Cronaca | Sanität

Schaels Kuckucksei

Am Dienstag wird am Bozner Landesgericht eine Strafanzeige des Sanitätsbetriebes gegen Paul Köllensperger verhandelt. Es geht dabei um die politische Meinungsfreiheit.
Gericht Bozen
Foto: Foto: Salto.bz
Die Kontrahenten wollen sich vor der Verhandlung nicht äußern. „No comment“, richtet Thomas Schael aus. „Ich habe Vertrauen in die Justiz und möchte vorab keinen Kommentar abgeben“, sagt auch Paul Köllensperger.
Am Dienstag um 10 Uhr wird im Zimmer von Vorverhandlungsrichter Emilio Schoensberg die Entscheidung fallen, ob eine Strafanzeige des Sanitätsbetriebes gegen den Landtagsabgeordneten Paul Köllensperger archiviert wird oder ob zur Einleitung des Hauptverfahrens kommt.
Es ist kein alltägliches Verfahren, sondern ein Fall in dem es darum geht, ob die politische Meinungsfreiheit in diesem Land noch gilt. Aber auch wieviel an Kritik an öffentliche bezahlten Spitzenmanager überhaupt noch möglich ist.
Es fällt jetzt schon auf. An der Spitze des Südtiroler Sanitätsbetriebe ist man äußerst dünnhäutig und man reagiert schnell mit Strafanzeigen gegen unliebsame Beobachter. So hat der langjährige Verwaltungsdirektor des Senitätsbetriebes und amtierende Chef der Rechtsabteilung Marco Capello eine Kritikerin gleich mit zwei Klagen eingedeckt.
 
Auch Thomas Schael scherzt nicht. Nach einer Anzeige gegen den Impfkritiker Reinhold Holzer, hat der Generaldirektor vor etwas mehr als einem Jahr auch eine Strafanzeige gegen Paul Köllensperger bei der Bozner Staatsanwaltschaft eingereicht.
Schael hat dabei die Anzeige als gesetzlicher Vertreter des Sanitätsbetriebes Südtirol gemacht und nicht als Privatperson. Vor Gericht stehen sich damit als Streitparteien der Sanitätsbetrieb und Köllensperger gegenüber. Das heißt der Gerichtsstreit geht auch jetzt weiter nachdem Thomas Schael sein Amt niederlegen musste.
Wie giftig Schaels Erbe dabei ist, wird deutlich, wenn man sich den gesamtem Gerichtsfall genauer anschaut.
 

Die Kritik

 
Der ehemalige M5S-Politiker Paul Köllensperger gehört seit vielen Jahren zu einem der schärfsten Kritiker von Thomas Schael. Weil auch der Athesia-Verlag (wirtschaftliche) Interessen am Abschuss des Generaldirektors hatte, spannte die Tageszeitung „Dolomiten“ den oppositionellen Politiker immer wieder gerne vor den eigenen Karren.
So war es auch am 21. Juli 2017. In einem Artikel mit dem Titel „6,2 Millionen Euro oder sparsam ist anders“ kritisierte Paul Köllensperger anhand von genauen Daten und Zahlen die externen Berater- und Dienstleistungsaufträge des Südtiroler Sanitätsbetriebes hart.
Köllensperger erklärte nicht nur, dass Thomas Schael einen 260.000-Euro-Auftrag an seinen früheren Arbeitgeber Agenas, der gesamtstaatlichen Agentur für regionale Gesundheitsdienstleistungen vergeben habe, der Landtagsabgeordnete wirft dem Generaldirektor auch offen „Wortklauberei“ vor.
 
Der Hintergrund: Paul Köllensperger hatte wenige Monate zuvor in einer Landtagsanfrage nach den externen Berateraufträgen des Südtiroler Sanitätsbetriebes nachgefragt. Ende März 2017 beantwortet der Sanitätsbetrieb die Anfrage mit einer genauen Aufstellung und der Gesamtsumme von 530.577 Euro.
Das aber kommt Köllensperger deutlich zu wenig vor. Deshalb sucht der Politiker alle vergebenen Aufträge auf der Homepage des Sanitätsbetriebes zusammen. Nicht nur jene für externe Berater, sondern auch jene, die mit externen Dienstleistungsverträgen vergeben wurden. Dabei kommt jene Summe heraus, die Dolomiten-Artikel angegeben wird: 6,2 Millionen.
Paul Köllensperger kritisiert dabei im Artikel die Unterscheidung zwischen Berater- und Dienstleistungsvertrag als „Wortklauberei“.
 

Die Klage

 
Am 28. August 2017 reicht Thomas Schael eine Strafanzeige wegen Rufschädigung und Diffamierung durch die Presse bei der Bozner Staatsanwaltschaft gegen Paul Köllensperger ein. Schael sieht sich in dem Dolomiten-Artikel als „Lügner“ gebrandmarkt. Zudem lastet er Paul Köllensperger an, dass ihn wenig später die „Dolomiten“ in die samstägliche Rubrik „Abgestiegen“ aufgenommen haben.
Auffallend ist, dass Schael zwar gegen Köllensperger nicht aber gegen die Athesia geklagt hat. Auch die Tatsache, dass Thomas Schael nicht als Privatperson geklagt hat, sondern in seiner Funktion als Amtsperson und damit den Sanitätsbetrieb in den Gerichtsstreit hineingezogen hat, macht deutlich, dass es darum geht, einen politischen Kritiker per Gerichtsbeschluss zum Schweigen zu bringen.
Es ist der Versuch die parlamentarische Kontrollfunktion des Landtages einzuschränken“, argumentiert Köllenspergers Anwältin Renate Holzeisen im Verteidigungsschriftsatz für ihren Mandanten. Auch weil Schael in seiner Anzeige das Madia-Gesetz und die Abkoppelung der Sanitätsbetreibe von der Politik herauszieht.
 
Im Frühjahr 2018 wird Paul Köllensperger vom ermittelnden Staatsanwalt Igor Secco angehört. Daraufhin stellt Secco am 12. April 2018 den Antrag auf Archivierung der Strafanzeige. Der Staatsanwaltschaft argumentiert, dass Köllensperger seine Kritik nicht nur durch Daten und Zahlen untermauern kann, sondern dass die geäußerten Bedenken sowohl in Form als auch im Inhalt in einer politischen Debatte durchaus zulässig sind.
Thomas Schael und der Sanitätsbetrieb legen wenig später gegen den Archivierungs-Antrag des Staatsanwaltes Berufung beim Voruntersuchungsrichter ein. Staatsanwalt Igor Secco bestätigt am 11. Mai 2018 seinen Antrag auf Archivierung. „Die Aussagen muss man als Ausdruck der rechtmäßigen Ausübung des Rechts auf Kritik eines Landtagsabgeordneten sehen“, schreibt Secco im Archivierungsantrag.
Am Dienstag wird Vorverhandlungsrichter Emilio Schoensberg entscheiden müssen, ob es in diesem absurden Gerichtsstreit zum Hauptverfahren kommt. Dabei ist eines schon jetzt sicher.
Am Ende wird der Steuerzahler die Rechtskosten Schaels zahlen. Denn vor Gericht steht der Sanitätsbetreib.