Società | Aktion

Guter Stoff

Als ein hetzerischer Stoffbanner an der Marlinger Brücke auftaucht, zögern zwei Frauen nicht lang. Sie fertigen daraus Taschen. Der Erlös soll Flüchtlingen zugute kommen.

“Braincycling” – wer mit diesem Begriff bislang nichts anfangen konnte, der ist nach dieser “etwas anderen Weihnachtsgeschichte” vielleicht um einiges schlauer. Erzählt wird sie vom Meraner Kulturverein Ost West Club und handelt “von zwei ziemlich kreativen und schlauen Köpfen und einer Gruppe von wahrscheinlich drei nicht ganz so hellen Zeitgenossen”:

“Die Geschichte beginnt in etwa vor drei Wochen. Die nicht ganz so hellen Köpfe haben eines schönen Tages eine Idee. Sie wollen an einer Brücke einen Stoffbanner befestigen, auf den sie einen Schriftzug sprayen wollen. Dafür haben sie sich in ein Stoffgeschäft begeben und sich einen Stoff gekauft, der definitiv nicht billig war und durchaus aus einer Qualitätsproduktion stammen musste. Danach haben sich die drei Herren in einer konspirativen Hütte getroffen und begonnen, aus dem schönen Stoff einen Banner zu fertigen, auf dem sie einen Schriftzug anbrachten.

Mit dem Schriftzug auf dem Banner wollten sie ihre ablehnende Haltung gegenüber Menschen zum Ausdruck bringen, die nach einer beschwerlichen und anstrengenden Flucht aus ihrem Heimatland Schutz und Sicherheit in Südtirol gefunden haben. Deshalb haben sie in Englischer Sprache die Wörter “Refugees welcome” in schwarzer und das Wort “not” in roter Farbe auf dem schönen Stoff aufgemalt. Danach haben sie sich in einer Nacht- und Nebelaktion zur Marlinger Brücke aufgemacht und den Banner am Brückengeländer befestigt, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass viele der Menschen, die morgens zur Arbeit fahren und den Spruch lesen, sich ihrer Meinung anschließen.

Dabei haben sie aber vergessen, dass es in Meran und Umgebung durchaus eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Menschen gibt, die überhaupt kein Problem mit Menschen haben, die in Südtirol Schutz und Sicherheit gesucht und gefunden haben. Diese Menschen haben den Banner nämlich gleich noch am selben Morgen sorgfältig entfernt und zur braincycling-Fabrik gebracht. Dort haben sich zwei fleißige Damen sofort an die Arbeit gemacht und aus dem großen Stoffbanner elf wunderschöne, handgefertige Handtaschen gebastelt, auf denen sie einige ganz bekannte und schlaue Sprüche gestickt haben.”

Die Moral von der G’schicht

Die Taschen sind nun im Ost West Club in der Passeirer Gasse für 20 Euro erhältlich. Die Erlöse werden einer Unterkunft für geflüchtete Menschen zur Verfügung gestellt, “die damit sicherlich viele schöne Dinge anstellen kann”, heißt es aus dem Meraner Kultuverein. Dort nimmt man die Sache mit einer gehörigen Portion Ironie: “Wir möchten uns also ganz, ganz herzlich bei den wahrscheinlich nicht ganz so hellen Köpfen (wir wissen es aber wie erwähnt nicht so ganz genau) für den wirklich sehr guten Stoff bedanken und gleichzeitig den zwei braincyling-Damen ein großes Kompliment dafür aussprechen, dass sie aus etwas derart Hässlichem so etwas Schönes gemacht haben.”

braincycling heißt übersetzt in etwa so viel, dass ein Abfallprodukt bzw. etwas, das eigentlich auf den Müll gehört, wieder neu und mit Hirn aufbereitet wurde und damit für einen anderen, sinnvolleren und intelligenteren Zweck wiederverwendet werden kann.
(Ost West Club)

Und die Aktion scheint zu gefallen. Vier Stunden nachdem die “etwas andere Weihnachtsgeschichte” auf Facebook veröffentlicht wurde, hat sie bereits die stolze Zahl von 2.000 “Gefällt Mir” erreicht. “Hunderte Male wurde sie geteilt und etwa 100.000 Personen haben sie gesehen”, heißt es aus dem Ost West Club. Beim Kulturverein hofft man, dass sich weitere Menschen ein Beispiel nehmen und “ähnliche Dinge, die die Menschenwürde mit Füßen treten” braincyclen.