Politica | Landtag

Leiser Rückzug

Im November hat die Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das den Mitarbeitern der Landtagsfraktionen einen Sonderstatuts einräumt. Jetzt muss man wieder zurückrudern.
Landtag
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Der Passus ist gesetzestechnisch schön verpackt.
Derzeit behandeln alle vier Gesetzgebungsausschüsse des Landtages das von der Landesregierung am 10. Mai beschlossene Sammelgesetz. In Artikel 9 dieses Omnibusgesetzes geht es um die Aufhebung einer ganzen Reihe von Rechtsvorschriften. Dabei heißt es: „Folgende Rechtsvorschriften sind aufgehoben: ..(...).. b) Artikel 3 Absätze 2 und 3 des Landesgesetzes vom 12. Dezember 2016, Nr. 26.
Hinter diesem unscheinbaren Satz steht eine politische Niederlage der beiden Südtiroler Regierungsparteien. Denn PD und SVP haben im November 2016 eine anrüchige Regelung durch den Landtag geboxt, die von der Opposition und noch mehr von den Gewerkschaften hart kritisiert wurde.
Das Gesetz sieht eine Sonderregelung vor, die von der Zentralregierung aber nicht geduldet wird. Um der Gefahr eine Anfechtung vor dem Verfassungsgericht und einer sich abzeichnenden Niederlage zu entgehen, rudert man jetzt still und leise zurück.
 

Die Fraktionsmitarbeiter

 
Mit der von Matteo Renzi geplanten Verfassungsreform hätte der Staat den Fraktionen den Geldhahn zugedreht. Das hätte geheißen, dass tausende Mitarbeitern der Regionalratsfraktionen in ganz Italien nicht mehr bezahlt und damit auf der Straße stehen würden. Auch im Südtiroler Landtag.
Weil das aber politischer und institutioneller Selbstmord wäre, hat man im Parlament nachgebessert. Man verabschiedete im Herbst 2016 eine authentische Interpretation, nach der es erlaubt ist, dass in Zukunft die Landtage den Fraktionen die Mitarbeiter stellen.
Die Regionen und die Länder mussten diese Regelung aber gesetzlich verankern. Das Referendum vor der Tür, stand man unter Zeitdruck. Der Südtiroler Landtag verabschiedete Ende November/Anfang Dezember 2016 im Schnelldurchgang eine Neuregelung.
Das von Landtagspräsident Roberto Bizzo vorgelegte Gesetz mit dem Titel „Bestimmungen über das Personal der Fraktionen des Südtiroler Landtages“ ist die Grundlage, dass der Landtag in Zukunft den Fraktionen die Mitarbeiter stellen kann. Dabei gibt es eine klare Vorbedingung: „Das Personal wird auf Grundlage eines Vertrauensverhältnisses zu den Fraktionen ausgewählt.“ Das heißt: Die Fraktionen können auch Personen auswählen, die noch nicht im Landtag oder im Land angestellt sind.
Der Hintergrund ist einfach: Alle Fraktionen wollen ihre langgedienten Mitarbeiter behalten und nicht auf die Straße stellen. Das Gesetz sieht damit einen reibungslosen Übergang dieser Fraktionsangestellten an den Landtag vor. Sie wechseln sozusagen nur auf dem Papier ihren Arbeit-- und Lohngeber, bleiben aber sonst alle an ihrem Platz.
 

Ungerechte Sanierung

 
In das Gesetz wurde aber auch eine Sonderregelung eingebaut, die es den Fraktionen - allen vor an der SVP - ermöglichen sollte, die amtierenden Mitarbeiter in deutlicher Abweichung von den Spielregeln des öffentlichen Dienstes anzustellen und zu bezahlen.
Denn Angestellte des Landtages müssen per Gesetz alle Voraussetzungen des öffentlichen Dienstes erfüllen. Also öffentlicher Wettbewerb, Zweisprachigkeitsnachweis und genaue Voraussetzungen für die Einstufungen in den verschiedenen Gehaltsebenen.
Genau das hat man aber in diesem Fall außer Kraft gesetzt. Denn in das Gesetz wurden zwei Ausnahmebestimmungen eingebaut. So heißt es:
„In Erstanwendung des vorliegenden Gesetzes kann dem Personal, welches den Landtagsfraktionen zugewiesen wird, für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten eine Abweichung von den Voraussetzungen ...(...)... gewährt werden.“
Außerdem ist im Gesetz auch für die Einstufung in eine entsprechende Besoldungsstufe und Funktionsebene eine Abweichung von 30 Monaten erlaubt.
Konkret heißt das: Ein Mitarbeiter, der als Akademiker eingestuft ist, aber weder einen Zweisprachigkeitsnachweis, noch einen entsprechenden Studientitel hat, wird zweieinhalb Jahre lang so bezahlt, als hätte er diese Voraussetzungen. Kann er die nötigen Voraussetzungen auch danach nicht vorweisen, wird er in der Gehaltsebene zwar zurückgestuft, muss aber keinen Cent zurückzahlen.
 

Die Kritik

 
Kritisiert wurde diese Regelung vor allem von den Gewerkschaften. „Jeder Schuldiener und jede Putzfrau müssen in der öffentlichen Verwaltung den Zweisprachigkeitsnachweis haben“, kritisierte CGIL/Agb-Gewerkschafterin Ulli Bauhofer damals diese Ausnahmebestimmungen, „und hier drückt man beide Augen zu". Auch ASGB-Chef Tony Tschenett sagte zu Salto.bz: „Diese Sonderregelungen sind gegenüber alle anderen Arbeitnehmern einfach ungerecht“.
Dass diese Regelung nicht rechtens ist, ist inzwischen augenscheinlich. Landesgesetze werden von den römischen Ministerien geprüft. Dabei sind diese Ausnahmebestimmungen in deutliche Abweichung von den staatlichen Vorgaben in Rom mehr als nur sauer aufgestoßen. Die Regierung bedeutete dem Palais Widmann, dass man dieses Gesetz vor dem Verfassungsgericht anfechten werde.
Deshalb heißt es jetzt: Rückzug. Mit dem Sammelgesetz sollen jene zwei Absätze abgeschafft werden, die diese Ausnahmebestimmungen vorsehen.
Im Begleitbericht von Einbringer Arno Kompatscher heißt es dazu:
 
Artikel 3 Absätze 2 und 3 des Landesgesetzes vom 12. Dezember 2016, Nr. 26 (Bestimmungen über das Personal der Fraktionen des Südtiroler Landtages), bezüglich der Voraussetzungen für die Aufnahme von Personal der Landtagsfraktionen werden aufgehoben, da sich das Land gegenüber dem Departement für regionale Angelegenheiten des Präsidiums des Ministerrates in diesem Sinne verpflichtet hat, um die Einleitung eines verfassungsrechtlichen Streitverfahrens zu vermeiden.“
 
Es ist eine freiwillige Kapitulation und eine Bestätigung, dass diese Ungleichbehandlung so nicht geht.
Jetzt werden die SVP und einige andere Südtiroler Parteien ihr Problem mit den Fraktionsangestellten anders lösen müssen.