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Der Tag der Bounty

Jedes Jahr am 23. Januar gehen die Bewohner der Pazifikinsel Pitcairn an den Strand. Dort lassen sie ein selbstgebautes Schiff zu Wasser. Um es anschließend zu verbrennen
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Foto: Wikipedia

Die Zeremonie bezieht sich auf zwei historisch verbürgte Ereignisse. Das erste trug sich am 28. April 1789 zu. An diesem Tag rebellierte die Crew des britischen Dreimasters Bounty. Sie bestand aus 46 Männern. In den Büchern, die sich der Meuterei widmen, wird die Mannschaft meist fein säuberlich in zwei Gruppen eingeteilt. Der einen Hälfte, 19 Köpfe stark, ist die größere Aufmerksamkeit beschieden. Wohl deshalb, weil sie sich als britische Staatsbürger auf Pitcairn niederließen, sich mit den Eingeborenen vermischten und noch in der x-ten Generation für Nachkommen mit dunkler Haut und hellen Haaren sorgten. 


Das alles konnten sie ungehindert tun, nachdem sie sich zuvor auf der benachbarten Insel Tahiti ihres Kapitäns entledigten hatten. Die Meuterer setzten William Bligh gemeinsam mit 18 ihm treu ergeben und der britischen Krone gegenüber loyal gebliebenen Offizieren und Matrosen, ein paar Trinkwasserrationen sowie Essensvorräte inklusive, in ein Boot, welches sie der Ostwestströmung des größten aller Ozeane anvertrauten. Die zuverlässige Pazifikdrift spülte die unfreiwilligen Passagiere sieben Wochen später an die Küste der portugiesischen Kolonie Timor. Alle Insassen überlebten bis zur Ankunft, zwei sollten wenig später an den Strapazen sterben. 
Wenn wir an dieser Stelle innehalten und kurz nachrechnen, kommen wir zum Ergebnis, dass acht Männer übergangen wurden (46 Mann Besatzung minus 19 Meuterer minus 19 Abgänge ergibt 8). Sie waren auf Kapitän Blighs Seite, wurden aber von den Meuterern gewaltsam zurückgehalten. Auf einer Insel ohne Infrastruktur blieben ihre Dienste, etwa als Zimmermann oder Büchsenmacher, schlicht unverzichtbar. 

 

Am 23. Jänner 1790 erfolgte die zweite denkwürdige Aktion: Die Meuterer verbrannten ihr Schiff, denn niemand wollte mehr nach England zurück. Manche mussten aber. Sie wurden von einer Strafexpedition gefasst und in ihrer Heimat vor Gericht gestellt. Doch nur drei Rädelsführer büßten schließlich mit dem für Meuterei vorgesehenen Tod durch Erhängen. 

Auf Pitcairn wurde Christian, vermutlich von Einheimischen, ermordet – vier Jahre, nachdem die Bounty in See gestochen war

Zahlreiche Romane, Theaterstücke und Gemälde kreisen um das Thema; natürlich auch Spielfilme: Der berühmteste stammt aus dem Jahr 1935, mit Charles Laughton (als Kapitän Bligh) und Clark Gable (verkörpert den Anführer der Rebellen, Fletcher Christian) in den Hauptrollen. Ein weiterer, kaum weniger gefeierter Film folgte 1962 mit Trevor Howard und Marlon Brando, ein vorerst letzter groß beachteter 1984 mit Anthony Hopkins und Mel Gibson. 
Bei seiner Rückkehr nach Britannien wurde der reale Bligh zunächst wie ein Volksheld empfangen. Doch der Respekt bröckelte. Während des Prozesses kam zutage, dass der Kapitän ein Disziplinfanatiker war, dem ebenso viel Militärisches anhing wie Menschliches abging. Doch selbst seine Fähigkeiten reichten nüchtern betrachtet denjenigen, die über sein weiteres Schicksal zu entscheiden hatten, nicht aus. Der Admiralität waren die 1164 Brotfruchtbäume, aus denen der Ertrag der Bounty-Fahrt bestand, entschieden zu wenig, um Bligh weiter zu protegieren. Aus dem Kapitän Bligh wurde ein Herr Bligh, der nie wieder mit einem neuen Kommando über ein Schiff betraut werden sollte. Er starb, 63-jährig, als Privatier 1817 in London. 
Im Vergleich mit seinem ärgsten Widersacher erreichte Bligh ein gesegnetes Alter. Fletcher Christian, als "groß, dunkelhäutig und mit langen braunen Haaren; von kräftigem Körperbau und inzwischen von exotischen Tätowierungen bedeckt" beschrieben, wurde nur 28 Jahre alt. Sein Paradies hat der Anführer der Meuterei nie gefunden. Auf Pitcairn wurde Christian, vermutlich von Einheimischen, ermordet – vier Jahre, nachdem die Bounty in See gestochen war.
Das wohl bekannteste, weil mehrfach verfilmte Buch über die Ereignisse auf dem Schiff und anschließend auf Pitcairn ist die zwischen 1932 und 1934 erschienene Trilogie Meuterei auf der Bounty/Männer gegen das Meer/Pitcairns Insel.

Näher an der Realität ist ein anderes Werk: Caroline Alexander, Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty. Berlin Verlag, Berlin 2004. ISBN: 3-8270-0163-3.