Economia | Belluno

Comeback für Cortina?

Die Wiedereröffnung des Flugplatzes von Cortina nimmt Gestalt an. Wird der Flugbetrieb bis zur Ski-WM 2021 wieder aufgenommen?
Flugplatz Cortina
Foto: Voci di Cortina

Es war einmal, inmitten der bleichen Bergen, auf 1.299 Metern Höhe, ein Flugplatz. Die High Society sollte er anlocken, Glamour und Geld in den Ort bringen. Doch dann die Tragödien. Zwei Flugzeugabstürze wegen widriger Wetterbedingungen forderten elf Tote. Das war zu viel. Seit dem 31. Mai 1976 fliegt kein Flugzeug mehr den “St. Anna” an. Nun, über 40 Jahre später, soll der Flugplatz von Cortina aus seinem Dornröschenschlaf erweckt werden.

Die Pläne dafür gibt es schon seit Jahren. Anfang 2015 wurde “Cortinairport” ins Leben gerufen. Das Komitee unter der Federführung des Mailänder Unternehmers und Hobbypiloten Fabrizio Carbonera will dem Flugplatz in Cortina neues Leben einhauchen. Dort, wo inzwischen Camper parken und nur noch dann und wann ein Hubschrauber abhebt, sollen bald schon wieder die mondänen Gäste landen, die Cortina so schmerzlich vermisst. L’unica cosa che quella clientela non può comprare è il tempo. Noi possiamo aiutarli a raggiungere più velocemente ciò che desiderano”, schwärmt Carbonera.

Die Goldenen Jahre des einstigen Luxus-Urlaubsortes sind vorbei. Es gab Zeiten, da gaben sich Ernest Hemingway, Brigitte Bardot, Paolo Villaggio und Roger Moore in Cortina die Klinke in die Hand. Heute schießen Bed & Breakfast-Betriebe aus dem Boden, zur Hochsaison gibt es eine Übernachtung auch schon mal um 39 Euro. Das eingestaubte Image des Skiortes in den Belluneser Dolomiten, der nicht nur als Austragungsort der VII Olympischen Winterspiele 1956 bekannt ist, soll aufpoliert werden. Das ist die Mission von “Cortinairport”. Viel zu machen gebe es am “St. Anna” nicht, sagt Fabrizio Carbonera und verrät, dass der Flugplatz bereits 2018 wieder eröffnet werden könnte. Der Um- bzw. Neubau der Infrastrukturen könnte 2020 abgeschlossen sein. Also noch vor der Ski-WM, deren Austragung sich Cortina für 2021 gesichert hat. Und das ist der Plan der Flugplatz-Befürworter. Zu denen zählt auch der Präsident der Region Veneto, Luca Zaia. Er sei “assolutamente favorevole” sagt Zaia und macht Druck für eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs in Cortina bis 2021.

Bei “Cortinairport” rechnet man mit Investitionen von 20 bis 24 Millionen Euro. Die gesamte Summe soll von Privaten aufgebracht werden. Und das Vorhaben geht voran. Wie vor einer Woche bekannt geworden ist, hat die italienische Luftfahrtbehörde ENAC grünes Licht für die Wiedereröffnung gegeben. Das Vorprojekt, das bei der ENAC eingereicht wurde, sieht unter anderem vor, die Landebahn von 1.280 auf 1.520 Meter zu verlängern und sie um 25 bis 30 Meter zu verbreitern. Laut Luftfahrtbehörde könnten dann Flugzeuge – es wären wohl ausschließlich Privatmaschinen – mit bis zu 19 Passagieren starten und landen. Dem Promotorenkomitee schweben jährliche Passagierzahlen von 16.000 vor. Doch was ist mit der bedenklichen Sicherheitslage, wegen der der Flugplatz schließlich geschlossen wurde?

Manfred Mussner ist Direktor der ENAC am Flugplatz Bozen und erklärt, dass an Bergflughäfen besondere Auflagen berücksichtigt werden müssen. “In der Regel schreibt die Luftfahrtbehörde ein so genanntes Einweisungsverfahren vor, das jeder Pilot auch für ganz normale Flüge tagsüber absolvieren muss”, so Mussner zu Rai Südtirol. Es seien zwar sehr anspruchsvolle Flugmanöver, aber Bergflughäfen könnten durchaus erfolgreich betrieben werden, sagt Mussner und verweist auf Beispiele in der Schweiz und in Frankreich.

In Cortina selbst genießt man das Vorhaben der Seilschaft um den Mailänder Unternehmer Carbonera mit Vorsicht. “Può essere un’opportunità ma dobbiamo valutarla con attenzione”, sagt Bürgermeister Gianpietro Ghedina. In erster Linie geht es Ghedina um die Sicherheit, aber auch Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit des Flugplatzes will er genauestens prüfen lassen. Als Gemeindeverwalter gelte es für ihn mit den Füßen am Boden zu bleiben, so Ghedina. Von anderer Seite kommt indes offene Kritik am Vorhaben. Arianna Spessotto, die für den Movimento 5 Stelle in der Transportkomission der Abgeordnetenkammer in Rom sitzt, war im April in Cortina und meint: “Il territorio di Cortina è unico al mondo e non si può pensare di riaprire un aeroporto lì.” Es sei nicht das erste Mal, dass man versuche, einen Flugplatz aus- bzw. neu zu bauen, “che non sono funzionali al territorio e che rappresentano esclusivamente una fonte di business e di guadagno per i gestori”.

Auch bei den Umweltschützern von Mountain Wilderness runzelt man die Stirn. Vielmehr als auf den Flugplatz setzten die Umweltschützer auf den Zug. Geht es nach Luca Zaia, soll Cortina beides kriegen: einen neuen Flugplatz – und die Schienenanbindung an Calalzo und Venedig auf der einen und Toblach und Bozen auf der anderen Seite. Eifrig rührt der Präsident der Region seit Wochen die Werbetrommel für die Dolomitenbahn. Am 25. Juli wird der Landtag von Belluno neun Millionen Euro für die Finanzierung des “Treno delle Dolomiti” auf Belluneser Seite bereit stellen.

Bis Ende September sollen hingegen die endgültige Bewertung des Flugplatzausbaus in Cortina sowie der Businessplan vorliegen. Verwaltet soll der Flugplatz von einem Betreiber werden, den die ENAC bestimme, so Carbonera. Der Gemeinde fiele eine Role im Verwaltungsrat zu. Ein Wörtchen mitzureden haben allerdings auch die Menschen vor Ort. Seit Jahrhunderten gibt es in Cortina eine Form des Kollektiveigentums, die so genannten Regole d’Ampezzo. Wälder und Weiden auf einer Gesamtfläche von 16.000 Hektar befinden sich im Besitz der Einwohner von Cortina. Und nur wenn 75 Prozent zustimmen, können die Wälder, die für den Ausbau der Landebahn des “St. Anna” gerodet werden müssten, verkauft werden. Es liegen also noch große Schatten über dem Vorhaben von “Cortinairport”.

Begrüßenswert findet es der Pusterer HGV-Bezirksobmann Thomas Walch im nur 30 Kilometer von Cortina entfernten Toblach, “wenn sich unsere Nachbarn für eine bessere Erreichbarkeit einsetzen”. Er sieht in der Wiedereröffnung des Flugplatzes – übrigens wie HGV-Präsident Pinzger bereits 2015 – auch eine “kleine Chance” für das Hochpustertal und das Gadertal, ein Stück vom Promi-Kuchen, den Cortina anlocken will, abzubekommen.

Fabrizio Carbonera verspricht Cortina völlige Transparenz. Er habe Bürgermeister Ghedina gesagt, “spremeteci come limoni, vi diremo tutto quello che volete sapere, diteci cosa possiamo fare per essere in sintonia con voi”. Aber um jeden Preis will der Mailänder nicht in Cortina investieren: “Non me l’ha ordinato il medico di fare questo aeroporto; se la gente di Cortina non lo vuole, benissimo, vado da un’altra parte.