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Suters Wahrheit

Vom Werbetexter zum Bestsellerautor. Der Schweizer Martin Suter veröffentlichte vor 25 Jahren seinen ersten Roman. Ein Dokumentarfilm will nun sein Geheimnis lüften.
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Foto: DCM

Alles über Martin Suter. Außer die Wahrheit nennt sich eine auch im Bozner Filmclub angelaufene Kino-Dokumentation über den Schweizer Bestseller-Autor, der „nie etwas auf der hohen Kante hat“, wie er gegen Ende des Films betont und dies auch als eine Pflicht von Besserverdienenden sieht, da diese eben „das Geld auch unter die Leute bringen“ sollen. Was Suter hingegen nicht mag, ja sogar widerlich findet: „Schnäppchen jagen und Geiz“. Regisseur André Schäfer begleitet den am 29. Februar des Schaltjahres 1948 geborenen Erfolgsautor an die Orte der Kindheit, beim Mundharmonikaspielen oder fährt mit ihm ins prächtige Marrakesch nach Marokko, wo sich Familie Suter immer wieder gerne zurückzieht. Während es auf den dortigen Straßen turbulent zugeht und der Lärmpegel hoch ist, herrscht im Riad der Suters eine geheimnisvolle Stille. 
 

Es braucht immer ein Geheimnis.


Jeder seiner Romane wäre „eine Verneigung vor einer literarischen Gattung“, erzählt Martin Suter bei einem filmisch eingefangenen Diskussionsabend und erinnert an sein Frühwerk: Small World (1997), Die dunkle Seite des Mondes (2000) und Ein perfekter Freund (2002). Wenn Suter über seine Anfänge als Schriftsteller spricht, geht eine Erinnerung auch nach Tirol, an eine Lesung in Innsbruck, bei welcher insgesamt fünf Menschen im Publikum der Buchhandlung saßen, vier davon waren Angestellte der Buchhandlung. Diese Erinnerung hat sich festgesetzt und sie ist, dem Erinnerungs-Kosmos Suters entsprechend, unvergesslich und deshalb wesentlich. Das Schreiben habe für ihn vor allem „mit Weglassen“ zu tun und er erklärt dies anhand einer Strandszene während einer Interviewsituation im Film; so würde er diesen Strand eben nicht gegenwärtig, sondern erst in einem halben Jahr literarisch beschreiben wollen, und nur mit jenen Worten, die ihm in Erinnerung blieben, dies wäre nämlich „das Wesentliche“ erklärt er.
 

Es ist eine Rolle, mit der ich leben muss.


Sind seine Bücher wie Hamburger einer Fastfood-Kette? Auch über literarische Verdaulichkeit von Unterhaltungs- oder Trivialliteratur wird im Film gesprochen. Suter sei eine Marke mit Stil, bei der Leserinnen und Leser (ohne längeres Überlegen) bei Neuerscheinungen zugreifen, um die Bücher anschließend rasch zu verschlingen. Die meisten Bücher hat Suter in Guatemala geschrieben, wo er mit seiner Frau, der Architektin und Mode-Designerin Margrith Nay Suter, über zwei Jahrzehnte lebte. Die beiden adoptierten dort auch zwei Kinder: Ana und Antonio. Kurz geht es im Film auch um den tragischen Erstickungstod seines damals dreijährigen Adoptivsohnes Antonio im Jahr 2009. Die Familie widmet ihm jährlich (um den Todestag herum) Erinnerungsabende, bei denen alte Familienfilme angesehen werden. „Es ist eine Rolle, mit der ich leben muss“, sagt der Autor, der Antonio all seine Allmen-Bände gewidmet hat, einer Krimiserie, die Suter seit 2011 veröffentlicht. Im Buch Die Zeit, die Zeit hat er hingegen den Tod des kleinen Antonio literarisch verarbeitet. Er schreibt darin (s)eine Zeit herbei, die nicht vergeht.
 

Meine Jury sind die Leute...


Der Film verwebt neben biografischen Notizen zu Aufenthaltsorten und Gedanken über sein Schreiben auch zahlreiche nachgestellte Szenen aus ausgewählten Büchern, in welchen stets ein Geheimnis (oder mehrere) im Zentrum stehen. Und was ist das Geheimnis seines Erfolges? Vielleicht dass seine Lektorin, seinem zweiten vorgelegten Roman mit der vorsichtigen Gegenfrage „Und, wie findest du ihn?“ eine freundliche Absage erteilte. Aus diesem Scheitern heraus schrieb Suter den Roman Die dunkle Seite des Mondes. Er ist bis heute Gradmesser und wird auch über zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen gerne herangezogen, wenn es darum geht Suter-Neuerscheinungen einzuordnen. „Meine Jury sind die Leute“, sagt der Schriftsteller, die die ihn lesen und die, die ihn nicht lesen.
 

Trailer