Società | Affäre Kuhn

Taktlos

Gustav Kuhn ist in Erl Geschichte. Am Freitag hat der Vorstand den Maestro auch als Dirigent beurlaubt. Zudem beginnt sich auch im ORF Widerstand zu regen.
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Foto: Haydn Orchester
Die Aussendung kam am Freitag. Der Vorstand der Tiroler Festspielen Erl teilte mit, dass er Gustav Kuhn „aufgrund der anhaltenden Diskussion und um weiteren Schaden von den Festspielen abzuhalten von den geplanten Dirigaten entbunden habe“. Aus diesem Grund müssten auch die Erntedankkonzerte vom 5. bis 7. Oktober abgesagt werden. 
Damit dürfte die Ära Kuhn in Erl vorbei sein. Bereits Ende Juli wurde der umstrittene Maestro als künstlerischer Leiter beurlaubt, jetzt muss er auch den Taktstock abgeben. Laut Vorstand eine Vorsichtsmaßnahme. „Die Beurlaubung als Intendant und Dirigent gelte bis zur endgültigen Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch das Gericht und die Gleichbehandlungskommission“, gibt der Erler-Vorstand bekannt.
Dass diese Klärungen aber das Ende der Musiker-Karriere Kuhn bedeuten dürften, wird immer augenscheinlicher. Nicht nur die Innsbrucker Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Maestro, auch die Gleichbehandlungskommission des österreichischen Kanzleramtes hat sich des Falles angenommen und prüft die Vorwürfe.
 

Die Lawine

 
Losgetreten hat die Lawine der Ötztaler Blogger und Aufdecker Markus Wilhelm.
Mitte Februar 2018 veröffentlichte er auf seiner Homepage „dietiwag.org“ Dokumente und anonyme Vorwürfe, die von modernem Sklaventum, Lohndumping und sexuellen Belästigungen durch Gustav Kuhn handelten. Kuhn und dessen Förderer, Gründer und Finanzier der Tiroler Festspielen Erl, der Bauunternehmer mit Bozner Wohnsitz Hans Peter Haselsteiner überzogen Wilhelm daraufhin mit über einem Dutzend Klagen.
Inzwischen haben sich die meisten Vorwürfe aber bestätigt. Nachdem fünf ehemalige Künstlerinnen am 25. Juli in einem offenen Brief sexuelle Übergriffe und Missbrauch durch den künstlerischen Leiter, Gustav Kuhn, namentlich öffentlich machten, hat die Affäre deutlich an Fahrt zugenommen. Wenig später konkretisierten die Mezzosopranistin Julia Oesch und Sopranistin Mona Somm, gegenüber der „ZIB 2“ im ORF ihre Vorwürfe. Sie beschrieben „massive sexuelle Übergriffe“ durch Kuhn.
Wenig später legte Kuhn die künstlerische Leitung in Erl nieder. Jetzt folgt auch seine Abberufung vom Dirigentenpult.
Der Schritt dürfte vor allem politisch diktiert sein. Denn die Arbeit der Gleichbehandlungskommission mit Sitz in Wien hat die Causa auf eine neue bundespolitische Ebene gehoben. Während sich vor der Gericht abzeichnet, dass einige der Vorwürfe verjährt sein könnten, kann die ministerielle Kommission Entscheidungen treffen die die Zukunft der Erler Festspiele nachhaltig beeinflussen könnten.
 

Angenommene Beschwerde

 
Wie deutlich sich die öffentliche Meinung gedreht hat, zeigt sich auch an einer anderen Front.
Als die Äffare-Kuhn hochkochte, hat der ORF Mitte Mai in seiner Society-Sendung „Seitenblicke“ einen Filmbeitrag über Gustav Kuhn ausgestrahlt. In dem Beitrag wurde Kuhn nicht nur als Lichtgestalt porträtiert, sondern es wurden auch sein Anwalt Michael Krüger sowie Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer aufgeboten, um Kuhn von allen Vorwürfen freisprechen. Gleichzeitig wurde der Aufdecker Markus Wilhelm in dem Beitrag als Lügner und Verleumder hingestellt.
Markus Wilhelm hat sich daraufhin an den Beschwerdeausschuss des ORF-Publikumsrates gewendet. Dieser hat den Einspruch jetzt einstimmig angenommen und die die Ausstrahlung dieses „Seitenblicke“-Beitrages scharf verurteilt.
 
Langsam aber sicher scheint sich die Klangfarbe in und um Erl zu ändern-
 

Der Seitenblicke-Beitrag

Kuhn in den Seitenblicken 15. Mai 2018