Ambiente | Raumordnung

Schlanderser Versuchsballon

Die Landesregierung nimmt bei der Zweckbestimmung der Schlanderser Drususkaserne eine Abkürzung, die gesetzlich unzulässig ist. Ein gefährlicher Präzedenzfall.
kasernenareal schlanders
Foto: BASIS Vinschgau Venosta
Der Beschluss Nr. 1022 der Landesregierung hat eine Besonderheit. Er ist vom Landeshauptmann und vom Generalsekretär der Landesregierung unterzeichnet und vom höchsten Beamten der Abteilung Natur, Umwelt und Raum: Abteilungsdirektor Frank Weber.
Die Unterschriftszeile des zuständigen Amtsdirektors ist aber leer. Es ist ein klares Zeichen, dass die Verwaltung mit der (politischen) Gangart der Landesregierung so nicht einverstanden ist. Eine Situation, die es in der Landesverwaltung immer wieder gibt.
In diesem Fall ist die Sachlage aber eklatant. Denn an der Spitze der Abteilung Raumordnung hat man im wahrsten Sinne des Wortes einen neuen Genehmigungsweg erfunden, der keinerlei rechtliche Grundlage hat, der selbst von den zuständigen Rechtsämtern des Landes als kritisch gesehen wird und der die Autonomie der Gemeinden genauso untergräbt wie die Informationspflicht und das Rekursrecht der Bürgerinnen und Bürger.
Vor allem aber ist dieser Beschluss ein Präzedenzfall, der in rund einem halben Dutzend Südtiroler Gemeinden wiederholt werden soll. Obwohl man weiß, dass er rechtlich auf mehr als nur wackeligen Beinen steht.
 

Die Drususkaserne

 
Der Beschluss hat den sperrigen Titel “Gemeinde Schlanders - Drususkaserne: Festlegung der urbanistischen Zweckbestimmung laut Art. 75/bis des Landesgesetzes vom 11. August 1997, Nr. 13 als Zone mit Plan für die Städtebauliche Umstrukturierung – PSU und Zone für übergemeindliche öffentliche Einrichtungen und Genehmigung des Planes für die Städtebauliche Umstrukturierung - PSU”-
Es geht dabei um die ehemalige Drususkaserne in Schlanders. Das rund 4 Hektar große Areal im Ortszentrum des Vinschger Hauptortes ging 2010 zuerst an das Land und 2013/2014 dann an die Gemeinde Schlanders als Eigentümer über.
Wie in mehreren Südtiroler Gemeinden hat man sich in den vergangenen Jahren auch in Schlanders mit der Nutzung des Militärareals intensiv befasst. 2011 beauftragt die Gemeinde die Bregenzer Firma „Innovate Holding“ mit der Ausarbeitung und Umsetzung eines Projektes zur ganzheitlichen Kommunalentwicklung mit dem Titel „Schlanders 2020“. In dem Konzept ist auch die Idee eines „Urban Village" beschrieben. Die Idee: Auf dem Areal der ehemaligen Kaserne soll eine Art städtisches Dorf mit einem Mix der Bereiche Wohnen, Bildung, Forschung und Entwicklung und Beherbergung entstehen.
 
Das geltende Landesraumordnungsgesetz sieht vor, dass „in erster Anwendung die urbanistische Zweckbestimmung der übergegangenen Militärareale von der Landesregierung festgelegt wird”. 
Klar ist, dass aber auch die Landesregierung und die Gemeinde dabei alle Bestimmungen des Südtiroler Raumordnungsgesetzes einhalten müssen. Genau das ist in Schlanders aber nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Man hat einen Weg erfunden, den es gesetzlich (noch) nicht gibt.
 

Die Zweckbestimmung

 
Der Gemeinderat von Schlanders hat am 27. Juli 2018 einen Grundsatzbeschluss gefasst, mit dem er den „Vorschlag des städtebaulichen Umstrukturierungsplanes für die Nachnutzung des Kasernenareals, sowie insbesondere die darin vorgesehenen urbanistischen Zweckbestimmungen“ gutheißt. 
Bereits hier kommt es zur ersten Unstimmigkeit. Der Beschluss wurde bis heute nicht - wie vom Gesetz vorgesehen - veröffentlicht. Damit aber wird bei einem so wichtigen urbanistischen Vorhaben nicht nur die Informationspflicht verletzt, sondern es wird auch erschwert, gegen den Beschluss Rekurs einzulegen.
Genau das ist dann auch der Tenor, der anscheinend in der Landesregierung durchschlägt. Denn der Grundsatzbeschluss der Gemeinde ist der Anlass, dass die Landesregierung mit dem Beschluss 1022 am 9. Oktober 2018 kurzerhand die Durchführungsbestimmungen und den Bauleitplan der Gemeinde Schlanders ändert. 
Im Beschluss wird die Zweckbestimmung des Areals Drususkaserne genau festgelegt: Zwischen 50 bis 60 Prozent sollen für den Wohnbau genutzt werden, zwischen 15 und 25 Prozent für Gewerbe, Dienstleistungen und Detailhandel und zwischen 25 und 30 Prozent für öffentliche Einrichtungen. Gleichzeitig werden auch die Bauvorschriften für das Areal detailliert festgeschrieben. 
 
Die Landesregierung beruft sich in ihrem Beschluss auf Artikel 55bis des Raumordnungsgesetzes. Es ist die sogenannte Benko-Bestimmung.
 
 

Die Erfindung

 
Im Landesregierungsbeschluss steht dann: „Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Region veröffentlicht und findet am darauffolgenden Tag Anwendung.“ 
Und hier wird es völlig unverständlich. Denn diese Vorgangsweise ist nicht nur neu, sondern eindeutig gegen das Gesetz.
Das Landesraumordnungsgesetz sieht im vorliegenden Fall verschiedene Wege für eine Bauleitplanänderung vor. Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren, die entweder von der Gemeinde oder vom Land von Amts wegen ausgehen. In beiden Verfahren sind mehrere klar definierte Schritte zwischen Land und Gemeinde vorgesehen. Vor allem aber ist in beiden Verfahrensarten die Landesraumordnungskommission eingebunden, die laut Gesetz ein Gutachten abgeben muss. Zudem gibt es bei jedem Schritt Veröffentlichungspflichten und Rekursmöglichkeiten.
All das wird mit diesem Beschluss außer Kraft gesetzt. Bei einem Projekt, in dem es um die Verbauung von 4 Hektar und um die urbanistische Entwicklung einer Großgemeinde geht.
Die neue Gangart wurde von Abteilungsdirektor Frank Weber ausgeklügelt und von der Landesregierung umgesetzt. Die fehlende Unterschrift zeigt, dass die zuständige Amtsdirektorin davon ausgeht, dass die Sache nicht koscher ist. Aber auch die Rechtsämter des Landes haben Bedenken gegen die Vorgangsweise vorgebracht.
Ein Südtiroler Urbanistikfachmann, den salto.bz zum vorliegenden Beschluss konsultiert hat, kommt zu einem vernichtenden Urteil: „Hier hat man per Beschluss ein neues Urbanistikgesetz gemacht“.
 

Ein Versuchsballon

 


Dabei ist dieser Modus Operandi kein Zufall.
Man will mit dieser Vorgangsweise die Nutzung und Planung bei den Kasernenarealen deutlich beschleunigen. Dahinter steht der Plan, dass der neue Immobilienfonds der Ex-Pensplan Invest in dieses Geschäft groß einsteigen soll. Weil die Zeit dafür aber drängt und der gesetzlich vorgeschriebene Weg zur Umwidmung der Kasernenareale langwierig ist, hat man jetzt kurzerhand diese Abkürzung erfunden. Am Gesetz vorbei.
Vor diesem Hintergrund könnte die Drususkaserne in Schlanders auch eine Art Versuchsballon sein.
In der Hoffnung, dass niemand stichelt und damit das Vorhaben zum Platzen bringt.
Denn wo kein Kläger ist, braucht es auch keinen Richter.
Im Fall Schlanders ist das Spiel auch aufgegangen. Nach Informationen von salto.bz ist die Bauleitplanänderung bereits in Kraft getreten.