Società | Blasmusik

Ploners Degradierung

Der Fall des Sterzinger Komponisten Josef Eduard Ploner macht deutlich, dass das offizielle Südtirol die Aufarbeitung der braunen Marschmusik durchaus ernsthaft betreibt.
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Foto: Markus Wilhelm/dietiwag.org
Die Blasmusik von heute hat mit dem Gedankengut der NS-Zeit nichts zu tun und distanziert sich klar davon. Die Tätigkeit des Verbandes und der Musikkapellen ist unpolitisch, wir brauchen keine Helden, schon gar nicht falsche”, sagte Pepi Fauster vor genau viereinhalb Jahren. Der auch heute noch amtierende Obmann des Verbandes Südtiroler Musikkapellen (VSM) reagierte damals auf die Polemik um die unaufgearbeitet Nazi-Vergangenheit der Südtiroler Blasmusik.
Der Ötztaler Aufdecker Markus Wilhelm hat im Frühjahr 2013 die NS-Vergangenheit mehrerer hochgelobter Tiroler Volksmusikkomponisten medienwirksam aufgearbeitet. Darunter auch die bis dahin verschwiegene Geschichte des Sterzinger Musikers Josef Eduard Ploner (1894-1955).
Der 1894 in Sterzing geborene Musiker ist einer der meistgespielten Komponisten in der Südtiroler Musiklandschaft. Ploner gehört zu den sogenannten drei S in der Volksmusik: Sepp Ploner, Sepp Tanzer und Sepp Thaler. Alle drei Musiker in Südtirol hochgelobt, als große Tiroler verehrt und zur Grundausbildung jedes Mitglieds einer Musikkapelle gehörig, werden bis heute in den Komponistenhimmel gehoben.
 

Straße & Lücken

 
In seiner Geburtsstadt Sterzing gab es 2013 eine „Eduard-Ploner-Straße“. Die nach dem Komponisten Josef Eduard Ploner benannte Straße umschloß das Sterzinger Schulzentrum. Dort hat man vor einigen Jahren einen besseren Parkplatz nach einen anderen großen Sohn der Fuggerstadt benannt: Alexander Langer. Im offiziellen Sterzinger Tourismusprospekt wurden damals elf Persönlichkeiten der Stadt angeführt. Neben Michael Gaismair, Vigil Raber, Bischof Wilhelm Egger, Alexander Langer und Josef Rampold findet sich dort auch Josef Eduard Ploner.
 
Auf der Homepage des Verbandes der Südtiroler Musikkapellen gab und gibt es auch heute noch einen Überblick über die großen Tiroler Komponisten. Dabei wurden neben den Werkverzeichnissen auch kurze Porträts der Komponisten wiedergegeben.
Zu Josef Eduard Ploner hieß es auf VSM-Homepage:
 
Josef Eduard Ploner wurde am 4. Feber 1894 in Sterzing geboren und besuchte in Innsbruck an der Lehrerbildungsanstalt. Gleichzeitig studierte er bei Josef Pembaur und Josef Schwammel in Innsbruck, in Augsburg und Wien Musik, wo er 1919 die Staatsprüfung ablegte. Nach Verwendung als Lehrer in verschiedenen Orten Tirols fand er ein breites musikalisches Wirkungsfeld in Innsbruck. Er gründete und leitete Chöre, gab Konzerte auf der Orgel und als Cembalist und hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Schaffen...(...)... Namhafte Komponisten, wie Thaler, Tanzer und Kratz, wurden von ihm in Musiktheorie ausgebildet. Im Alter von einundsechzig Jahren starb er am 23. 6. 1955 in Innsbruck. Ploner hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Werk von über zweihundert Opuszahlen...(...)...Er nahm sich auch der Volksliedpflege und deren Erforschung an.“
 
Kein Wort zur NS-Vergangenheit des Südtiroler Musikers.
 

Der NS-Fanatiker

 
Denn Markus Wilhelm hatte eine andere bis dahin verschwiegene Geschichte Josef Eduard Ploners ausgegraben. In Wirklichkeit war Ploner ein „NS-Hetzer in Wort und Ton“ gewesen, der “ein Gauliederbuch herausgegeben hat, das unter anderem Parteigesänge und zynische antijüdische Lieder enthält, lustig verbrämt mit Tirolertum“. Zu diesem Urteil kommt der Wiener Historiker Michael Wedekind, bei dem dem Tiroler Landesregierung 2012 ein Gutachten über die Rolle der Tiroler Blasmusik in der NS-Zeit in Auftrag gegeben hat.
Josef Eduard Ploner war bereits in den Zwanziger Jahren Mitglied der auf den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich ausgerichteten antisemitischen Großdeutschen Volkspartei. Sie vertrat neben deutschnationalen, antiliberalen, antimarxistischen, antiklerikalen und volksgemeinschaftsideologischen Positionen einen rassenideologisch begründeten Antisemitismus und verfolgte die Rückdrängung eines vermeintlich dominierenden jüdischen Einflusses auf Politik, Wirtschaft und Kultur.
Am 17. Mai 1933 wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Deutschen Reich trat Ploner der NSDAP bei. Nach dem Anschluss Österreichs wurde der Sterzinger Musiker in der NSDAP als „alter Kämpfer“ aufgenommen. Gleichzeitig trat er aus der Katholischen Kirche aus und wurde bis spätestens Mitte 1939 Mitglied zahlreicher NS-Gliederungen und Organisationen. Vor allem aber engagierte er sich als Redner und Künstler aktiv für den Nationalsozialismus.
 

Dank an Hitler

 
In einem programmatischen Beitrag für die „Deutsche Volkszeitung“ in Innsbruck schrieb Josef Eduard Ploner unter dem Titel „Weltanschauung und Tonkunst“:
 
"Von allen Kunstarten ist die Tonkunst die blutbedingteste. ..(...).... Die blutleeren und naturwidrigen Formeln der demokratisch-liberalistischen Zeit stammen alle von Juden oder Judenknechten. ...(...)... Daß der deutsche Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln sich nun wieder von diesen trugvollen Lehren befreit und zu seinem artgemäßen Leben und seiner Kultur zurückgefunden hat, verdankt er der Tat Adolf Hitlers."
 
Eine besonders innige Beziehung entwickelten Josef Eduard Ploner und sein Freund und Schüler Sepp Tanzer zu Gauleiter Franz Hofer. Hofer ernannte Tanzer von 1938 bis 1945 zum Gaumusikleiter von Tirol und Vorarlberg und Tanzer dirigierte beim Treffen von Hitler und Mussolini 1940 am Brenner den Badonviller-Marsch, der dem Führer besonders gut gefiel.
 

Lieder für den Endsieg

 
Josef Eduard Ploner gestaltete 1941/42 das im Auftrag des Gauleiters Franz Hofer herausgegebene Liederbuch “Hellau! Liederbuch für Front und Heimat des Gaues Tirol-Vorarlberg“.
In seinem Vorwort zum Buch schreibt Ploner:
 
„Der seelische Genesungsvorgang unseres Volkes hat auch eine größere Sangesfreudigkeit von innen heraus geschaffen. ..(...)... Diese Erkenntnis bewog den Auftraggeber, die Herausgabe dieses Liederbuches zu veranlassen, wofür ihm der Dank des Gaues sicher sein wird. Zur Zeit steht Deutschland an der Spitze aller aufbaubewußten Völker im Kampfe gegen die Vernichter aller menschlichen Werte und scheinheiligen Nutznießer dieser Unordnung. Die heißesten Segenswünsche der Heimat sind bei den Kämpfern an dieser Front! ..(...)... So soll nun dies Buch viel Freude bereiten! Und Freude schafft wiederum Kraft. Diese seelische Kraft aber soll mithelfen, unserem kämpfenden Volke den Endsieg zu erringen.“
 
Schon im Dezember 1940 hatte Josef Eduard Ploner in einem Schreiben an Hofer um Versetzung auf eine ihm adäquate Dienststellung im Innsbrucker Musikschuldienst oder als „Redner über kulturpolitische Fragen“ angesucht.“ Er verwies zugleich auf seine beabsichtigte musikwissenschaftliche Untersuchung zum Tiroler Volkslied, das er auch hinsichtlich des Einwirkens von Rasseeinflüssen zu analysieren und im Übrigen „von seinen kirchlichen Einflüssen zu reinigen“ beabsichtigte.
 

Die Reaktion

 
Der Autor dieser Zeilen brachte 2013 die Recherchen über Josef Eduard Ploner nach Südtirol. Und das offizielle Südtirol reagierte fast 60 Jahre nach dem Tod des Sterzinger Komponisten.
VSM-Obmann Pepi Fauster hat nicht nur geredet. Im Frühjahr 2014 hat sein Verband die Homepage überarbeiten lassen. Heute ist das Porträt von Ploner aus der Homepage verschwunden. Ebenso fand sich 2013 eine Biographie Sepp Tanzers auf dem VSM-Portal, in der selbstredend kein Wort über seine Rolle in der NS-Zeit stand. Auch Tanzers Porträt wurde inzwischen gelöscht.
 
Reagiert hat aber auch die Stadt Sterzing. Nach den Publikationen des Autors und einem Appell der Südtiroler Grünen hat Bürgermeister Fritz Karl Messner im Herbst 2013 dem Gemeinderat einen Vorschlag zur Umbenennung vorgelegt. So wurde aus der Josef-Eduard-Ploner-Straße die Dr.-Sebastian-Baumgartner-Straße.
Im Osttiroler Lienz hatte man das vorgemacht. Dort war schon vorher eine Josef-Eduard-Ploner-Straße umbenannt worden.