuen Formaten experimentieren sowie Themen angehen, die unserer Meinung nach zu wenig in Südtirol beleuchtet wurden, zumindest online. Wir hatten das Glück, dass wir schnell motivierte freie Mitarbeiter finden konnten, die mit Herz und Seele dabei sind und heute wesentlich dazu beitragen, dass unser Schiff über Wasser bleibt.

Wir produzieren ausschließlich für das Web und der Aufwand für eine Hintergrundgeschichte oder ein Video ist ungleich höher als für das Umschreiben einer Agenturmeldung.

Warum werden Onlinemedien in Sachen Medienförderung in Südtirol immer noch sehr stiefmütterlich behandelt?
Ich bin sehr froh darüber, dass die Medienförderung mittlerweile auch Onlinemedien berücksichtigt. Ohne diese Förderung wäre es für uns schwerer, über die Runden zu kommen. Wie andere Wirtschaftsförderungen hat diese allerdings auch Stärken und Schwächen. Ein Teil der Förderung wird etwa auf alle Medien nach einem bestimmten Schlüssel verteilt: Dieser Fixbetrag kommt vor allem Fernsehsendern und auch Radios zugute, weil davon ausgegangen wird, dass diese höhere Fixkosten als Onlinemedien haben. Der Schlüssel beträgt 4 für Fernsehsender, 2 für Radios und 1 für Onlinemedien. Bei Fernsehsendern ist das gerechtfertigt, bei Radios bin ich mir da nicht sicher. Wir produzieren auch Videoformate und sind da durchaus mal mit zwei bis drei Leuten unterwegs. Dafür brauchen wir ein halbwegs professionelles Equipment mit Kameras, Stativen, Beleuchtung, Mikros und Tonaufnahmegeräten. Außerdem fallen für unsere Website regelmäßig Instandhaltungskosten an und wir arbeiten häufig an neuen Formaten oder wie jetzt an einem Relaunch des gesamten Auftritts.

Darüber hinaus finde ich es schade, dass die Medienförderung nicht die Qualität eines Mediums bewertet, sondern auf quantitativen Kriterien wie der Anzahl der täglichen Artikel und Nutzer der Seite oder den Kosten basiert. Newsportale mit einem Printprodukt und einem Medienhaus im Hintergrund sind da im Vorteil, außerdem können sie Artikel doppelt verwerten. Wir produzieren ausschließlich für das Web und der Aufwand für eine Hintergrundgeschichte oder ein Video ist ungleich höher als für das Umschreiben einer Agenturmeldung. Mir ist klar, dass es fast unmöglich ist, mit einer Förderung allen Medienkonzepten gerecht zu werden, es ist nur schade, dass die Kleinen draufzahlen und die Großen noch mehr bekommen.

Klicks, Klicks, Klicks: Welche Themen haben barfuss-Vorrang? Wie sehr steht Ihr unter Quotendruck?
Natürlich möchten wir viele Leute erreichen. Und mit durchschnittlich 15.000 Lesern pro Woche schaffen wir das auch. Die Klickanzahl hat uns nur am Anfang beeinflusst. Mittlerweile haben wir ein Stammpublikum, das unser Angebot schätzt. Bei der Themenauswahl spielt der „Quotendruck“ deshalb schon lange keine Rolle mehr. Wir möchten spannende Geschichten erzählen, die unsere Zielgruppe interessieren und uns am Herzen liegen, unabhängig ob Politik oder Musikkultur. Die Randgruppen unserer Gesellschaft und junge neue Ideen spielen dabei eine wichtige Rolle. Leider sind wir nach wie vor ein Low-Budget-Projekt und können deshalb nicht alle Ideen und Geschichten angehen, die wir gerne umsetzen möchten. Dafür braucht es mehr Ressourcen.

Richtig, gesellschaftspolitische Themen sind uns seit Anbeginn sehr wichtig.

Wie beurteilen Sie die traditionelle Medienlandschaft in Südtirol? Die „alten“ Medien haben in Sachen Onlinejournalismus ja lange geschlafen...
Die Leitmedien sind für mich nach wie vor „ff“, „Dolomiten“ und im Hörfunk die Nachrichtensendungen von „RAI Südtirol“. Der Medienwald in Südtirol ist seit einigen Jahren vielfältiger geworden. Aber Medien, die es nur im Internet gibt, und nicht fast ausschließlich auf Agenturmeldungen basieren oder ein Anhängsel eines Printprodukts sind, gibt es wenige in Südtirol. So gesehen gibt es noch Platz für gut gemachte Onlinemedien. Nur ist es schwierig, ein solches Medium zu finanzieren, wenn man auf Werbung angewiesen ist. Die Entscheider in Unternehmen und Institutionen wissen zwar um die Wichtigkeit des Internets, vertrauen bei Werbekampagnen aber hauptsächlich auf die herkömmlichen Medien, die sie seit ihrer Kindheit kennen. Oder sie stecken ihr Geld in Google-Werbungen, diesen Trend finde ich sehr schade und bedenklich.

BARFUSS wendet sich an eine junge Leserschaft. Beschreiben Sie die BARFUSS-Zielgruppe?
Wir erreichen vor allem die 18- bis 35-Jährigen, die dabei sind, ihr Leben zu planen, mit Optimismus nach vorne schauen und die Welt im Positiven verändern wollen. So ticken übrigens auch unsere Redakteure. Wir sind sicherlich ein Medium, das das genannte Zielpublikum erreicht, aber ebenso für eine ältere Leserschaft interessant ist.

Ihr habt einen gesellschaftspolitischen Anspruch. Wie schlägt sich das beim durchschnittlichen Barfuss-Leser nieder? Wie kommentarfreudig sind die jungen Onlinegäste?
Richtig, gesellschaftspolitische Themen sind uns seit Anbeginn sehr wichtig. Und wir wollen auch Themen behandeln und kommentieren, die gerade in der Öffentlichkeit im Fokus stehen. Das Feedback unserer Leser und Leserinnen, wir werden ja zu 60 Prozent von Frauen gelesen, ist durchaus positiv, wobei auf unserer Seite wenig kommentiert wird. Das passiert eher auf unserer Facebookseite.

Fünf Jahre barfuss.it. Jetzt wird es aber Zeit für ordentliches Schuhwerk. Oder geht die Reise barfuß weiter?
Wir werden weiterhin barfuss unterwegs sein. Für ein ordentliches Schuhwerk fehlt das Geld. Aber barfuss fühlt es sich nach wie vor sehr gut an. Wir möchten Jahr für Jahr einen Schritt nach vorne machen, uns auf allen Ebenen verbessern und in Zukunft noch stärker mit anderen Südtiroler Medien zusammenarbeiten. Das Kirchturmdenken, das in Südtirol unter Medien praktiziert wird, liegt uns nicht. Uns geht es um die Sache: Wir wollen eine Plattform für spannende Ideen und Projekte bleiben und jungen Menschen eine Chance geben, journalistische Erfahrungen zu sammeln.