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Stiefkind Arbeitssicherheit

Bei einem Arbeitsunfall zog sich ein Minderjähriger schwere Verbrennungen zu. Gewerkschaften fordern nun die längst fällige Ernennung des Komitees für Arbeitssicherheit.
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Foto: James Kovin on Unsplash
Ein schwerer Arbeitsunfall mit einem Minderjährigen wirft die Frage auf, wie in Südtiroler Betrieben mit Arbeitssicherheit umgegangen wird – und ob die Politik ihren Aufgaben nachkommt. Die Gewerkschaften SGB-CISL und CGIL-AGB kritisieren die Unterbesetzung des Arbeitsinspektorats. Womöglich deshalb hat die Bilaterale Körperschaft für Sicherheit im Handwerk (BKSH) selbst Sicherheitssprecher ernannt, die in Betrieben die Arbeitssicherheit bewerten. Ein weiterer Schwachpunkt sei laut Gewerkschaften, dass das gesetzlich vorgeschriebene Komitee für Arbeitssicherheit und Gesundheit seit langem nicht getagt hat – dafür müsste es erst einmal ernannt werden. 
Südtirol ist keine Insel der Heiligen und lässt bei der Arbeitssicherheit seit Jahren zu wünschen übrig - Dieter Mayr (SGB-CISL)

Der Arbeitsunfall

 
Am Freitag letzter Woche ereignete sich ein schwerer Arbeitsunfall in einer Meraner Autowerkstatt, der italienweit für Aufsehen sorgte. Dabei zogen sich ein 17-jähriger Lehrling aus Schlanders und ein 36-jähriger Kunde schwere Brandverletzungen zu. Beide befinden sich in Spezialkliniken im Ausland und sind mittlerweile außer Lebensgefahr. Der 17-Jährige war seit Januar 2022 im Betrieb und sollte nach seinem Praktikum übernommen werden.
Bildungslandesrat Philipp Achammer und der Präsident des Landesverbandes der Handwerker lvh, Martin Haller, warnen nun vor Pauschalisierungen zu Arbeitssicherheit und dem dualen Ausbildungssystem. „Der Handwerkssektor hat viel weitergebracht, wenn es um die Arbeitssicherheit bei der Ausbildung geht. Das gilt auch für die Sensibilisierung“, so Haller gegenüber der Dolomiten. Der Handwerkssektor habe als einziger in Südtirol territoriale Sicherheitssprecher eingeführt, die in den Betrieben die Arbeitssicherheit bewerten und gegebenenfalls Verbesserungen vorschlagen.
 
 

Unfallquote in Südtirol

 
Laut einem 2020 veröffentlichten WIFO-Bericht kommt es in der Landwirtschaft und im Baugewerbe häufiger zu Unfällen als in anderen Sektoren. Zudem haben Männer eine deutlich höhere Unfallrate als Frauen. Im Vergleich zum restlichen Italien schneidet Südtirol bei der Unfallquote schlechter ab: Südtirol liegt mit 28,3 entschädigten Arbeitsunfällen je 1.000 Beschäftigte (Durchschnitt 2017-2019) deutlich über der Nachbarregion Trentino (17,7) und Italien insgesamt (15,0).
Berücksichtigt man nur die entschädigten Unfälle mit Invaliditätsfolge, sinkt die Unfallrate Südtirols auf 3,3 und liegt nur mehr leicht über dem nationalen Durchschnitt (2,8). Positiv sei, dass alle untersuchten Regionen im vergangenen Jahrzehnt ihre Unfallrate deutlich senken konnten. Südtirol (-28,9 %) verzeichnete allerdings einen deutlich schwächeren Rückgang als das Trentino (-47,4 %) und Italien insgesamt (-42,0 %).
Das Arbeitsinspektorat ist chronisch unterbesetzt und das Landeskomitee für Arbeitssicherheit und Gesundheit müsste wieder ernannt werden - Josef Lazzari (CGIL-AGB)

Sicht der Gewerkschaften

 
„Südtirol ist keine Insel der Heiligen und lässt bei der Arbeitssicherheit seit Jahren zu wünschen übrig“, so Dieter Mayr, Generalsekretär vom SGB-CISL-Gewerkschaftsbund. Im Vergleich zum Trentino gebe es zu wenig Arbeitsinspektoren und das Landeskomitee zu Arbeitssicherheit habe seit langem nicht mehr getagt. Der Arbeitsunfall in Meran zeige, dass die fehlende Arbeitssicherheit gerade angesichts des Fachkräftemangels der falsche Ansatz sei.
Der Schutz der eigenen Gesundheit müsste das ureigene Interesse von Arbeitnehmer:innen sein. Auch für Arbeitgeber:innen sei die fehlende Arbeitssicherheit von Nachteil, da ihr Personal bei Arbeitsunfällen ausfällt und sich der Ruf als Arbeitgeber verschlechtere. „Wir pochen seit Jahren auf mehr Sicherheit am Arbeitsplatz und ich kann nicht nachvollziehen, dass sie hierzulande so vernachlässigt wird“, so Mayr.
 
 

Wirksame Maßnahmen

 
Er versteht, dass Unternehmen nicht mit mehr Bürokratie konfrontiert sein wollen, allerdings gäbe es bereits umfassende und wirksame Sicherheitsmaßnahmen. „Damit diese auch umgesetzt werden, müssen sich Menschen aber der Gefahren bewusst sein“, so Mayr. Ob die verpflichtenden Online-Kurse zu Arbeitssicherheit die gewünschte Wirkung erreichen, stellt er in Frage. „Hier braucht es einen Referenten, der mit Feinfühligkeit und Wissen überzeugen kann.“
 
 
Josef Lazzari von dem CGIL-AGB-Sekretariat spricht dieselben Probleme wie Dieter Mayr vom SGB-CISL-Gewerkschaftsbund an: „Das Arbeitsinspektorat ist chronisch unterbesetzt und das Landeskomitee für Arbeitssicherheit und Gesundheit müsste wieder ernannt werden. Dieses Komitee ist eigentlich gesetzlich vorgesehen. Bei periodischen Treffen könnten dort die Herausforderungen bei Arbeitssicherheit in Südtirol mit Gewerkschaften, Betrieben und politisch Verantwortlichen besprochen werden.“