Ambiente | Tourismus

Die Quadratur des Kreises

An einem geplanten Hotelprojekt in St. Lorenzen wird deutlich, in welch makroskopischem Interessenkonflikt des neue Chefurbanisten des Landes Frank Weber steckt.
11_wallfahrtsort_maria_saalen.jpg
Foto: Oswald Stimpfl
Ende Juli 2019 geht zeitgleich im Palais Widmann und im Urbanistikassessorat in der Rittnerstraße ein Schreiben ein. Es ist ein Einspruch gegen eine Bauleitplanänderung. Unterzeichnet ist der Schriftsatz von der Landesobfrau des Heimatpflegeverbandes Südtirol Claudia Plaikner und dem Fachberater und Anwalt Rudolf Benedikter.
Eigentlich eine Routineangelegenheit. Jeder interessierte Bürger kann laut geltendem Raumordnungsgesetz als Betroffener solche Eingabe und Rekurse machen. Doch die 13 Seiten sind ein Dokument mit besonderer Sprengkraft. Denn sie legen schonungslos das legislative und verwaltungstechnische Chaos offen, das in Sachen Raumordnung in der Landesverwaltung und noch mehr in der Südtiroler Politik herrscht.
Es sind Zustände die der Überprüfung eines ordentlichen Gerichtes wohl kaum standhalten dürften. Genau das könnte in diesem Fall aber passieren. Mit möglichen gravierenden Folgen für die personelle Innenarchitektur in der Südtiroler Landesurbanistik.
 

Urbanistischer Sommerschlussverkauf

 
Es geht auch in diesem Fall um ein brandaktuelles Thema: Den Hotelerweiterungen in Südtirol. Weil mit Inkrafttreten des neuen Urbanistikgesetzes 2020, die Erweiterungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt werden, findet seit Monaten eine Art „urbanistischer Sommerschlussverkauf“ statt. Den Gemeinden und den zuständigen Landesämtern werden Dutzende Ansuchen und Projekte zur Ausweisung von Tourismuszonen vorgelegt, um kurz vor Torschluss noch eine Einweiterung durchzubringen.
 
 
Laut Landeshauptmann Arno Kompatscher stehen derzeit rund 45 solcher Ansuchen im Land zur Behandlung an. Kompatscher will jetzt per Landesregierungsbeschluss einen Stopp durchsetzen. Noch diskutiert man. Der Hotelier- und Gastwirteverband protestiert bereits gegen dieses Ansinnen.
 

Das Projekt

 
In der Eingabe geht es um eines dieser Erweiterungsprojekte. Der Gemeindeausschuss von St. Lorenzen hat am 25. Juni 2019 die Ausweisung einer Tourismuszone und eine Bauleitplanänderung beschlossen.
Es geht dabei um den malerischen Weiher Maria Saalen oberhalb von St. Lorenzen. Neben einer Wallfahrtskirche hat das Dorf am Hang des Kronplatzes eines der ältesten Gasthäuser der Gegend. Der „Saalerwirt“ ist ein gut gehender und gepflegter Familienbetrieb. Die Wirtsfamilie um Johann Tauber hat den ursprünglichen Gasthof vor einigen Jahren renoviert und zu einem modernen 4-Sterne-Hotel ausgebaut. Dabei kam es auch zu einer deutlichen Erweiterung und zu Zubauten.
 
 
Jetzt wollen die Besitzer aber noch einmal erweitern. Geplant sind fünf Appartements mit weiteren 25 Betten. Weil diese neue Residence aber in einem Waldgebiet entstehen soll, ist das Projekt von Anfang an äußerst umstritten. Die Antragsteller reichten das Projekt bereits vor über zwei Jahren bei der Gemeinde ein. Am 6. März 2017 genehmigt der Gemeindeausschuss von St. Lorenzen die Ausweisung einer Tourismuszone und eine Änderung des Bauleitplanes.
Doch die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung stellte sich quer. Anfang Dezember 2017 überprüft man den Antrag und beschließt die Behandlung vorerst auszusetzen und einen Lokalaugenschein in Maria Saalen zu machen. Wenig später findet der gemeinsame Ortsaugenschein mit dem Landesbeirat für Baukultur und Landschaft dann auch statt.
Als die Kommission sich dann am 6. März 2018 wieder mit der Ausweisung der Tourismuszone beschäftigt, lehnt sie die Bauleitplanänderung ab.
Im Sitzungsprotokoll heißt es:
 
„Die Kommission stellt fest, dass jegliche planerische Maßnahme am sensiblen Standort einer sorgfältigen Prüfung unterworfen werden muss. Die Frage, ob und in welcher Form am Standort gebaut werden kann, ist daher von einer Ausweisung anhand eines geeigneten Verfahrens festzustellen.Die Kommission spricht sich daher dafür aus, die vom Landesbeirat vorgeschlagene Methodik zur Weiterbearbeitung anhand eines Wettbewerbes zu verfolgen. Die Ausweisung sollte dann auf Grundlage der positiven Bewertung eines geeigneten Planungsvorschlages erfolgen. Die Kommission begutachtet den vorliegenden Änderungsvorschlag in diesem Sinne negativ.“
 
Aufgrund dieses Gutachtens schreiben die Antragsteller einen privaten Architekturwettbewerb aus. Als Sieger geht schließlich das Projekt eines Schweizer Architekturbüros hervor, das eine Art Baumhaus ist. Es soll ein 25 Meter hoher Holzturm errichtet werden.
Anhand dieses Projekts hat der Gemeindeausschuss von St. Lorenzen am 26. Juni eine neue Bauleitplanänderung beschlossen. Die Ausweisung dieser Tourismuszone kommt demnach in den nächsten Wochen zur Begutachtung in die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung.
Spätestens damit aber beginnen die Probleme.
 

Brisante Doppelfunktion

 
Salto.bz hat bereits vor Monaten auf eine Situation im Urbanistikassessorat hingewiesen, die eindeutig gegen die geltenden Landesgesetzte verstößt und zu einem latenten Interessenkonflikt führt.
Die Trennung zwischen Politik und Verwaltung ist im Organigramm der Landesverwaltung eine grundlegende Konstante. Als Verbindungsfigur zwischen den Abteilungen und dem Landesrat, hat man vor Jahrzehnten die Figur des Ressortdirektors eingeführt. 

 
 
Anton Aschbacher war über ein Jahrzehnt lang Direktor der Abteilung Raumordnung und damit der Chefurbanist des Landes. Nach seiner Pensionierung übernahm Frank Weber dieses Amt.
Per Gesetz ist der Direktor der Abteilung „ Natur, Landschaft und Raumentwicklung“. auch Vorsitzender der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung.
Am 30. Jänner 2019 wird Frank Weber aber befördert. Auf Vorschlag der neuen Landesrätin Maria Hochgruber-Kuenzer wird er per Dekret vom Landeshauptmann zum neuen Direktor des Ressorts „Raumentwicklung, Landschaft und Denkmalpflege“ ernannt.
Weil nach dem geltenden Landesbestimmungen ein Beamter aber nicht zwei Direktionen gleichzeitig führen kann, sind die Abteilungs- und Ressortdirektion in Personalunion eigentlich unvereinbar. Deshalb wird im selben Dekret auch der sofortige Rücktritt Webers als Abteilungsdirektor verfügt.
Doch dieser Rücktritt wird nie umgesetzt. Ganz im Gegenteil. Am selben Tag an dem Weber zum Ressortdirektor ernannt wird, schlägt Landesrätin Maria Hochgruber-Kuenzer in einem Schreiben „aufgrund dringender Notwendigkeit die zeitweilige Anvertrauung der Direktion der Abteilung vor.
Es ist nur vorübergehend bis Ende des Jahres“, begründet Maria Hochgruber Kuenzer später gegenüber salto.bz diese Entscheidung.
Das aber ändert nichts daran, dass die Doppelfunktion rechtlich nicht haltbar ist.
 

Der Interessenkonflikt

 
Aus dieser Personalunion erwächst zudem ein klarer Interessenskonflikt. Die Trennung zwischen Politik und Verwaltung ist im Organigramm der Landesverwaltung eine grundlegende Konstante. Diese Regel hebt Frank Weber jetzt aber auf.
Als Ressortdirektor ist er ein politisch berufener Funktionär, der einzig und allein vom Vertrauensverhältnis zu seiner Landesrätin abhängt. Sozusagen ein verlängerter Arm der Politik in der Verwaltung.
Als Abteilungsdirektor ist Weber aber ein Techniker, der gleichzeitig auch Vorsitzender einer Fachkommission ist, die die Landesregierung beraten soll. Ein politisch ernannter Beamter als Vorsitzender der Raumordnungskommission, der bei Stimmengleichheit zudem doppeltes Stimmrecht hat, ist eine offene Demontage dieser wichtigen Institution.
Doch im Fall von Maria Saalen kommt es noch dicker.

 
 
Denn Frank Weber ließ sich in die Jury des privaten Architekturwettbewerbes für das neue Hotelprojekt berufen. Es war die Tageszeitung, die den Fall bereits vor sieben Wochen ausgegraben hat. Tageszeitungs-Redakteurin Silke Hinterwaldner fragte dabei direkt bei Frank Weber nach, wie ein Entscheidungsträger gleichzeitig in einer privaten Jury sitzen kann. „Das ist zwar nicht üblich, aber durchaus möglich“, erklärte der Ressortdirektor damals.
Doch so einfach dürfte es nicht sein.
 
 

Kein Schiedsrichter

 
Ein Teil der Eingabe des Heimatpflegeverbandes beschäftigt sich mit dem eklatanten Interessenkonflikt in dem Frank Weber damit steckt.
Unter Überschrift: „Abt. Dir. Arch. Frank WEBER – Unvereinbarkeit - Befangenheit – Disziplinarbeschwerde – potenzieller Amtsmissbrauch – Rechtswidrigkeit“ wird die Rolle des Abteilungsdirektors beleuchtet.
Demnach wird sich Weber gleich in zweifacher Weise amtlich mit dem Projekt befassen müssen. Einmal in seiner Funktion als Abteilungsdirektor und ein zweites Mal als Präsident der Kommission für Natur, Landschaft, Raumentwicklung. Dass er dabei auch noch in einem privaten Architekturwettbewerb mitwirkte und das Siegerprojekt mitkürte, ist nach Ansicht der Einbringer alles andere als rechtens.
Rudi Benedikter, bringt es mit einem Vergleich aus dem Fußball auf den Punkt. „Weber kann nicht gleichzeitig als (Assistenz)Trainer Aufstellung und Taktik einer Mannschaft mitbestimmen, deren Spiel er später als Schiedsrichter leiten muss....“, sagt der Anwalt des Heimatpflegeverbandes.
 
Weber kann nicht gleichzeitig als (Assistenz)Trainer Aufstellung und Taktik einer Mannschaft mitbestimmen, deren Spiel er später als Schiedsrichter leiten muss....
Die Kritik der Einbringer setzt dabei bei der Entscheidung Webers an, in die Jury des privaten Architekturwettbewerbs zu gehen. In der Eingabe heißt es: „Webers Intervention in diesem privaten Architekturwettbewerb eines privaten Bauherrn verstößt  zunächst gegen die geltende Personalordnung des Landes Südtirol und zwar gegen die Bestimmungen über Unvereinbarkeit und Verbot der Ämter- und Auftragshäufung." 
In dem entsprechenden Artikel steht:
 
Zulässig sind nur jene Nebentätigkeiten, die zu keinem Interessenskonflikt führen....
Das Personal darf keine Aufträge zur Zusammenarbeit von Privaten annehmen, die derzeit (...) ein bedeutsames wirtschaftliches Interesse an Entscheidungen des Amtes dem dieses Personal angehört, haben oder hatten
 
Ebenso verstoße Frank Weber gegen den Verhaltenskodex für das Personal der Autonomen Provinz Bozen.
Vor diesem Hintergrund setzt sich Weber -  jetzt schon -  dem Vorwurf eines Disziplinarvergehens wegen Unvereinbarkeit aus“, heißt es in der Eingabe.
Sicher ist: Frank Weber wird – spätestens nach dieser Eingabe - bei der entscheidenden Kommissionssitzung den Vorsitz an seinen Stellvertreter abgeben müssen.
Die Kommission darf dann über ein Projekt entscheiden, das vom Chefurbanist des Landes und vom Ressortdirektor bereits im Vorfeld abgesegnet wurde.
Ob hier der Raum noch in Ordnung ist?