Politica | Bauvorhaben

Doppelt gemoppelt

Die Standseilbahn von Meran nach Schenna soll zusätzlich zum Küchelbergtunnel den Verkehr beruhigen. Dabei könnte das Prestigeprojekt die gegenteilige Wirkung haben.
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Foto: LPA / Mobilitätsressort
Die Kavernengarage in Meran ist nicht das einzige Bauprojekt, das bei Anrainer:innen für Unmut sorgt. Auch die Nachricht über den Landesbeschluss für die Standseilbahn Meran – Schenna Ende August löste im Musikerviertel, das sich unterhalb des Stadtzentrums beim Karl-Wolf-Parkplatz befindet, Unverständnis aus. Das mehr als 100 Millionen Euro teure Infrastrukturprojekt soll die Mobilität im Großraum Meran besser und nachhaltiger machen. Dass für denselben Zweck nach jahrelangen Verzögerungen der Küchelbergtunnel für 180 Millionen Euro gebaut wird, scheint dabei wenig zu interessieren.
 
 
„Wir begrüßen die Bemühungen der Stadt, die Verkehrsflüsse im Sinne der Nachhaltigkeit zu verbessern. Aber wir sind nicht damit einverstanden, dass das derzeitige Verkehrsproblem in Obermais nun in unser Viertel verlagert wird“, erklärt Emiliano Lutteri von dem Initiativkomitee Standseilbahn Meran – Schenna so nicht! Lutteri, der als IT-Direktor bei Alperia arbeitet, wohnt in der Verdistraße gegenüber vom privat geführten Karl-Wolf-Parkplatz, wo laut Projektplan die unterirdische Talstation der Standseilbahn gebaut werden soll. Weder mit ihm noch mit anderen Anrainer:innen oder dem Parkplatzbetreiber sei im Vorfeld über das Projekt gesprochen worden.
 
 
Das Musikerviertel wird in Meran als ruhige Wohngegend geschätzt, die bisher nur wenig vom Verkehr belastet wird. Einige Hauseigentümer investierten in den letzten Jahren in ihre historischen Bauten, die vielfach unter Ensembleschutz stehen. Auch Beherbergungsbetriebe, Bars und Studios für Freiberufler sind dort zu finden. Ein bis jetzt ideal gelegenes Viertel, dem Grünen und dem Stadtzentrum nahe.
 

Standseilbahn und E-Busse

 
Nun soll dort in den nächsten Jahren die Talstation der Standseilbahn mit Parkplätzen und Bushaltestellen entstehen. Das Initiativkomitee befürchtet ein damit einhergehendes Verkehrschaos, das die Anrainer:innen belastet. Schließlich hat das Land angekündigt, eine Bahn bauen zu wollen, die 6.700 Menschen pro Tag befördern kann. Über die ausgebauten Buslinien sollen laut technischen Berechnungen 9.000 Personen pro Tag transportiert werden. Neben den rund 3.000 Einwohner:innen von Schenna werden also auch Tausende Gäste miteingerechnet.
Die Gesamtstrecke der Standseilbahn ist 2,75 Kilometer lang. Während sie von Schenna bis zur Nordeinfahrt des Küchelbergtunnels auf der Erdoberfläche verlaufen soll, ist der Rest der Strecke parallel zum Küchelbergtunnel unterirdisch geplant. Prognostizierte Fahrzeit für die gesamte Strecke sind 9,3 Minuten. Zusätzlich zur Standseilbahn beinhaltet das Projekt eine elektrische Schnellbusverbindung (BRT) mit rund 20 Haltestellen, unter anderem auch beim Karl-Wolf-Parkplatz. Die zwölf 18 Meter langen Busse für jeweils 130 Passagiere soll die Inhouse-Gesellschaft des Landes SASA AG stellen.
 
 
Die Landesregierung hat Ende August beschlossen, der Regierung in Rom das Projekt zur teilweisen Finanzierung über den Wiederaufbaufonds PNRR vorzulegen. Das 107,6 Mio. Euro teure Infrastrukturprojekt soll über PNRR- und Landesgelder finanziert werden, 40 Mio. Euro aus dem Wiederaufbaufonds und 70 Mio. Euro vom Land. Noch hat die neue Regierung in Rom das Projekt nicht abgesegnet, teilt der zuständige Landesrat Daniel Alfreider (SVP) mit.
Unterdessen formiert sich in Meran der Widerstand gegen das Projekt. Das Initiativkomitee arbeitet an der Erstellung einer eigenen Webseite, plant eine Unterschriftensammlung sowie eine Petition über die Plattform change.org.
 
 
Das Initiativkomitee sieht in dem Vorhaben, ein „unter Zeitdruck entstandenes Flickwerk“. Dieses soll den Küchelbergtunnel ergänzen, wobei dieser seit Jahren „als Allheilmittel gegen das Verkehrschaos angepriesen wurde“. Zudem kritisiert es, dass die Landespolitik die Bevölkerung mit Tatsachen konfrontierte, ohne ihr Gelegenheit zur Mitbestimmung gegeben zu haben.
 

Günstigere Alternativen

 
Dabei wäre der Küchelbergtunnel und die dazugehörige Kavernengarage eigentlich eine gute Sache – auch wenn die Anbindung nach Schenna nach derzeitigem Projektplan nicht gegeben ist. Denn der Tunnel startet im Gewerbegebiet von Dorf Tirol und wer aus Schenna kommt, muss trotzdem durch den Stadtteil Obermais fahren.
„Dieses Problem könnte durch den Bau einer Straße von Schenna zur Nordeinfahrt des Küchelbergtunnels gelöst werden“, so Lutteri. „Es gibt viele kostengünstigere Alternativen als die Verwirklichung der Talstation der Standseilbahn im Musikerviertel. Die Provinz will mit der Standseilbahn die Interessen bestimmter Lobbys von Bauunternehmen bedienen. Dabei würde der Küchelbergtunnel der Meraner Bevölkerung über Jahre als die perfekte Lösung zur Verkehrsüberlastung angepriesen. Diese neue Infrastruktur sollte bestmöglich ohne den Einfluss von Lobbys genutzt werden.“
Der Meraner Bürgermeister Dario Dal Medico von der Partei Civica stimmte bei der Vorstellung des Projekts im Meraner Kurshaus Ende August ebenso wie die Bürgermeister:innen von Schenna und Tirol dem Projekt generell zu. Vor allem Schenna diskutiert seit Längerem eine bessere Verkehrslösung während der touristischen Hochsaison, wenn im Viertelstundentakt Busse nach Meran fahren. Das Dorf oberhalb Merans verzeichnet pro Jahr eine Million Nächtigungen.
 
 
„Im öffentlichen Personennahverkehr wurden die Kapazitäten erreicht und es braucht dringend eine Lösung“, erklärt die Bürgermeisterin Annelies Pichler (SVP). Deshalb steht die Gemeinde dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber, auch wenn viele Fragezeichen zu den Details der Umsetzung noch nicht geklärt wurden.
Der Meraner Bürgermeister reagiert in einem Interview mit dem Meraner Stadtanzeiger, auf das neue Infrastrukturprojekt angesprochen, verhaltener. „Um das Projekt der Standseilbahn zu unterstützen, muss man mir zuerst die unbestreitbaren Vorteile aufzeigen, die sie für Meran bringen würde. Die Idee, eine solche Infrastruktur zu errichten, um die Verkehrsprobleme zu lösen, welche gerade die Nachbargemeinden plagen, kann ich mit allem Respekt nicht mitunterstützen “, so Dal Medico.
Damit Meran grünes Licht für das Projekt gebe, brauche es deshalb bei der Talstation der Standseilbahn einen Parkplatz für Autos und Fahrräder sowie einen Ausbau der Elektromobilität. Für ein Projekt dieser Größenordnung im Gegenzug einige Parkplätze und E-Busse zu verlangen, könnte sich zumindest für die Anrainer:innen vor Ort als wenig vorteilhaft erweisen.