Cultura | Salto Weekend

Fotografische Wirklichkeit

Gaby Gappmayr beschreibt im Salto-Gastbeitrag Walter Niedermayrs aktuelle Ausstellung in der Galerie Widauer in Innsbruck.
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Foto: Foto: Walter Niedermayr

Ausgangspunkt des fotografischen Werkes von Walter Niedermayr sind hochalpine Landschaften wie das Kitzsteinhorn, Lech oder der Dôme des Petites Rousses. Alpinisten, Skifahrer, Wanderer und Touristen verbinden mit diesen Namen Freizeitvergnügen, wunderbare Naturerlebnisse oder auch herrliche Wanderwege. Niedermayr nutzt in seinen Werken eine der fundamentalen Eigenschaften des Mediums Fotografie: die Dokumentation.

Es ist das Festhalten eines Augenblickes. Der Fotograf wird so gleichsam zum Historiker, kehrt doch dieser eine Moment, wenn er den Auslöser drückt, niemals wieder. Die Fotografie als reines Abbild der Wirklichkeit ist jedoch nur Voraussetzung für das künstlerische Konzept Niedermayrs. Vielmehr geht es in seinen Werken um die Beziehung zwischen Mensch und Natur, um Veränderungen und Eingriffe in uralte Landschaften oder auch um Wechselspiele zwischen Natur und Abstraktion. Die Schönheit der Topographie ist ebenso Thema wie fotografische „Fundstücke". Es ist ein Kosmos, den Niedermayr mit zuweilen ironischem aber doch auch affirmativem Blick erforscht.

Die beiden Portraits (2012/2014) belegen Spuren menschlicher Eingriffe inmitten der Gebirgslandschaft. Als isolierte objets trouvés ist ihnen eine seltsame vertraute Physiognomie eigen. Der Dôme des Petites Rousses (2015) als touristisches Highlight der Alpes d'Huez auf 2810m entfaltet in der achtteiligen Fotoserie jenseits der Massen von Wanderern und Urlaubern seine zarte, bunte Vielfalt an Pflanzen, die sich den Weg aus dem Geröll zu bahnen scheinen. Lech am Arlberg mit seinem Rüfikopf ist bekannt für ganzjährige Freizeitangebote. So gibt es neben einem Geoweg mit „steinernen Zeugen" der Erdgeschichte auch das Skigebiet.

In Niedermayrs dreiteiligem Werk erscheint der Rüfikopf als abstrakte Struktur, die erst auf den zweiten Blick als fotografisch serielle Variation über Steinformationen und Lawinenschutzbauten erkennbar wird. Auf subtile Weise stellt Niedermayr hier die beeindruckenden Felswände den Sicherheitszäunen gegenüber, ohne moralisierende Geste, allein mit den Mitteln der durch das Objektiv bedingten scheinbaren Sachlichkeit des Blickwinkels.

Auch im Diptychon Kitzsteinhom (2015) erscheint die Landschaft als Konglomerat aus natürlicher und künstlicher Topographie. Das vermeintliche Idyll einer Sommergebirgslandschaft in den Hohen Tauern wird zerschnitten durch bauliche Maßnahmen, die jeden noch so entlegenen Punkt zugänglich machen wollen, jene zu Stein gewordene Meereslandschaft wird vom Menschen gezähmt und „erschlossen".

Niedermayrs Fotografien sind zugleich Hommage und Dokumentation, Landschaftsfotografie und Bestandsaufnahme. Die exakte geographische Zuordnung der Fotografien entspricht der Präzision und Objektivität des Mediums, thematisch sind seine Werke universell, da sie dokumentarischen Charakter haben und zugleich das Wesen der Fotografie selbst freilegen. Es bestimmt der Künstler / Fotograf den Bildausschnitt, sein Blick, seine Ästhetik und sein analytischer Geist ermöglichen es, das wunderbare Momentum der Fotografie widerzuspiegeln, wie nur sie es vermag. Nähe und Ferne wie in Lech Flora (2016) sind dafür ein ebenso eindrucksvoller Beleg wie die Stein-und Pflanzenkonstellationen mit ihrer intensiven Farbigkeit der Dôme des Petites Rousses.