Società | Nachruf

„Seine besondere Haltung“

Zum Tod des Bozner Architekten Christoph Mayr Fingerle.
Mayr Fingerle, Christoph
Foto: Privat
Ich habe Christoph vor etwa 35 Jahren kennengelernt, als wir beide im Vorstand des Heimatpflegeverbandes waren. Damals schon fiel mir seine besondere Haltung auf. Er entwickelte sich dann zu einem sehr bedeutenden und einflussreichen Architekturtheoretiker und -vermittler, der die Architekturdiskussion im Lande in Gang setzte. Christoph hat neben verschiedenen Ausstellungen auch den wichtigen überregionalen Architekturpreis „Neues Bauen in den Alpen“ in Sexten initiiert und organisiert - wo große Namen vertreten waren. Wohl wegen seiner klaren kompromisslosen Standpunkte zur Architektur hat er selbst sehr lange wenig gebaut, obwohl er einer der besten und sensibelsten Architekten in Südtirol war. 
Wegen seiner klaren kompromisslosen Standpunkte zur Architektur hat er selbst sehr lange wenig gebaut
Letzte Woche habe ich die von ihm kuratierte schöne Ausstellung über das Architekturbüros Amonn Fingerle im Stadtmuseum Bozen besichtigt. Ich habe ihm Folgendes geschrieben:
 
Lieber Christoph, 
 
ich habe kürzlich deine Ausstellung angesehen und möchte dir dazu ein Kompliment aussprechen. Es sind unglaublich schöne und gediegene Bauten und Einrichtungen, die eine große Wertschätzung verdienen. Man kann die Liebe zu den Details ohne große Effekthascherei und das richtige Zusammenspiel von Materialien entdecken und lernen. Darum ist es wichtig, diese Werte den Menschen, aber besonders den Planern näherzubringen. Gerade diese müssten sich der großen Verantwortung bewusst werden, was sie alles anstellen, denn der Großteil des heute Gebauten ist katastrophal (auch von Architekten, die es eigentlich besser gelernt haben müssten). Diese Globalisierung der Stile, Formen und Materialien ist vielfach kaum zum Aushalten. Das Ganze ist zudem nicht nachhaltig, sondern sehr kurzlebig, weil man sich den Trends immer wieder anpassen muss, besonders im Tourismusbereich. Das bringt eine Nivellierung von architektonisch niederer Qualität.  
 
 
Hier noch eine Empfehlung für einen Ausstellungsbesuch über die Mejes (Grödner Höfe). Es ist eine umfangreiche und sehenswerte Ausstellung mit hervorragenden aktuellen Fotos von noch vorhandenen Grödner Höfen. Dazu ist auch ein detailreicher Katalog erschienen. Das Museum und ihre Direktorin Paulina Moroder setzen sich seit vielen Jahren mit verschiedenen Initiativen für die Sensibilisierung dieses einmaligen Kulturerbes in Gröden ein.
Die Erhaltung und Neu- oder Umnutzung von landschaftsprägenden historisch wertvollen Gebäuden überall in Südtirol muss uns als Gesellschaft endlich ein großes Anliegen werden, bevor alles unweigerlich verschwindet. Die Zeit läuft uns nämlich davon…   
 
Herzliche Grüße
Albert
 
Christoph hat mich vor drei Tagen angerufen und sich sehr bedankt. Zugleich haben wir dann über die unschöne globalisierte Architektur im Lande gesprochen und über die Probleme durch die Zerstörung der historischen Bausubstanz. Wir vereinbarten, dass wir etwas dagegen unternehmen sollten. Er wollte in nächster Zeit auch eine Führung zu verschiedenen Gebäuden von Amonn/Fingerle machen. Ich hatte dem Heimatpflegeverband vorgeschlagen, Christoph neuerlich als Berater beizuziehen. Leider wird daraus nichts mehr… 
 
 
Zugleich haben wir dann über die unschöne globalisierte Architektur im Lande gesprochen und über die Probleme durch die Zerstörung der historischen Bausubstanz.
Christoph war ein sehr angenehmer feinsinniger Mensch. 
Er ist nun nicht mehr und das schmerzt. Ich bin sehr betroffen.
 
Albert Willeit, betreibt ein Planungsbüro in Gais, er ist Sachverständiger für Landschaftsschutz und Raumordnung und seit vielen Jahren im Heimatpflegeverband aktiv.

 

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kuno prey Lun, 02/24/2020 - 09:44

zu diesem sehr treffenden nachruf möchte ich eine weitere leistung vom christoph hinzufügen, und zwar die werkstattgespräche, die er für die architektenkammer ende der achtziger und anfang der neunziger jahre organisiert/koordiniert hatte: es war ihm damals gelungen, junge und aufkommende talente wie peter zumthor, jaques herzog, david chipperfield, um nur einge zu nennen, nach bozen zu holen. deren exzellente werkberichte waren ein echter internationaler geist, eine inspirierende bereicherung die mich, aber sicherlich auch viele von uns hier im schönen und engen land, positiv motiviert haben. herzlichen dank christoph!

Lun, 02/24/2020 - 09:44 Collegamento permanente