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"Nicht im Kampf um Souveränität hängenbleiben"

Was hat sich in Sachen direkte Demokratie in den letzten 20 Jahren getan? Nicht sehr viel, gesteht die Initiative für mehr Demokratie ein. Aber kein Grund, aufzugeben.

Zwei Jahrzehnte Sisyphos-Arbeit, Rückschläge und Enttäuschungen. Aber kein bisschen müde. So zeigte sich die Initiative für mehr Demokratie am Samstag Vormittag im Bozner Filmclub. Man hatte zur 2. Landesversammlung der BürgerInnen geladen, um nach zwanzig Jahren unermüdlichen Einsatzes für direkte Demokratie in unserem Land Resümee zu ziehen und einen Ausblick zu wagen. “Wir haben sehr viel, nur nicht das oberste gesetzte Ziel erreicht: das Recht, selbst politische Entscheidungen zu treffen, die Entscheidungen unserer Verwalter nötigenfalls abzulehnen und auch das entscheidende Recht, das politische System selbst zu erneuern”, so die Bilanz von Stephan Lausch. Der Koordinator der Initiative erzählt mit einer leichten Verbitterung, von wem er am meisten enttäuscht ist: “Die Mehrheit unser Volksvertreter und unser ganzes politische System enthalten uns Bürgern und Bürgerinnen erfolgreich unsere politische Souveränität vor.”

Den anschaulichsten Beweis für diese für Lausch “im besten Fall parlamentarische, aber nicht repräsentative Art, Demokratie zu praktizieren” liefert am Samstag Vormittag Josef Gruber von der Initiative für ein pestizidfreies Mals. Er berichtet, wie der Malser Gemeinderat sich einstimmig für die Abhaltung der Volksabstimmung über eine pestizidfreie Gemeinde ausgesprochen hatte. Als es dann aber darum ging, das Ergebnis – 75 Prozent der Abstimmenden haben im Spätsommer 2014 für eine entsprechende Satzungsänderung gestimmt – umzusetzen, war die Mehrheit der Gemeinderäte dagegen, den eindeutigen Willen des Volkes umzusetzen. “In dieser Demokratie sind wir nicht wirklich souverän”, betont auch Stephan Lausch, “wir können zwar auswählen, wer über uns entscheidet, aber wir können weder die über uns getroffenen politischen Entscheidungen ablehnen, noch selbst solche treffen.” Bestimmen über das Geschick der Bürgerinnen und Bürgern würden Eliten, die wiederum im Interesse anderer Eliten Entscheidungen träfen.

Stephan Lausch. Foto: Facebook/Initiative für mehr Demokratie

“Grundlegender Neustart für Südtirol? Oder was brauchen wir, um unseren Lebensraum endlich wirklich demokratisch gestalten zu können?” Diese und weitere Fragen wurden dann auch gemeinsam mit den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern (darunter auch einzelne VertreterInnen der politischen Elite) diskutiert. Knapp zwei Stunden dauerte der Austausch, neben zahlreichen kritischen Stimmen, die Bedenken angesichts der Unwilligkeit zahlreicher gewählter Volksvertreter äußerten, wurde auch an einer neuen Vision für Südtirol gebastelt. In der Initiative gibt es bereits konkrete Vorschläge, denn, “wir finden uns mit dieser Situation nicht ab und suchen nach dem Weg eines Neuanfangs für unser Land”. Dabei denke man an eine “Landessatzung, die wir Bürgerinnen und Bürger zusammen schreiben.” Viel Optimismus und Aufbruchsstimmung war an dem Vormittag zu spüren. Zu dieser trägt auch die seit 2013 bestehende Schwesterninitiative im Trentino “Più Democrazia Trentino”, bei.

Gemeinsam will man sich für eine neue Form des Zusammenlebens stark machen, welches die Bürgerinnen und Bürger “selbstbestimmt und selbstverantwortlich” gestalten können. Die direkte Demokratie sei dabei keinesfalls als Ersatz für die repräsentative und partizipative Demokratie anzusehen, sondern als Ergänzung. Denn wenn die zwanzig Jahre unermüdliches Engagement für direkte Demokratie eines gezeigt hätte, dann, “dass wir vor allem sehr viel gelernt haben”, so resümiert man in der Initiative für mehr Demokratie. “Wir dürfen jetzt nicht im Kampf um diese Souveränität hängenbleiben. Sondern müssen das, was wir als richtig und gut ansehen, selber praktizieren, ohne auf die Genehmigung oder darauf zu warten, dass es irgendwer für uns macht.”