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“Es macht irrsinnigen Spaß”

Erika Pallhuber ist aus dem Biathlon nicht wegzudenken. Wie die Generalsekretärin des OK die WM in Antholz erlebt hat – und was sie zum Thema Doping sagt.
Erika Pallhuber
Foto: Privat

Routiniert, aber dennoch aufgeregt und mit schlaflosen Nächten hat Erika Pallhuber die Biathlon-WM 2020 in Antholz über die Bühne gebracht. Seit einem knappen Vierteljahrhundert ist die Pustererin aus dem Biathlon-Zirkus nicht wegzudenken. Derzeit ist sie als Generalsekretärin des Organisationskomitees an vorderster Front in Antholz unterwegs.
Am wettkampffreien Freitag hat sie sich Zeit für ein Gespräch genommen.

salto.bz: Frau Pallhuber, wie müde sind Sie nach dieser Biathlon-WM?

Erika Pallhuber: (lacht) Gute Frage. Ich spüre ja nicht nur die Müdigkeit der Veranstaltung. So eine Großveranstaltung zu organisieren bedeutet extrem viel Zeit. Seit wir vor vier Jahren den Zuschlag für die WM bekommen haben, haben wir permanent und parallel zu den Weltcup-Wettkämpfen die Vorbereitungen für die WM getroffen. Sehr intensiv war es seit Dezember, als täglich zahlreiche Anfragen kamen. Richtig heftig wurde es dann ein, zwei Wochen vor WM-Beginn. Und ganz schlimm war es schließlich vier, fünf Tage vor dem ersten Wettkampf, wo die Leute alle anreisen. Jeder muss sich erst einmal “akklimatisieren” dauernd kamen neue Anfragen. Das ist sehr anstrengend.

Anstrengender als die WM selbst?

Die eigentliche Veranstaltung ist selbstverständlich auch sehr heftig. Man muss immer da sein, ist praktisch 24 Stunden im Einsatz. Denn es kann dauernd irgendetwas sein. Das zehrt natürlich schon an den Energiereserven – falls überhaupt noch irgendwelche da waren. Aber der Ablauf, und dass alles so großartig und planmäßig funktioniert, es keine großen Probleme gibt, wiegt das Ganze sehr auf. Nichtsdestotrotz sind wir schon alle sehr müde jetzt, klar. Das gehört dazu, das wissen wir, wir haben ja viel Erfahrung.

Eine Dorothea Wierer, die zwei Mal Gold läuft, beflügelt natürlich alle.

Herrscht trotz der Routine, die Sie inzwischen bei der Austragung großer Biathlon-Wettbewerbe haben, im Vorfeld Aufregung?

Im Großen und Ganzen ist die Routine immer da. Aber natürlich mache ich mir Gedanken und frage mich ständig, ob wirklich alles so läuft, wie es laufen sollte. Es gibt immer Momente, wo man keine Routine hat, improvisieren muss – die gehören einfach dazu. Klar bin ich auch aufgeregt, habe meine schlaflosen Nächte, in denen tausend Gedanken im Kopf herum kreisen. Ganz so routiniert ist man bis zuletzt dann doch nicht, weil natürlich kleinere Dinge passieren, auf die man schnell reagieren können muss. Trotz allem: Es macht irrsinnigen Spaß. Man hört es vielleicht an meiner Stimme. Die ist jetzt gerade sehr angeschlagen, weil ich den ganzen Tag so viel reden muss.

Die Biathlon-WM liefert spektakuläre Bilder, die um die ganze Welt gehen. Ist die Stimmung vor Ort genauso spektakulär?

Ich habe selten eine Veranstaltung gehabt – und ich bin jetzt seit knapp 25 Jahren dabei –, die so reibungslos abgelaufen ist. Die Leute sind alle extremst motiviert, auch die fast 1.500 Mitarbeiter. Es ist einfach überwältigend zu sehen, mit wieviel Inbrunst und Motivation vor Ort gearbeitet wird. Wir kriegen ganz viele Komplimente, auch von Leuten, die noch nie da waren, auch von Südtirolern, die zum ersten Mal hier sind und mir erzählen, sie werden bereits beim Parken am Zuschauerparkplatz von den Feuerwehrleuten mit einem Lächeln empfangen. Jedem wird Grüß Gott gesagt und gute Unterhaltung gewünscht. Es ist wirklich überwältigend, was hier abgeht. Die Fans sind alle happy. Ich bin fast ohne Worte. Es funktioniert alles wunderbar.

 

Haben Sie bereits einen Überblick über die Besucherzahlen vor Ort?

Genaue Zahlen gibt es erst nach der Veranstaltung. Aber ich kriege jeden Tag ungefähre Zahlen geliefert. Beinahe an jedem Wettkampftag haben wir die 15.000-Marke fast erreicht. Die Wochenenden sind stärker besucht – vergangenen Samstag und Sonntag waren es an die 20.000. Den absoluten Spitzentag werden wir am Samstag (22. Februar, Anm.d.Red.) erreichen, da sind wir schon seit Wochen ausverkauft. Wir haben Anfragen ohne Ende, aber wir wollen und können nicht mehr Karten verkaufen. Für Samstag rechne ich mit mindestens 25.000 Leuten in der Südtirol-Arena.

Wie sehr heizt es die Stimmung nochmal zusätzlich an, wenn Südtiroler Athleten Medaillen gewinnen oder Siege einfahren?

Das hilft ungemein. Die Resultate der Athleten, von Dorothea Wierer und auch das gute Wetter – das haben wir alle festgestellt –, hilft uns Organisatoren ganz ganz fest. Eine Dorothea Wierer, die zwei Mal Gold läuft, beflügelt natürlich alle. Vor allem das Südtiroler Publikum und jenes aus dem restlichen Italien. Jetzt springen alle auf den Biathlon-Zug auf. Was mich wahnsinnig freut: Die Einschaltquoten der RAI sind bei fast drei Prozent. Das übertrifft Ski Alpin. Drei Prozent klingt zwar wenig, aber Sport-Insider wissen, dass drei Prozent für Italien immens hoch ist. Das freut uns narrisch. Und da helfen uns die Resultate des italienischen Teams natürlich sehr.

Hatten Sie auch die Möglichkeit, mit Athleten zu sprechen? Fühlen die sich gut aufgehoben in Antholz?

Auf meinen Wegen treffe ich täglich Trainer und ab und zu auch Athleten. Alle sind begeistert. Es gab bis jetzt nicht eine Mannschaft, die sich über irgendetwas beschwert hätte.

Für mich als OK wirft das Thema Doping nicht wirklich einen Schatten auf die Veranstaltung.

Findet die WM in einer Art Parallelwelt statt? Oder haben Sie den Eindruck, dass auch das Antholzer Tal, das Pustertal oder gar ganz Südtirol im Biathlon-Fieber sind?

Das Antholzer Tal steht zu 100 Prozent dahinter, egal, ob jemand direkt oder indirekt an der WM beteiligt ist. Aber ich habe auch das Gefühl, dass das genauso für das gesamte Pustertal und ganz Südtirol gilt. Ich spüre das auch unterm Jahr: Wenn ich irgendwo bin, sind die Leute alle total begeistert von der Veranstaltung. Und wir wissen alle, dass der Südtiroler nicht ein einfacher Mensch ist.

Wie meinen Sie das?

Den Südtiroler dazu zu bewegen, dass er nach Antholz fährt, um die Rennen zu schauen, war in den vergangenen zehn Jahren eine Riesenarbeit. Aber mittlerweile ist uns auch das gelungen. Da hat wieder Dorothea Wierer geholfen, weil sie einfach ein Superstar ist. Sie macht das ganz gut, ist ein bisschen ein It-Girl in den Social Media und ganz viele Leute verfolgen sie – das hilft. Und ich glaube, damit identifiziert sich der Südtiroler auch, ist stolz darauf, dass sie eine Südtirolerin ist und auf der Weltbühne die Show abzieht, die sie abzieht. Das imponiert einfach jedem.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Sie selbst sind eine der wenigen Frauen unter den Biathlon-Funktionären. Ist Biathlon eine Männerwelt?

Die Sportwelt – ich spreche jetzt nicht von den Athleten, sondern von der Sportwelt insgesamt, Funktionäre inklusive – ist generell männlich. Es gibt sehr wenige Frauen in Führungspositionen, das stimmt. Woran das liegt, weiß ich nicht. Ich persönlich sehe darin aber kein Problem, ich bin absolut keine Feministin. Wenn eine Frau gut ist, braucht es keine Quotenregelungen. Das ist meine ganz private Meinung.

Ein Riesenthema im Biathlon und im Weltverband IBU ist Doping. Wie erleben Sie dieses Thema bei der WM?

In der ganzen internationalen Sportwelt gehört das Thema Antidoping mittlerweile zum alltäglichen Geschehen. Wir hören dauernd von Großveranstaltungen und Dopingfällen. Der ganze Dopingskandal von Sotschi, der McLaren-Report hat alle wachgerüttelt.

Eine solche Veranstaltung ist ein nicht außer Acht zu lassender Wirtschaftsfaktor.

In Antholz hat mit Alexander Loginov ein russischer Biathlet, der bereits wegen Dopings gesperrt war, einmal Gold und einmal Bronze gewonnen – worüber sich Kollegen nicht sonderlich freuen konnten. Wirft das einen Schatten auf die Veranstaltung?

Ich würde mich getrauen zu sagen, nicht wirklich. Klar, bei der ganzen Diskussion um den russischen Athleten Loginov, der aufs Podium gelaufen ist, ist ein bitterer Beigeschmack ein wenig dabei. Aber ich sage immer: Im Zweifel für den Angeklagten. Und jeder hat eine zweite Chance verdient. Ich als Organisationskomitee will und kann mich da auch nicht einmischen. Ich bin für den Ablauf und die Organisation der Wettkämpfe zuständig. Für all die Antidoping-Geschichten sind andere zuständig, die Verbände und auch die Welt-Antidoping-Agentur WADA. Deshalb wirft es für mich als OK nicht wirklich einen Schatten auf die Veranstaltung.

Hat es bei dieser WM Antidoping-Kontrollen gegeben?

Ja, selbstverständlich, das ist international geregelt. Vor und nach jedem Wettkampf werden Antidoping-Kontrollen gemacht, sowohl Urin- als auch Blutkontrollen.

(Nachtrag: Am frühen Samstag Morgen – nachdem dieses Interview bereits geführt worden war – haben die Carabinieri eine Antidoping-Kontrolle bei Alexander Loginov durchgeführt.)

 

Nicht nur tausende Fans, sondern auch zahlreiche Politiker haben sich bei der WM in Antholz blicken und mit den Athleten ablichten lassen. Landeshauptmann Arno Kompatscher war regelmäßig vor Ort. Braucht der Sport diese politische Präsenz?

Das ganze Sportbusiness ist mittlerweile zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Man darf es nicht so sehen, dass da Rennen gemacht und Medaillen verteilt werden. Sondern eine solche Veranstaltung ist ein nicht außer Acht zu lassender Wirtschaftsfaktor. Für Antholz haben wir es annähernd berechnet: Wir sprechen hier von 48 Millionen Euro an Wertschöpfung, die in dieser kurzen Zeit generiert wird. Das bedeutet, dass nicht nur das OK hier einen Umsatz gemacht hat, sondern viele direkt und indirekt Beteiligte natürlich auch. Und wenn wir von Wirtschaft reden, hat zugleich die Politik eine sehr große Daseinsberechtigung: Viele Entscheidungen werden Hand in Hand getroffen. Ein konkretes Beispiel: Der ganze Umbau des Stadions in Antholz wurde mit der Politik, sprich mit dem Landeshauptmann gemacht, wir haben von ihm eine Riesenunterstützung von ihm bekommen. Und als zuständiger Landesrat für Sport finde ich es auch richtig, wenn er bzw. seine Vertreter aus der Landesregierung vor Ort sind. Denn die Abwicklung, der Aufbau der Organisation ist ja Hand in Hand mit ihnen gelaufen. Das ist total wichtig.

Ich habe selten eine Veranstaltung gehabt, die so reibungslos abgelaufen ist.

Hand in Hand lief auch die Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2026, wo Antholz die Biathlon-Bewerbe austragen wird. Ist Antholz bereit für Olympia?

Absolut. Ich hatte gerade bis vor fünf Minuten eine Sitzung mit IOC-Vertretern. Die waren ja schon öfters da und haben sich jetzt auch die WM angeschaut. Die IOC-Vertreter sagen, es hätte nichts besseres passieren können als der Zuschlag für Italien für die Winterolympiade 2026 und die Wahl von Antholz als Austragungsort für die olympischen Biathlon-Bewerbe. Antholz ist absolut bereit. Die gesamte Infrastruktur gibt es eigentlich schon – natürlich werden ein paar Anpassungen gemacht werden müssen, aber wirklich nur sehr, sehr kleine. Im Grunde könnten wir sagen, wenn morgen der erste olympische Wettkampf stattfinden müsste, dann könnte er mit Sicherheit über die Bühne gehen.

Werden Sie selbst 2026 noch dabei sein?

Davon gehe ich aus (lacht).

Betreiben Sie selbst den Sport, den Sie so erfolgreich über die Bühne bringen?

Das ist jetzt ein bisschen absurd: Ich sitze hier direkt an der Quelle, an wirklich ganz, ganz schönen Langlaufloipen. Aber selbst betreibe ich den Sport nicht aktiv. Ich mache andere Sportarten – vielleicht auch, weil ich den Biathlon alle Tage vor der Nase habe (lacht).

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△rtim post Dom, 02/23/2020 - 08:47

Die Aussage einer Dorothea Wierer: "Ich möchte nie starr wie eine Deutsche sein." geht schon gar nicht. Niemand hat das recht andere nur aufgrund ihrer ethnischen ... Zugehörigkeit zu kränken. Dies gilt insbesondere, wenn man diese Aussage als Sportlerin mit Vorbildfunktion und gar als Vertreterin der it. Militärfinanzwache macht.
http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=55121

Dom, 02/23/2020 - 08:47 Collegamento permanente
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Sepp.Bacher Lun, 02/24/2020 - 10:46

Ich finde Biathlon einen interessanten Sport und schauen ihn auch, wenn es mir möglich ist. Das Problem dabei ist, dass bei Übertragungen nur die besten Biathleten im Fokus stehen. Wenn jetzt die Athletinnen, die du verfolgst, nicht vorne liegen, dann siehst und hörst du nichts mehr von ihnen. Heuer hat auch Rai-Südtirol die Rennen übertragen und folglich habe ich erwartet, dass sich das ändern wird, dass man die lokalen Athleten durch Einspielungen trotzdem beim Schießen siehst und ihre Position erfährst. Da wurde ich leider enttäuscht, denn so professionell wie ZDF und ARD ist die RAI-Südtirol halt nicht. Peinlich fand ich auch teilweise das Verhalten der Ko-Kommentatorin und auch von Redakteuren im Sportstudio, speziell von Herrn Nussbaumer. Im Sportstudio wurde z. B. Lisa Vitozzi ganz stiefmütterlich behandelt (weil sie keine Südtirolerin ist? weil sie sich erlaubt hat, mit Dorothea Wierer eine Auseinandersetzung gehabt zu haben?). Man merkte, wie sie litt!
Peinlich fand ich Jimmy Nussbaumer beim Interview zweier Norwegischer Spitzenathleten wo er deren Aussagen nicht wirklich übersetzte und ihnen in den Mund legen wollte, dass Antholz und Südtirol die Schönsten und Besten seinen. Zum Glück entsprach Johannes T. Boe nicht seinem Wunsch!
Ich finde es schade und unangemessen, dass die Politik diesen Veranstltungen eine so hohen Stellenwert beimisst und auch, dass bei jedem Großereignis in Antholz wieder etwas neu und dazu gebaut wird - ganz gegen allen Ankündigungen und Beteuerungen!

Lun, 02/24/2020 - 10:46 Collegamento permanente